15. September 2022 in Kommentar
„Während man in Deutschland das kirchliche Lehramt inzwischen aufgegeben hat, vermittelt Sarah die Schätze der kirchlichen Überlieferung und den ganzen Reichtum der Tradition.“ Von Joachim Heimerl, Priester
Wien (kath.net/joh) Ohne Zweifel gehört der westafrikanische Kardinal Robert Sarah (geb. 1945) zu den großen geistlichen Autoren unserer Zeit. 2019 sorgte sein Buch über das Priestertum und den Zölibat weltweit für große Resonanz; dies auch, weil es einen letzten, großartigen Aufsatz von Benedikt XVI. enthält: „Das katholische Priestertum“.
Dass dieses Thema eine Herzensangelegenheit des emeritierten Papstes wie des Kardinals ist, merkt man dem Buch keineswegs nur am Titel an; es ist insgesamt „aus der Tiefe des Herzens“ geschrieben, und zwar aus einem Herzen, das für Gott, die Kirche und das Priestertum glüht; Dementsprechend hat es der Kardinal „den Priestern der Welt“ gewidmet.
Hirten wie Kardinal Sarah sind rar geworden, besonders in Deutschland, wo sich die Bischöfe unter der Führung Bätzings selbst demontieren, vom Priestertum und dem Zölibat ganz zu schweigen.
Dabei brauchen gerade Priester und Priesterkandidaten Bischöfe, die sie väterlich im zölibatären Leben bestärken und dieses entsprechend wertschätzen. Bischöfe, die wie Kardinal Marx den Zölibat als „prekär“ bezeichnen und von dieser Lebensform abraten, braucht dagegen niemand. - Wo solche Bischöfe amtieren, bleibt konsequent der Nachwuchs aus.
Während man in Deutschland das kirchliche Lehramt inzwischen aufgegeben hat, vermittelt Sarah die Schätze der kirchlichen Überlieferung und den ganzen Reichtum der Tradition. Er tut dies zudem mit aller Frische und jeder spürt: Es ist die Wahrheit Gottes, die aus ihm spricht, nicht die kleingeistige Verzwergung, die der „Synodale Weg“ als neue „Offenbarung“ verkündet.
Wenn es Bücher gibt, die auf den Knien geschrieben sind, dann sind es gewiss die von Kardinal Sarah. Man merkt ihnen an, dass sich der Verfasser Zeit genommen und sich dem Heiligen Geist geöffnet hat, ehe er zu schreiben begann, und Sarah selbst benennt dies als die eigentliche Methodik seines Schreibens. Auch dies ist wieder eine andere Haltung als in Deutschland und sie durchzieht den ganzen Text. - Wenn es in der zermürbenden Diskussion um den Zölibat eine geistliche Oase für Priester gibt und für jene, die es werden wollen, dann ist es sicher dieses Buch.
Wie vor ihm schon Kardinal Stickler („Der Klerikerzölibat“, 1993) führt auch Sarah den Zölibat auf die Praxis der alten Kirche und der Apostel zurück. Und wie Stickler unterstreicht Sarah, dass die Kirche eben nie aufheben kann, was ihr von den Aposteln überliefert ist. Dabei geht es beim Zölibat nicht um ein starres Gesetz, noch dazu um eins, das womöglich überflüssig wäre; es geht um viel mehr. Und dieses „mehr“ stellt Sarah klar heraus; Es geht um Liebe. Das schreibt er so einfach und so klar, wie es der heilige Pfarrer von Ars gesagt hat, den Sarah gleich zu Anfang zitiert: „Das Priestertum ist (…) die Liebe zum Herzen Jesu“.
Vermutlich ist dies der einzige Grund, aus dem man Priester wird und weshalb man sich für den Zölibat entscheidet: Es geht um eine Beziehung, die der Ehe ähnlich ist, um eine Liebesbeziehung mit Jesus, darum „bis zum Äußersten zu lieben“, so wie Jesus uns geliebt hat. Ohne Liebe gibt es kein Weihesakrament, so wenig, wie es ohne sie das Ehesakrament geben könnte. Beide Sakramente entsprechen sich im Sinne eine „echten Analogie“ und gipfeln in nichts weniger als in „totaler Hingabe“. Schon aus diesem Grunde schließen sich Ehe und Weihe aus; eine doppelte Totalität gibt es eben nicht und selbst wenn es sie gäbe, wäre sie wenig glaubwürdig.
Natürlich weiß Sarah, dass es in Ausnahmefällen auch verheiratete Priester gibt und erst recht, dass diese gültig geweiht sind. Aber darum es geht ihm nicht. Worum es ihm geht, ist das Ideal des Priestertums. Es geht ihm um die kostbare Perle, um den Schatz im Acker (vgl. Mt 13,45f.), kurz um das, was man niemals als heilige Norm des katholischen Priestertums aufgeben darf.
Nach Sarah kann man so nie vom Zölibat sprechen, ohne von der Liebe zu sprechen. Das ist so ungemein erfrischend, wie es zutiefst wahr ist, und auch in diesem Punkt stellt sich der Ansatz des „Synodalen Wegs“ als kompletter Irrweg heraus. Ohne Liebe kann man das Priestertum nicht verstehen, denn der Priester ist, wie Sarah schreibt, vor allem eins: Er ist ein Liebender. Und er ist sogar noch mehr. Er ist ein Bräutigam und steht als solcher mit Christus der Kirche gegenüber.
Diese „bräutliche Berufung“ des Priesters „umfasst einen Ruf zur gänzlichen und ausschließlichen Hingabe nach dem Vorbild der Hingabe Jesu am Kreuz.“ Nur der Zölibat aber gibt dem „Priester die Möglichkeit, in diese authentische Berufung als Bräutigam einzutreten“, die nach dem Vorbild Jesu zugleich eine „eucharistische Form des Lebens“ ist. Sarah schreibt: „Der Zölibat entspricht dem eucharistischen Opfer des Herrn, der aus Liebe seinen Leib ein für allemal hingegeben hat, bis zur äußersten Hingabe, und vom Berufenen eine ähnliche Antwort verlangt, nämliche eine absolute, unwiderrufliche und bedingungslose.“
Man merkt Sarah an, dass er all dies mit dem Herzen eines Liebenden schreibt und genau das gibt dem Ganzen nur umso größere Tiefe. Umgekehrt zeigt Sarah aber auch, dass die Liebe überall dort abhanden gekommen ist, wo man das Priestertum ebenso in Frage stellt wie den Zölibat: Wo die Liebe kein Argument mehr ist, ist der Geist Gottes verschwunden. Wer den Zölibat aufheben will, hat in Wahrheit schon lange die Liebe aufgehoben.
Gerade der Synodale Irrweg demonstriert nichts deutlicher als dies. Er zeigt aber auch, dass man hier ein Priesterbild entwirft, das zwar „modern“ anmutet und ebenso zeitgeistig ist, das aber an den Quellen völlig vorbei geht, vor allem an der Quelle des Evangeliums.
Sarahs Plädoyer für den Zölibat ist dagegen ein Plädoyer für ein „radikal evangeliumsgemäßes Priestertum“, das nur eine Logik kennt: Die Logik der Selbstentäußerung, die wieder in Christus ihr Vorbild hat. Diese Logik, „die den Zölibat nach sich zieht, muss bis zum Gehorsam und zum Verzicht in der Armut gehen.“ Ohne diese Logik der „evangelischen Räte“ gibt es kein Priestertum, erst recht nicht im reichen Deutschland, und gerade dort wäre man gut beraten, auf die Stimme eines afrikanischen Kardinals zu hören, dem die verbürgerlichte, reiche und kränkelnde Kirche unserer Breiten immer fremd geblieben ist.
Am Ende seines Buches erinnert Kardinal Sarah daran, dass auch das Zweite Vatikanum festgestellt hat, dass der Zölibat keineswegs nur eine simple Vorschrift des kirchlichen Rechts, sondern eine „kostbare Gabe Gottes“ sei. Zwischen dem Priestertum und dem Zölibat sieht er wie vor ihm schon Kardinal Stickler eine „ontologisch-sakramentale Verbindung. Aus diesem Grund hat die Kirche den Zölibat schon immer als die dem Priestertum höchst angemessene Lebensform betrachtet, deren tiefster Grund die Übereinstimmung des priesterlichen Lebens mit der Lebensform Christi ist.
Jede Abschwächung des Zölibats wäre deshalb, wie Sarah schreibt, „eine Infragestellung des Lehramts des letzten Konzils und der Päpste Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI.“
Unter Bezugnahme auf die nachdrücklichen und mutigen Worte Pauls VI. hat demgemäß 2019 auch Papst Franziskus gesagt: „Ich gebe lieber mein Leben, als das Zölibatsgesetz zu ändern. (…) Ich bin auch nicht damit einverstanden, den Zölibat als optional zu sehen.“
Die Kirche in Deutschland hat sich davon inzwischen völlig entfernt. Ungeachtet dessen bleibt der Zölibat für die Kirche jedoch, was er seit der Zeit der Apostel gewesen ist: unverzichtbar und unaufhebbar.
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Dr. Joachim Heimerl (siehe Link) ist Priester der Erzdiözese Wien und Oberstudienrat.
Foto: Symbolbild
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