Renaissance des Katholikentages?

22. August 2022 in Kommentar


„Mitglieder des ZdK gründeten den Verein ‚Donum Vitae‘, der weiterhin den Beratungsschein ausstellt. Die DBK sieht das ZdK als offizielle Vertretung der Katholiken gegenüber Gesellschaft und Politik.“ Gastbeitrag von Prof. Hubert Gindert


Bonn (kath.net/Forum Deutscher Katholiken) „In der Mitte des 19. Jahrhunderts nahm der Katholizismus in Deutschland Gestalt an“ … „Der Katholizismus (ist) ein Gebilde aus Institutionen, Verbänden, Medien und Aktivitäten in denen Katholiken in einer säkularen Gesellschaft ihren Glauben bezeugen und das öffentliche Leben zu gestalten versuchen“, soweit Manfred Spieker („Stirbt der deutsche Katholizismus“ in Tagespost, 27.5.2022).Die Katholikentage beginnen 1848, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) wurde 1868 gegründet.

„Was ist aus diesem Zentralkomitee geworden? Warum spielt es in der gesellschaftlichen Debatte schon seit gut rund 20 Jahren kaum noch eine Rolle?“ fragt Spieker und antwortet: „Weil nicht mehr die Politik sein Adressat ist, sondern die Kirche“.

Als sich die Katholiken Mitte des 19. Jahrhunderts in sogenannten Pius-Vereinen zusammenschlossen, war es für sie kein Problem „sich an Rom zur orientieren“ (Spieker). Die Distanzierung des ZdK von der Zentrale der Universalkirche ist ein Prozess mit deutlichen Markierungen.

1993 brachte Anette Schavan, stellvertretende Vorsitzende des ZdK, das Papier „Dialog statt Dialogverweigerung: Wie in der Kirche miteinander umgehen?“ unter großem Beifall in das ZdK ein.

Als am 22. Mai 1994 Papst Johannes Paul II. das Apostolische Schreiben „Über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe“ veröffentlichte, ging ein Sturm der Entrüstung durch die Reihen des ZdK.

Die deutschen Bischöfe waren an der Distanzierung der Ortskirche von Rom nicht unbeteiligt.

Als Papst Paul VI. das Apostolische Schreiben „Humanae vitae – über die Weitergabe des Lebens“ am 25. Juli 1968, das die natürliche Empfängnisregelung, aber keine künstlichen Mittel zulässt, veröffentlichte, reagierten die deutschen Bischöfe darauf mit der „Königsteiner Erklärung“. Sie überließ die Handhabung des päpstlichen Schreibens dem „Gewissen“ der Gläubigen. Es war eine Anpassung an den Zeitgeist.

Als Johannes Paul II. im Oktober 1999 anordnete, dass die Bischöfe aus der Schwangerenkonfliktberatung mit Erteilung des sogenannten Beratungsscheins, der die gesetzwidrige aber straffreie Abtreibung ermöglicht aussteigen mussten. Dies traf nicht auf Erzbischof Dyba zu, der den Beratungsschein nie erlaubte. Die Empörung im ZdK über die Anordnung des Papstes war fast allgemein. Es gab zwei Abstimmungen im ZdK mit überwältigenden Mehrheiten für den Beratungsschein. Mitglieder des ZdK gründeten anschließend den Verein „Donum Vitae“, der weiterhin den Beratungsschein ausstellt.

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) sieht das ZdK als offizielle Vertretung der Katholiken gegenüber Gesellschaft und Politik. Innerkirchlich ist das ZdK im laufenden Dialogprozess der gleichberechtigte Partner „auf Augenhöhe mit den Bischöfen“.

Die wichtigste Veranstaltung des ZdK sind die alle vier Jahre stattfindenden Katholikentage. Der letzte deutsche Katholikentag in Stuttgart war nur von 25.000 Teilnehmern besucht. Das bedeutet, dass die Zahl der Teilnehmer auf weniger als ein  Drittel gegenüber vor vier Jahren gesunken ist. Die Katholikentage sind für potentielle Teilnehmer sowohl für ihr gesellschaftliches Engagement, wie auch für ihr religiöses Leben bedeutungsvoll geworden.

Wenn Manfred Spieker feststellt, dass das ZdK „seit rund 20 Jahren kaum mehr eine Rolle spielt“, so gibt der Theologieprofessor Christoph Böhr von Heiligenkreuz Gründe an, welchen Preis der deutsche Katholizismus für den Versuch „trotz der Auflösung der Volkskirche ein anerkannter Wortführer in der Gesellschaft zu bleiben“ bezahlt hat: „Das Beschweigen des Glaubens“ und den „Missionsauftrag“. Da das Proprium der Kirche „das erlösungswirkende Kreuzopfer … einer Mehrheit der Gesellschaft nicht mehr vermittelbar war“ bot dieser Katholizismus an seiner Stelle „immer häufiger Allerweltsweisheiten, die gesellschaftlichen Erwartungen entgegenkamen“, an. „Im Kern war es die Caritas, die als Aushängeschild von Kirchlichkeit übrigblieb.“ Aber, „im Kindergarten, der Schule oder in Krankenhäusern“ wurden die „Einrichtungen in katholischer Trägerschaft an vergleichbare Angebote säkularer Träger angepasst“. Tatsächlich ging es um die „Vermeidung des Bedeutungsverlusts im Ansehen der Gesellschaft“. Der „Missionsauftrag“ der Kirche blieb auf der Strecke.

Mit der Bedeutungslosigkeit der Katholikentage und des ZdK für die Gesellschaft werden Stimmen lauter, es bedürfe einer „katholischen Alternative zum Katholikentag. Dringend“! (Peter Winnemöller, kath.net) … „Wenn sich Vereinigungen, Gruppen und Bewegungen, die deutschlandweite Treffen veranstalten, einmal zusammensetzen und überlegen, ob man etwas gemeinsam machen kann … vielleicht an einem zentralen Ort, ein großes katholisches Fest miteinander feiern“.

Das ist leichter gesagt, als getan. Das „Forum Deutscher Katholiken“ hat mit sehr mäßigem Erfolg Gemeinschaften zu seinen Kongressen eingeladen. Selbst wenn einige Vertreter anwesend waren, bedeutete das keine Identifikation zu einem gemeinsamen Auftreten. Was zweifellos eine Rolle spielte, war das Konkurrenzdenken. Es gibt auch das vorgeschützte nicht kompatible Charisma.

Das „Forum Deutscher Katholiken“ führte in dieser Angelegenheit auch Gespräche mit Kardinal Cordes in München und ein weiteres Gespräch mit Kardinal Meisner in Köln. Dazu kamen einige Vertreter katholischer Gemeinschaften. Aber auch diese Treffen führten nicht weiter.

Wenn verschiedene Charismen und unterschiedliche Spiritualitäten zu Urteilen führen, wie – „... die wollen ein Zurück in eine heile Kirchenwelt“, verstehen sich als „heiliger Rest“, sind als „reformunwillig gelabelt“, machen „unkluge HardcoreÄußerungen“ – ist das wenig hilfreich, katholisch gebliebene Gemeinschaften zusammenzuführen. Es sollte genügen, dass sie eindeutig auf dem Boden des Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) von 1962 stehen. Der KKK fasst das gesamte Glaubensgut der Kirche zusammen.

Natürlich gibt es bereits jetzt große Treffen, z.B. in Salzburg oder Augsburg etc. Zum Teil sind das ökumenisch-zusammengesetzte Veranstaltungen. Dann sind die Sakramente, die Muttergottesverehrung und eine gemeinsame Eucharistiefeier vernachlässigt. Auch der Weltauftrag z.B. ein Aufruf: „Selbstverständlich sind wir alle beim Marsch für das Leben in Berlin dabei“ ist kaum zu hören. Sonst müssten nämlich die Teilnehmerzahlen weit höher sein.

Das Vorhaben, katholische Kräfte zu binden, ist völlig richtig! Aber dazu müssten organisatorische Arbeiten vorausgehen, z.B. welche Gemeinschaften dafür und zu welchen Bedingungen zu gewinnen sind. Die Organisationen im ZdK, die die bisherige Politik mitgetragen haben, kann man wohl für eine Sammlung vergessen. Und es bleibt die große Unbekannte, nämlich: Wie die katholische Landschaft in Deutschland nach dem „Synodalen Prozess“ aussehen wird.


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