Das Leben hat kein Verfallsdatum, es beginnt immer neu in Christus

17. August 2022 in Aktuelles


Franziskus: die Allianz von alten Menschen und Kindern wird die menschliche Familie retten. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Daran sollst du erkennen: Der Herr, dein Gott, ist der Gott; er ist der treue Gott; noch nach tausend Generationen bewahrt er den Bund und erweist denen seine Huld, die ihn lieben und seine Gebote bewahren. Denen aber, die ihn hassen, vergilt er ins Angesicht und tilgt einen jeden aus; er zögert nicht, wenn er ihn  hasst, sondern vergilt ihm ins Angesicht“ (Dt 7,9-10).

Papst Franziskus setzte seine Katechesenreihe zum Alter fort. Die siebzehnte Katechese stellte er unter das Thema: „Das ‚Alte der Tage‘. Das Alter gibt dem Leben, das nicht mehr stirbt, ein neues Ziel“.

Die geheimnisvolle und zugleich strahlende Vision eines weißhaarigen Hochbetagten im Traum des Propheten Daniel finde im Neuen Testament in der Geheimen Offenbarung seine Entsprechung. Dort sei es der Menschensohn, der mit strahlend weißem Haar inmitten von sieben Leuchtern steht.

In der Antike gälten die weißen Haare als Symbol für eine lange Zeit, für eine unergründliche Vergangenheit und eine ewige Existenz. Die Bilder des Weißhaarigen wiesen auf die Verbundenheit der Lebensalter und auf die besondere Berufung des Alters hin, die Kinder, die zur Welt kommen, als Segen und ununterbrochenes Geschenk Gottes an die Menschheit zu sehen.

Das Alter gebe den Kindern ein Zeugnis dafür, dass Vergangenheit und Zukunft im Leben zusammengehörten. Es sei tragisch, wenn die verschiedenen Generationen in verschiedenen Welten lebten, oft auf Kosten der anderen. „Wie kann eine Menschheit“, so der Papst, „die mit all ihrem Fortschritt nur einem vor kurzem geborenen Jüngling gleicht, die Gnade eines Älterwerdens wiedererlangen, das seine Grenzen kennt, und zugleich das Bewusstsein unserer Bestimmung als Menschen wachhält?“ Die Antwort gebe uns die Offenbarung: der Sohn Gottes, der aus einer Frau geboren worden sei, sei der Erste und der Letzte für jede Zeit. Keinem Menschen wolle er seine liebevolle Nähe entziehen. Das Schöne des Lebens sei es, dass es keine Ablauffrist habe, dass es eben immer neu in Christus beginne.

In der byzantinischen Liturgie bete der Bischof mit Simeon: „Das ist der, der von der Jungfrau geboren wurde: Er ist das Wort, Gott von Gott, der für uns Fleisch geworden ist und die Menschen gerettet hat“. Er fahre fort: „Heute öffnet sich die Pforte des Himmels: das ewige Wort des Vaters, das ein zeitliches Prinzip angenommen hat, ohne seine Göttlichkeit zu verlassen, wird durch seinen Willen von der jungfräulichen Mutter in den Tempel des Gesetzes gebracht, und der Wächter nimmt ihn in seine Arme“.

Diese Worte drückten das Glaubensbekenntnis der ersten vier Ökumenischen Konzilien aus, das allen Kirchen heilig sei. Aber Simeons Geste sei auch das schönste Symbol für die besondere Berufung des Alters: „die Kinder, die in die Welt kommen, als ein ungebrochenes Geschenk Gottes darzustellen, in dem Wissen, dass eines von ihnen der Sohn ist, der im Innersten Gottes gezeugt wurde, vor allen Jahrhunderten“.

Das Alter, auf dem Weg in eine Welt, in der die Liebe, die Gott in die Schöpfung gelegt habe, endlich ungehindert ausstrahlen könne, müsse diese Geste von Simeon und Anna machen, bevor es sich verabschiedet. Das Alter müsse den Kindern ihren Segen bezeugen. Es besteht in der ebenso schönen wie schwierigen Einweihung in das Geheimnis einer Lebensbestimmung, die niemand auslöschen könne, nicht einmal der Tod.

Das Zeugnis älterer Menschen sei für die Kinder glaubwürdig: „Jugendliche und Erwachsene sind nicht in der Lage, es so authentisch, so zärtlich, so ergreifend zu gestalten, wie es die älteren Menschen können“. Wenn ein älterer Mensch das Leben, das auf ihn zukomme, segne und allen Groll auf das Leben, das von ihm gehe, ablege, sei das unwiderstehlich. Das Zeugnis der älteren Menschen vereine die Lebensalter und die Dimensionen der Zeit: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es sei also schmerzhaft - und schädlich - zu sehen, dass die Lebensalter als getrennte, konkurrierende Welten konzipiert seien, von denen jede versuche, auf Kosten der anderen zu leben. Die Menschheit sei alt, sehr alt, wenn wir die Zeit der Uhr betrachteten. Der Sohn Gottes aber, der von einer Frau geboren worden sei, „ist der Erste und der Letzte aller Zeiten. Es bedeutet, dass niemand außerhalb seiner ewigen Generation, außerhalb seiner wunderbaren Macht, außerhalb seiner liebenden Nähe steht“.

Die Allianz von alten Menschen und Kindern werde die menschliche Familie retten: „könnten wir bitte den Kindern, die lernen müssen, geboren zu werden, das zärtliche Zeugnis der Älteren zurückgeben, die die Weisheit des Sterbens besitzen? Wird diese Menschheit, die uns bei all ihren Fortschritten wie ein Jugendlicher von gestern erscheine, die Gnade des Alters wiedererlangen können, das den Horizont unserer Bestimmung vor Augen hat?“. Der Tod sei sicherlich ein schwieriger Abschnitt im Leben: aber auch der Abschnitt, der die Zeit der Ungewissheit schließe und die Uhr zurückstelle. Denn genau dann beginne die Schönheit des Lebens, das eben kein Verfallsdatum mehr habe.

Die Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Einen herzlichen Gruß den Pilgern deutscher Sprache. Streben wir danach, in unserem alltäglichen Leben jene Allianz zwischen Alten und Jungen zu stärken, welche die menschliche Familie rettet. Gott segne euch und eure Lieben.


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