5. September 2022 in Kommentar
„Dem II. Vatikanum, der Lehre der Kirche aller Zeiten und dem Evangelium Christi stehen solche kirchenpolitischen Aktivitäten diametral entgegen“ – Viele Gläubige haben Synodalen Weg „eher als spaltend“ wahrgenommen. Gastbeitrag von Thorsten Paprotny
Hannover (kath.net) Ob die Bischöfe über die auf dem „Synodalen Weg“ der deutschkatholischen Kirche ihr Amt, ihre Befugnisse und ihre Sendung auf dem Weg der sogenannten „freiwilligen Selbstbindung“ überhaupt an eine Initiativgruppe von Funktionären delegieren können, ist eine zumindest ungeklärte kirchenrechtliche Frage. Dem Zweiten Vatikanischen Konzil, der Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte und dem Evangelium Jesu Christi stehen solche kirchenpolitischen Aktivitäten diametral entgegen.
Die Führungsspitze des „Synodalen Weges“ fordert in einem Handlungstext die Einrichtung eines „Synodalen Rates“ (https://www.synodalerweg.de/fileadmin/Synodalerweg/Dokumente_Reden_Beitraege/SV-IV/SV-IV_Synodalforum-I-Handlungstext.SynodalitaetNachhaltigStaerken-Lesung2.pdf). Die Verfasser bekennen sich zur „Evangelisierung“ – und zwar durch den „Austausch von Argumenten“. Zugleich geben sie Einblicke in ihr Verständnis von „Synodalität“, die eine „Form des transparenten und lösungsorientierten Arbeitens“ sei. Dazu loben sie auch ihr eigenes Engagement: „Gemeinsam auf dem Synodalen Weg zu beraten und zu entscheiden, hat in den letzten Jahren die Gemeinschaft des Glaubens gestärkt. Diese guten Erfahrungen auf dem Synodalen Wegs sind die Grundlage dafür, die Synodalität der katholischen Kirche in Deutschland weiter zu stärken. Das Miteinander von Bischöfen und Gläubigen auf der überdiözesanen Ebene soll zur ständigen Praxis werden.“ Die schweigende Mehrheit der Gläubigen hat das vielleicht gar nicht bemerkt. Viele haben diese positive Stimmung, die hier wortreich bekundet wird, eher als Spaltung wahrgenommen. Vom christlichen Menschenbild über die lebensfreundliche Morallehre bis hin zum Weihesakrament stand und steht nahezu alles zur Disposition, was untrennbar mit dem Glauben der Kirche und – man kann es nicht oft genug betonen – mit der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils in Verbindung steht.
Die Errichtung eines „Synodalen Rates“ also wird gefordert, zunächst soll ein „Synodaler Ausschuss“ etabliert werden: „Der Synodale Ausschuss besteht aus den 27 Diözesanbischöfen, 27 vom ZdK gewählten Mitgliedern und 10 von diesen gemeinsam gewählten Mitgliedern. Dieser Ausschuss wird von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gemeinsam getragen. Er wird von dem Vorsitzenden der DBK und dem / der Vorsitzenden des ZdK geleitet.“
Über Macht und Gewaltenteilung wird auf dem Synodalen Weg und in dessen Umfeld oft räsoniert. Die Macht des „Synodalen Rates“ soll weitreichend sein, ein Beispiel dazu: „Der Synodale Rat berät als Beratungs- und Beschlussorgan über wesentliche Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft und trifft Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung zu pastoralen Planungen, Zukunftsfragen und Haushaltsangelegenheiten der Kirche, die nicht auf diözesaner Ebene entschieden werden.“
Für den diözesanen Synodalen Rat soll Folgendes gelten: „Stimmt der Bischof einem Beschluss des Synodalen Rats der Diözese zu, ist dieser rechtswirksam. Kommt ein rechtswirksamer Beschluss nicht zustande, weil der Bischof ihm nicht zustimmt, findet eine erneute Beratung statt. Wird auch hier keine Einigung erzielt, kann der Rat mit einer Zweidrittelmehrheit dem Votum des Bischofs widersprechen.“ Vereinfacht gesagt: Alle Macht dem Synodalen Rat! Oder nicht? Es ist doch so: Steht der Bischof in seiner Diözese zum Stellvertreter Christi, zum Glauben und zur Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte – und nimmt damit sein Amt als Nachfolger der Apostel wahr, wie er es bei der Weihe versprochen hat –, so kann er vom Synodalen Rat daran gehindert werden, sein Amt auszuüben, wenn diese machtvolle Gruppe ihre eigene Agenda verfolgt.
Was in diesen konzilswidrigen Handlungstexten dargelegt ist, zeigt eine gravierende Entfremdung von der römisch-katholischen Kirche aller Zeiten und Orte an. Beten wir darum für unsere Bischöfe, dass sie der Kirche des Herrn treu bleiben.
Dr. Thorsten Paprotny (siehe Link) lehrte von 1998-2010 am Philosophischen Seminar und von 2010 bis 2017 am Institut für Theologie und Religionswissenschaft der Leibniz Universität Hannover. Er publizierte 2018 den Band „Theologisch denken mit Benedikt XVI.“ im Verlag Traugott Bautz und arbeitet an einer Studie zum Verhältnis von Systematischer Theologie und Exegese im Werk von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.
kath.net-Buchtipp
Theologisch denken mit Benedikt XVI.
Von Thorsten Paprotny
Taschenbuch, 112 Seiten
2018 Bautz
ISBN 978-3-95948-336-0
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