„Ich finde es sehr schade, dass es erst eines solchen Skandals bedarf“

23. August 2022 in Interview


Hartmut Steeb nach Skandal um Intendantin Schlesinger: Den Öffentlich-Rechtlichen Medien „fehlt es häufig an den wichtigen Kriterien: Objektivität, Unparteilichkeit, Meinungsvielfalt, Ausgewogenheit“. kath.net-Interview von Petra Lorleberg


Stuttgart (kath.net/pl) Bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten lassen „viele Nachrichtensendungen schon in der Auswahl der Themen die Meinungen der Journalisten durchblitzen, aber auch in der Moderationen bei Tagesschau und Heute.“ Das kritisiert Hartmut Steeb (siehe Link) im kath.net-Interview. Der landeskirchlich-evangelische Christ war bis zu seiner Pensionierung der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz und ist stellvertr. Vorsitzender des Bundesverbands Lebensrecht. Auch beim Bereich Lebensschutz fehle es an ausgewogener Berichterstattung: „Über die Lebensrechtsbewegung wird zu wenig berichtet und wenn dann einseitig. Wenn ich an den bevorstehenden Marsch für das Leben in Berlin denke, am 17.September, erinnere ich daran, dass es in den Fernsehprogrammen die Tatsache entweder unterdrückt wird oder einseitig berichtet.“

kath.net: Herr Steeb, der Skandal um Intendantin Patricia Schlesinger hat viel Kritik am gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach sich gezogen. Halten Sie das für berechtigt oder für übertrieben?

Hartmut Steeb: Natürlich kenne ich nicht alle Kritiken, die sich jetzt ausbreiten. Ich finde es auch sehr schade, dass es erst eines solchen Skandals bedarf, bevor die Kritik überhaupt aufgenommen wird, auch von vielen Medien. Denn die Kritik am Gebaren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ja viel älter und viel berechtigter als sie jetzt nur an einer solchen Personalie hochzuziehen. Wie auch immer: Es ist gut und berechtigt, dass manche Fragen jetzt endlich auf den Tisch kommen und gestellt werden dürfen.

kath.net: Gern wird betont, dass die Öffentlich-Rechtlichen einen unverzichtbaren Beitrag für unsere Gesellschaft und Demokratie anbieten. Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung als konservativ-landeskirchlicher Christ…

Steeb: Es ist wie so oft und wie es Wilhelm Busch gereimt hat „was Theorie und Praxis scheidet ist das, woran die Menschheit leidet“. Wenn die Öffentlich-Rechtlichen ihren Auftrag laut Medienstaatsvertrag erfüllen würden wäre es so.

Ich zitiere „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen“ (§ 26) „Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen…Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich zu trennen…“ (§ 6). Natürlich geschieht das auch oft, aber sehr oft eben auch nicht.

Es fehlt häufig an diesen wichtigen Kriterien: Objektivität, Unparteilichkeit, Meinungsvielfalt, Ausgewogenheit usw.

Viele Nachrichtensendungen lassen schon in der Auswahl der Themen die Meinungen der Journalisten durchblitzen, aber auch in der Moderationen bei Tagesschau und Heute.

Ich nenne auch als Beispiel die selbstherrliche Einführung der Gendersprechweise, zu der die Öffentlich-Rechtlichen weder beauftragt noch berechtigt sind. Die Journalisten selbst, und das schlägt sich eben tagtäglich nieder, haben mehrheitlich eine grün-linke Schlagseite.

Für mich enthalten die Programmangebote auch viel zu viel Gewalt und sexuelle Darstellungen, die hier nichts verloren haben.

kath.net: … und als aktiver Lebensschützer?

Steeb: Das ist auch ein Bereich, wo es an ausgewogene Berichterstattung fehlt. Über die Lebensrechtsbewegung wird zu wenig berichtet und wenn dann einseitig. Wenn ich an den bevorstehenden Marsch für das Leben in Berlin denke, am 17. September, erinnere ich daran, dass das in den Fernsehprogrammen die Tatsache entweder unterdrückt wird oder einseitig berichtet.

kath.net: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sollte die demokratischen Meinungen in voller Bandbreite abbilden. Dazu bräuchte es ein faires Pro und Kontra, dazu bräuchte es wohl auch Redakteure jeder (demokratisch akzeptierbaren!) Couleur. Entspricht dies dem, was Sie bei den Öffentlich-Rechtlichen grundsätzlich wahrnehmen oder müssen sich schon bsp. CDU-/CSU-Positionen oft auf die Minderheitenschiene schieben lassen?

Steeb: Was ist „demokratisch akzeptierbar“? Wer darf darüber bestimmen? Parteien können verboten werden. Dann ist das juristisch einwandfrei. Die Festlegung obliegt aber nicht Journalisten, übrigens auch nicht den Wettbewerbern. Ich vermisse die Fairness. Ich habe mir z.B. einige Sommerinterviews im Ersten und im ZDF angesehen. Der Umgang z.B. mit AFD-Abgeordneten widerspricht der Ausgewogenheit, der Unparteilichkeit, der Fairness.

Im Blick auf die CDU/CSU-Positionierungen kann ich nur sagen: Ich vermisse je länger je mehr die klaren Positionierungen in den mir sehr wichtigen ethischen Grundsatzfragen.

kath.net: Auf Facebook kursierte vor einiger Zeit ein Bildchen, das sinngemäß besagte: „Ich bin so alt, dass ich mich sogar daran erinnern kann, dass die Medien die Politik kritisierten, statt sie zu promoten“. Worin besteht für Sie die Aufgabe von staatlichen Medien? Welche Wünsche haben Sie für die zukünftige Entwicklung der Öffentlich-Rechtlichen?

Steeb: Die Aufgaben sind im Medienstaatsvertrag klar benannt. Die sollen sie erfüllen, aber auch nicht mehr. Da sie öffentlich durch Pflichtgebühren finanziert werden, muss darauf geachtet werden, dass sie nicht ständig ihre Angebote ohne wirklichen Bedarf erweitern.

Aus meiner Sicht würde ein Drittel der Senderangebote noch immer den Bedarf übererfüllen. Es ist dringend eine Verringerung nötig. Wir brauchen z.B. neben der ARD kein ZDF (früher hatte ich den Eindruck, sie hätten unterschiedliche Ausrichtungen; davon ist aber nichts mehr zu erkennen).

Die Öffentlich-Rechtlichen dürfen auch kein Selbstbedienungsladen bleiben. M.E. müssen sich die Gehälter am öffentlichen Dienst orientieren und nicht darüber hinausgehen, auch nicht die übermäßigen der leitenden Mitarbeiter. Auch ein Intendant braucht keinen höheren Gehalt als ein Staatssekretär. Die Rundfunk- und Aufsichtsräte müssen die ihnen zustehenden Aufsichtspflichten viel besser erfüllen, damit weder personelle noch finanzielle noch programmatische Skandale Raum greifen.

Archivfoto (c) idea


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