Aus Russland geflohener Bischof mahnt: Nicht wegschauen

30. Juli 2022 in Aktuelles


Ex-Bischof der lutherischen Kirche Russlands sprach bei Veranstaltung der Evangelischen Akademie Kärnten


Wien (kath.net/KAP) Vor einem Abstumpfungseffekt mit Blick auf die Nachrichten und Bilder vom Krieg in der Ukraine, warnt der ehemalige Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Russlands (ELKR). Die Lage in der Ukraine dürfe "nicht zur Routine" werden, sagte Dietrich Brauer laut Pressedienst epdö (Mittwoch) bei einem Online-Vortrag der Evangelischen Akademie Kärnten. Es dürfe nicht sein, "dass man sich auch an das Schlimmste gewöhnt".

Brauer war im März mit seiner Familie nach Deutschland geflohen und von seinem Amt in Russland zurückgetreten. Zuvor hatte er in einer Predigt Kritik an der russischen Staatsführung geäußert und auch deren Aufforderung abgelehnt, die "Spezialoperation" gegen die Ukraine öffentlich gutzuheißen. "Wir können tausendmal von den Kanzeln von Liebe sprechen, aber einmal wird es ganz konkret, da kann man nicht wegschauen", sagte Brauer bei dem Online-Vortrag.

Für ihn und seine Familie, aber auch für die Kirche sei nichts mehr wie vor dem 24. Februar. Der Tag habe alle in Schock versetzt, niemand habe zuvor erwartet, dass es zu einem Krieg kommen wird. "Unvorstellbares" sei inzwischen passiert. Wenn ein Staat seine Macht missbrauche, Menschlichkeit verloren gehe und stattdessen Entmenschlichung um sich greife, gelte es, "nicht wegzuschauen und der Wahrheit ins Gesicht zu blicken". Dennoch bliebe nur wenig, was der Einzelne machen könne. "Wir alle sind Geiseln dieser Situation", sagte Brauer. Fehlende Antworten machten müde, aber "das ist zugleich Wasser auf den Mühlen der Kriegstreiber".

Brauer selbst schöpft Kraft aus persönlichen Gesprächen und Gebeten. "Das Gebet für den Frieden ist das Mindeste, was wir tun können", meinte Brauer, der selbst Friedensgebete organisiert hat. "Es darf keine Pause geben in den Gebeten, weil auch der Krieg den Menschen keine Pause gönnt."

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