Der Untergang

14. September 2022 in Kommentar


Otti's Optik: Wer entscheidet, ob ein Papst regierungsunfähig ist? - Ein Kommentar von Franz Norbert Otterbeck


Köln (kath.net)

Papst Franziskus ist nicht regierungsunfähig. Er befiehlt jeden Tag, manchmal mit Hilfe seiner Organe, manchmal ohne oder gegen sie. Zum Teil sagt er nicht, was er will. Zum Teil will er nicht, was er sagt. Das hohe Lebensalter verursacht mehr und mehr Chaos und Hektik. Er will anscheinend eine Agenda vollenden, deren "Unumkehrbarkeit" gerade nicht hinreichend sicherzustellen ist, speziell hinsichtlich der älteren, legitimen Ausprägungen der römischen Liturgie.

Nicht nur die Strategie, das Kollegium der Kardinäle zu marginalisieren und zu unterminieren, erinnert schon fast an die "Säuberungen", die in Partei-Apparaten autoritärer oder auch demokratischer Systeme von Zeit zu Zeit stattfinden. Das große Konsistorium neulich hat diesen Trend nicht unterbrochen, sondern bestätigt. Denn es war nur als ein größerer Kaffeeklatsch ausgerichtet. Der Jesuitenpapst meidet Beratung durch zuständige Stellen. Das würde einem Jesuitengeneral nachkonziliaren Typs nicht mehr im Traum einfallen. Es ist auch gefährlich, weil Beratung im kanonischen Sinn eine Verantwortung vor Gott in sich trägt, zum Zweck der abgewogenen Urteilsbildung, also um Fehler zu vermeiden. Je größer die Autorität in der Kirche, auch angemaßte, wie etwa beim "Synodalen  Weg", umso strenger die Pflicht, Sorgfalt walten zu lassen. Bloße spontane Ideen, Inspirationen oder Ressentiments sind eine denkbar schlechte Grundlage für bischöfliche oder päpstliche Amtsausübung. Seit mehr als fünfzig Jahren wird die Regierung der Kirche in manchen Regionen jedoch völlig vom Ressentiment beherrscht. Alles was "vorkonziliar" anmutet muss mit Platzverweis bestraft werden, auch wenn es dem Wahren, Guten und Schönen dient; insbesondere dann.

Es ist gut, wenn ein Papst entscheidet. Sogar dann, wenn die Entscheidung nicht jedem gefällt - oder sogar falsch ist. Denn die päpstlichen Entscheidungen sind nur ein Faktor im Weltganzen der Kirche, die zuerst und vor allem mit Christus selber verbunden ist. Einige Zeit lang war dies der Trost der sich progressiv gebärdenden Partei, die öffentlich "der Macht" abschwört, nur um sie dort umso brutaler auszuüben, wo sie es kann. "Beim nächsten Papst wird alles anders." Dieser seit etwa 1968 lancierte Kraftspruch, mit dem "vorauseilender" Ungehorsam unterfüttert wurde, hat sich noch nicht einmal unter Papst Franziskus erfüllt. Sehr viel bleibt unveränderlich, mögen beim 'Frankfurter Würstchenkonzil' auch noch so gespenstische Textmonster durchgepeitscht werden.

Aber auch das etwas widerspenstige, gemäßigt konservative "Lager", diesseits des Traditionalismus, tröstet sich heute mehr und mehr damit, dass bald der "nächste Papst" für Ordnung sorgen wird. Denn Papst Franziskus hat auch nicht die Hoffnungen erfüllt, die von Johannes Paul II. oder Benedikt XVI. ernannte Kardinäle hegten; vielleicht 2013 falsch informiert durch die so gen. "Mafia von St. Gallen" (Danneels, Lehmann, Martini et al.). Die über neun Jahre "erarbeitete" Kurienreform ist ein Fiasko. Man weiß noch nicht einmal, ob sie wirklich in Kraft getreten ist, denn auch nötigste Personalentscheidungen fehlen noch. Lehramtlich hat der Papst gar nichts entschieden, abgesehen von dem redaktionellen Eingriff in den Katechismus zur Todesstrafe und der berühmten "Fußnote", die aber vermutllich nur eine Fußnote bleiben wird. Die Aussagen seiner Enzykliken blieben diffus und können sowohl von Linkspopulisten wie auch von Rechtspopulisten für sich in Anspruch genommen werden. Manche Perspektiven, die etwa "Evangelii gaudium" aufzuzeigen schien, kamen vielen beachtlich und ernst gemeint vor, etwa: "Kein Krieg unter uns". Aber wenn ein Kriegsherr so eine Parole ausgibt, darf man die dann für bare Münze nehmen?

Man wird wohl die Regierungsunfähigkeit eines Papstes von seiner Amtsfähigkeit im engeren Sinn unterscheiden müssen. Wer auch immer ein Amt ausübt, und seien es Figuren wie Bätzing oder Stotter-Karg, kann dies nur erfolgreich tun, wenn er das richtige Verständnis von diesem Amt hat. Mit einem geheimen Vorbehalt gegen das Amt, sollte man es folgerichtig nicht anstreben. Charakterliche Mängel haben zuletzt die Amtsausübung von Urban VI. schwerwiegend beeinträchtigt. Man sagt, er sei durch seine Wahl zum Papst 1378 regelrecht "durchgeknallt". Dennoch verehrte die hl. Kathaerina von Siena den in Rom amitierenden Papst als den "auf Erden wandelnden Christus". Denn trotz aller Defizite schimmert die größere Aufgabe des Petrusnachfolgers immer durch. Vielleicht auch gerade in den Defiziten, denn sogar Petrus war phasenweise Verräter. Doch dann bekehrte er sich, um seine Brüder zu stärken.

Was wäre, wenn auch in unserer Epoche ein Papst mal regelrecht "durchdreht"? Wer dürfte darüber urteilen? Die Kardinäle? Wir vertrauen auf den Heiligen Geist, dass der Kirche eine derartige Krise erspart bleibt. Aber am Beispiel des Großen Schismas, das erst das Konzil von Konstanz 1414-18 bereinigte, musste die Kirche lernen, dass sich die Führung Christi manchmal nur allmählich gegen die der Erbsünde verhafteten Widerstände durchsetzen kann. Die der Erbsünde verhafteten Widerstände gegen eine echte "Umsetzung" des jüngsten Konzils nehmen in diesen Tagen bedrohliche Ausmaße an. Die "deutsche Kirche" hat seit der so gen. "Synode" von Würzburg 1971-75 diese Umsetzung komplett verweigert und verschärft heute die Weigerung noch, unter Führung der Mehrheitler unter den Bischöfen. Als hinsichtlich des unerträglichen "Sex-Textes" des synodalen Orkus einige Risse im Bischofskollektivs auftraten, wurden diese eilig gekittet und der "Frauen-Text", gleichfalls ein Frontalangriff auf die Ekklesiologie des Konzils, so wie der "Sex-Text" die christliche Anthropologie insgesamt aushebeln wollte, wurde durchgewunken. Große Erleichterung im revolutionären Lager! Aber der katholische Glaube in Deutschland liegt in den letzten Zügen. Bischöfe und Theologen der "Neuen Kirche" kümmert das wenig.

Am Geschick des "Synodalen  Weges", zu dem längst ein Machtwort wider die Anmaßung hätte fallen müssen, wird man erkennen können, wie es um die Amtsauffassung des unselig regierenden Papstes heuer bestellt ist. Wenn es beim Besuch der Deutschmitrenträger "ad limina" im November wieder nur zu Formelkompromissen kommt, dann: Gute Nacht! Das weiter zu erwartende Durchwursteln erlaubt zwar auch dann noch keine Diagnose auf "Regierungsunfähigkeit". Aber falls sich die Indizien mehren? Wer entscheidet? Ein Kriterium unter mehreren könnte sein, ob ein Papst auf Dauer unfähig geworden ist, die Sakramente der Kirche zu feiern. Denn der Bischof von Rom ist ja auch der "römische Hohepriester", christlich gewendet. Wenn er nur noch Zuschauer der Liturgie sein kann, dann müsste er abdanken, solange er es noch selber zu formulieren vermag. Wenn ihm die Einsicht zur Abdankung bereits fehlt, wäre ein Gremium zu ermächtigen, eine Untersuchung einzuleiten. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, sollte die Entscheidung aber nicht das weltweit verstreute Kardinalskollegium fällen, sondern vielleicht das Kapitel an St. Johannes im Lateran, der römischen Bischofskirche. Es wäre ein hohes Quorum zu verlangen.

Zur Zeit wird uns eine derartige Krise noch erspart bleiben, die den Untergang eines Pontifikats heraufbeschwören könnte. Auch wenn manchen der viel zu tolerante Umgang des Heiligen Stuhls mit den deutschen Extravaganzen schon einigermaßen verrückt vorkommt.

 


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