Die Synodale Parallelgesellschaft

10. August 2022 in Kommentar


„Vielleicht möchten auch Sie, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, einfach nur römisch-katholisch sein und bleiben – und in Gemeinschaft mit den Heiligen und dem Heiligen Vater?“ Gastbeitrag von Thorsten Paprotny


Bonn (kath.net) Vor kurzem hat das Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz die nationale Stellungnahme zum Synodalen Prozess der Weltkirche publiziert. Haben Sie das schon gelesen? Vielleicht fragen Sie sich auch: Muss ich das überhaupt lesen? Möchte ich das lesen müssen?

Die vorgelegte Prosa (https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2022/2022-114dt-Bericht-der-Deutschen-Bischofskonferenz-zur-Weltbischofssynode-2023.pdf) bleibt orientiert an der kirchenpolitischen Funktionärssprache der verwalteten Welt. Sogar die zumindest hierzulande von modernistisch gesinnten Katholiken verklärte Würzburger Synode (von 1971-1975 übrigens, wer’s vielleicht nicht mehr so genau weiß …) wird erwähnt. Dann rückt der deutsche Synodale Weg in den Mittelpunkt, ebenso die MHG-Studie. Die Autoren erklären: „Deutlich wurde aus den Ergebnissen der Studie, dass es hier nicht nur um ein individuelles Versagen geht, sondern dass der sexuelle Missbrauch und seine Vertuschung in der Kirche auch durch systemische Ursachen begünstigt wurde.“ Es ist verstörend, dass die Verbrechen des sexuellen Missbrauches und deren Vertuschung als „individuelles Versagen“ bezeichnet werden – es handelt sich um skandalöse Verbrechen. Weiterhin relativiert wird dies durch den Verweis auf nebulöse „systemische Ursachen“. Die bekannte Reformagenda des Synodalen Wegs wird sogleich bekräftigt. Weiterhin lesen wir: „Der Synodale Weg ist ein Weg der Umkehr und der Erneuerung, angestoßen durch die beschämende Erkenntnis des sowohl individuellen, als auch strukturellen Versagens im Hinblick auf den Umgang mit sexueller Gewalt, aber auch getragen von der Gewissheit, dass die Kirche einer Erneuerung vom Kern ihres Wesens her bedarf, um in ungehinderter Weise Kirche Jesu Christi, Zeugin des Evangeliums und pilgerndes Volk Gottes durch die Zeiten sein zu können.“

Ideen zur Revision der verbindlich gültigen, lebensschützenden und menschenfreundlichen Morallehre der Kirche ebenso Fragen, die das Weiheamt für Priester überhaupt kategorisch zur Disposition stellen, werden auf dem Synodalen Weg aufgebracht, von Gott und von der Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi ist nicht die Rede.

Die Apologie der Reformagenda wird in dem Papier fortgesetzt: „Zentrales Ziel des Synodalen Weges ist es, die systemischen Ursachen des Missbrauchs und seiner Vertuschung zu beseitigen, um das Evangelium in Zukunft wieder glaubwürdig verkündigen zu können. Dabei ist die Kontinuität der Lehre und die Gemeinschaft der Weltkirche zu wahren.“ Werden deshalb etwa ständig der Katechismus und die Morallehre der Kirche infrage gestellt? Doch lesen wir weiter: „Deshalb war es von großer Bedeutung, sich verantwortungsvoll und reflektiert mit den Erkenntnisquellen des Glaubens und der Theologie (den „loci theologici“) zu befassen. Universitäts-Theologinnen und -Theologen begleiten diese Beratungen im Synodalen Weg. Ebenso entscheidend ist es, bei den Reformanliegen des Synodalen Weges immer im Blick zu behalten, welche Möglichkeiten sich dafür auf der Entscheidungsebene der Bistümer und der Bischofskonferenz bieten und welche Anliegen in das Gespräch der Weltkirche eingebracht werden müssen. Nicht zuletzt deshalb blicken die Katholiken in Deutschland auch mit Hoffnung auf den Synodalen Weg der Weltkirche.“ Die Weltkirche indessen sieht begründet mit Sorge die luftigen, kunterbunten und nationalkirchlichen Ideen auf dem Synodalen Weg in Deutschland, und hierzu gehört insbesondere auch Papst Franziskus, wie er mehr als einmal unmissverständlich klargemacht hat.

Vorgelegt werden noch „Rückmeldungen“ aus den Bistümern. Darunter findet sich unter anderem folgende Beobachtung: „Innerkirchlich wird mehrfach bezweifelt, dass eine offene, angstfreie Rede möglich ist. Es gibt Tabuthemen, die innerkirchlich nicht offen besprochen werden können, wie vor allem Fragen zur Sexualität (z. B. Verhütung, Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehe…). Theolog/innen fürchten im Fall einer differenzierten und offenen Äußerung um den Entzug ihrer Lehrerlaubnis.“ Tatsächlich? Meine Wahrnehmung weicht davon ab: Mitten in der Kirche scheint die verbindlich gültige Lehre der Kirche mehr und mehr zu einem Tabuthema zu werden. Und immer mehr der Kirche aller Zeiten und Orte in Treue verbundene Katholiken vereinsamen mitten in der deutschen Kirche der saturierten Zeitgeistlichkeit.

Einfach gläubige Katholiken möchten sich nicht angstfrei zur deutschen Agenda des Synodalen Wegs bekennen, sondern hoffnungsvoll und zuversichtlich zum Credo der Kirche. Vielleicht möchten auch Sie, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, einfach nur römisch-katholisch sein und bleiben – und in Gemeinschaft mit den Heiligen und dem Heiligen Vater? So wie es der heilige Ambrosius präzise formulierte: „Ubi Petrus, ibi ecclesia.“ (= „Wo der Papst ist, ist die Kirche.“)

Eine Äußerung aus den diözesanen Rückmeldungen sei noch erwähnt: „Die Kirche muss lernen, aus ihren Gebäuden, Sprachspielen und Regeln herauszugehen zu den Menschen. Unsere Sprache muss anschlussfähig sein, unser Interesse echt und unsere Botschaft verständlich.“ Stimmt, wir brauchen keine synodalen Sprachspiele, keine Weisheiten einer deutschkatholischen Fortschrittspartei und keine modernistischen Phrasen aus dem Kirchenpolitbüro. Unser Auftrag ist Verkündigung des Herrn, durch Lehre, Zeugnis und Beispiel. Unsere Sendung ist die Heiligung des Alltags. Unser Ziel ist Heiligkeit. Ja, die Botschaft muss verständlich sein – auch das stimmt. Und sie ist es, denn es ist das Evangelium Jesu Christi und die verbindlich gültige, wunderbare und lebensschützende Lehre der Kirche des Herrn. Bedenkens- und hörenswert ist in diesem Sinne auch die klar römisch-katholische Predigt (https://www.youtube.com/watch?v=6-hpEmtrwdw) von Pater Engelbert Recktenwald zum Synodalen Weg.

Dr. Thorsten Paprotny lehrte von 1998-2010 am Philosophischen Seminar und von 2010 bis 2017 am Institut für Theologie und Religionswissenschaft der Leibniz Universität Hannover. Er publizierte 2018 den Band „Theologisch denken mit Benedikt XVI.“ im Verlag Traugott Bautz und arbeitet an einer Studie zum Verhältnis von Systematischer Theologie und Exegese im Werk von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.

kath.net-Buchtipp
Theologisch denken mit Benedikt XVI.
Von Thorsten Paprotny
Taschenbuch, 112 Seiten
2018 Bautz
ISBN 978-3-95948-336-0
Preis 15.50 EUR


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