23. August 2022 in Kommentar
„Beim Synodalen Weg in Deutschland setzt man neuerdings auf den Papst. Zwar lässt man das päpstliche Lehramt bewusst beiseite und ignoriert, was immer aus Rom verlautet, aber...“ Kommentar von Joachim Heimerl
Wien (kath.net/joh) Der Synodale Irrweg in Deutschland hat eines klar gezeigt: der Glaube an den lebendigen Gott ist weithin erloschen; die Kirche ist in der Wahrnehmung einer Mehrzahl der Katholiken zu einer „Nichtregierungsorganisation“ geworden, die ordentlich reformiert werden und „auf Zack“ gebracht werden soll. Umkehr, Evangelisierung – alles Fehlanzeige. Eine neue Kirche muss her; römisch-katholisch war gestern, „protestantisch-katholisch“ ist heute.
Üblicherweise steht der Papst solchen Vorhaben im Weg, weshalb schneidige Reformatoren wie Luther ihm schließlich die Gefolgschaft versagten. Am Papst scheiden sich eben schon immer die Geister und genau das müssen sie auch. Der Nachfolger Petri ist und bleibt der oberste Hirte der Kirche, der einen und einzigen Kirche, die wir im „Credo“ bekennen. Als Fels der Kirche aber bleibt er immer ein Stein des Anstoßes, und dies erst recht für deutsche Reformer.
Im Gegensatz zu Luther setzen die neuerdings nun gerade auf den Papst. Zwar lässt man das päpstliche Lehramt bewusst beiseite und ignoriert, was immer aus Rom verlautet. Dafür aber meint man sich schließlich durchzusetzen, wenn nicht in Gottes Namen, dann im Namen der „Synodalität“. Die erfreut sich ja immerhin der Wertschätzung des Papstes, auch wenn der mit der deutschen Begriffsfüllung nichts anzufangen weiß. Kein Wunder: Dank deutscher „Vordenker“ sind „synodal“ und „häretisch“ landauf, landab inzwischen deckungsgleich geworden. Letztendlich wollen viele in einer „synodalen Kirche“ nichts anderes, als den Glaubensabfall nach deutscher Facon etablieren, und dies, so hofft man, am Ende mit der Hilfe des Papstes. Der Papst soll gleichsam zum Komplizen einer zweiten Reformation gemacht werden. Rom muss der „synodalen Kirche“ auf Biegen und Brechen zum Opfer fallen. Das ist in Deutschland beschlossene Sache, das ist die Marschrichtung Bätzings und des vorgeblichen „Zentralkomitees der deutschen Katholiken“.
Was sich hinter derlei Groteskem verbirgt, ist eine naive Form des Papalismus: Der Papst wird als absoluter Monarch missverstanden, der alles richten kann und an dem alles hängt; er rangiert irgendwo zwischen „Halbgott in Weiß“ und Supermann. So fantastisch das klingt, so katholisch klingt es auch, weil ja alles, was mit dem Papst zusammenhängt, gemeinhin katholisch ist. Aber genau das ist es hier eben nicht; es ist bestenfalls ein „katholischer“ Aberglaube, denn der Papst steht nicht über der Kirche und er kann schon gar nicht eine neue, reformatorische „Kirche“ installieren; ob das in Deutschland nun gefällt oder nicht.
Zwar haben die Päpste jene höchste Vollmacht inne, die Petrus von Christus empfangen hat, sie haben aber keine Macht aus sich selbst. Selbst wenn er wollte, kann der Papst deshalb niemals gegen die Lehre der Kirche entscheiden, und unter keinem Papst, auch unter dem schlechtesten nicht, stand diese je zur Disposition. Demgemäß erklärt das Erste Vatikanum in der Konstitution „Pastor aeternus“ (1870): “Den Nachfolgern des Heiligen Petrus wurde der Geist nämlich nicht verheißen, damit sie durch seine Offenbarung eine neue Lehre ans Licht brächten, sondern damit sie mit seinem Beistand die durch die Apostel überlieferte Offenbarung (…) des Glaubens heilig bewahrten und getreu auslegten.“ Mit anderen Worten: Der vermeintliche „Supermann“ hat nur eine Botschaft auszurichten, die nicht seine eigene ist und die größer ist als er.
Natürlich wissen das die synodalen Reformatoren und ihre Hoffnung auf einen päpstlichen Komplizen, der endlich die Kirche umkrempelt, greift so schon a priori zu kurz. Deshalb setzt man neben dem Papalismus zugleich aufs glatte Gegenteil: In der Denkfigur des Episkopalismus wird der Nachfolger des Petrus nämlich nur als Primus inter pares gesehen; insofern sei die Kirche schon immer „synodal“ oder gar „parlamentarisch“ gewesen, und letztlich stünde die Mehrheit der Bischöfe damit über dem Papst. Auch so kann man „Synodalität“ missverstehen oder gar sie missbrauchen. Wenn es keine Reformation von „oben“ gibt, gibt es eben eine von „unten“; Hauptsache, die Kirche wird passend, Papst hin oder her.
Dass dem freilich nicht so ist und auch nie sein kann, hat bereits Papst Leo I. (440-461) erklärt, und wiederum das Erste Vatikanum hat dies für immer bekräftigt. Die Kirche hat eine geheiligte, eben eine „hierarchische“ Ordnung, deren Haupt nur Christus ist; „Sie ist e i n e Herde unter e i n e m obersten Hirten“. Deshalb sind die Bischöfe dem Papst zwar gleich an Weihegewalt, aber ungleich an Hirtengewalt, und gerade daran gilt es sich wieder zu erinnern: Christus führt die Kirche mit dem Nachfolger Petri durch die Zeit und nicht mit deutschen Revoluzzern im Bischofsgewand. Die freilich meinen, einen letzten Trumpf im Ärmel zu haben, wenn der Papst am Ende doch nicht spurt: ein Konzil könne ja beschließen, was der Papst nicht beschließen will. Doch auch solcher Konziliarismus ist schon seit dem Mittelalter obsolet. Kein Konzil steht über dem Papst, stattdessen ist der Papst der Herr des Konzils und dessen Rechtmäßigkeit wie seine Beschlüsse hängen allein von der Billigung des Papstes ab. Kurz: Kein Konzil kann, was der Papst nicht kann, so können beispielsweise weder der Papst noch ein Konzil das Weihesakrament für Frauen „öffnen“. Frauen können nie die Weihen empfangen; das ist lehrmäßig definitiv entschieden.
Gerade an der „Frauenfrage“ arbeiten sich aber seit langem deutsche Gemüter ab, und ohne Zweifel hat diese Frage eine enorme, eine schismatische Kraft. In Deutschland will man gerade hier größtmöglichen Druck auf den Papst ausüben, während sich inzwischen selbst treueste Katholiken fragen, ob der Felsen Petri nicht doch noch wanken wird.
Was wäre denn, wenn der Papst allen Ernstes mit der bisherigen Lehre bricht und Frauen zum Weiheamt zulässt? Diese Frage ist so ungeheuerlich, dass es für sie keine normative Antwort gibt; immerhin kann der Papst von niemand gerichtet werden und deshalb kann er natürlich auch nicht abgesetzt werden. Das gilt spätestens seit dem Hochmittelalter und das gilt selbstverständlich auch heute. Allerdings ist man ebenfalls schon im Hochmittelalter davon ausgegangen, dass ein Papst, der Häresien verkündet, sich selbst absetzt, und das Petrusamt damit freimacht. Dass dies in der Praxis wohl einen Papst und einen Gegenpapst bedeuten würde, zeigt allerdings ebenfalls das Mittelalter, und allein, dass diese Problematik heute latent im Raum steht, veranschaulicht, wie weit die Verwirrung in der Kirche bereits gediehen ist.
Letztlich ist die Frage nach dem Papst aber immer eine Frage nach Christus. Und auf die Frage nach der Unerschütterlichkeit des Petrusamtes hat Christus selbst die Antwort gegeben. Auf sie zu vertrauen, ist nun in der Tat zum Ernstfall des katholischen Glaubens geworden. Wie oft in der Geschichte wird daraus ein Neuanfang entstehen, im Lichte des Evangeliums und der apostolischen Tradition.
Dr. Joachim Heimerl (siehe Link) ist Priester der Erzdiözese Wien und Oberstudienrat.
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