Warum zum Marsch für das Leben fahren? - Weil Schweigen keine Alternative ist!

19. September 2022 in Prolife


Ein Zwischenruf nach dem 18. Marsch für das Leben, 20 Jahre nach dem Beginn von „1000 Kreuze für das Leben“ – „Eines Tages würden uns die Menschen sagen: Warum habt Ihr geschwiegen, wo Ihr doch hättet reden sollen?“ Gastbeitrag von Hartmut Steeb


Berlin (kath.net) Nach der Gründung des Bundesverbands Lebensrecht 2001 starteten wir 2002 zum ersten Mal mit einem Marsch für das Leben, damals „1000 Kreuze für das Leben“. 1000 stand für die vermutete Zahl von Abtreibungen an jedem Arbeitstag in Deutschland, also jährlich etwa 250.000. Einer Kundgebung auf dem Alexanderplatz in Berlin folgte der Schweigemarsch zur St. Hedwigs-Kathedrale. Ca. 850 Menschen waren unserer Einladung gefolgt. Jeder war eingeladen ein Kreuz zu tragen. Da wir die 1000 Grenze der Teilnehmer nicht erreichten, trugen manche 2. Dunkle Kleidung war angesagt. Die Trauer stand im Mittelpunkt. Und obwohl wir auf dem Podium der Kundgebung noch wenig von Gott gesprochen hatten, wussten es offenbar die Gegendemonstranten schon damals besser mit ihrer bis heute gleichen Parole: „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat!“ Ja, sie erkannten, die Menschenwürde hängt gerade daran, dass jeder Mensch von Gott bejaht, geliebt und gewollt ist und es deshalb geradezu die Perle des Rechtsstaates ist, dass die Würde eines jeden Menschen unantastbar ist und sie „zu achten und zu schützen“ die vornehmste „Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ ist (Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes). Patriarchat hin oder her – was immer die Gegendemonstranten darunter verstehen mögen und deshalb abschaffen wollen: Damit über das Weiterleben des noch ungeborenen Menschen nach freier Selbstbestimmung durch die schon länger lebenden Menschen entschieden werden kann, muss der Staat mit seiner schützenden Hand weichen und Gott offenbar vom Thron gestoßen werden. Und weil der Staat ganz offenbar schon seit Jahrzehnten seine schützende Hand zurückgezogen hat und nur noch mit einem sehr geringen, ganz offenbar gescheiterten Schutzkonzept agiert, müssen wir als Volk darauf aufmerksam machen, dass das nicht noch immer so weitergehen kann und darf, wie das wesentliche Teile der derzeitigen Regierungskoalition offenbar beabsichtigen. Und dabei ist klar: „Wenn man Gott vom Thron stößt, wäre es naiv zu glauben, dass der Thron leer bleibt. Dann kommen andere und setzen sich drauf und tun so, als ob sie das Sagen hätten“ (Pfarrer Martin Michaelis, Quedlinburg). Deshalb luden wir schon damals im Anschluss an den Marsch zu einem ökumenischen Gottesdienst ein und das haben wir bei behalten.

So marschieren seit 20 Jahren wenigstens einmal einige Menschen aus ganz Deutschland einige Kilometer durch Berlin (von 2002 bis 2008 war das nur alle zwei Jahre der Fall). Wenigstens einmal im Jahr erklingt so die klare Botschaft, in den letzten Jahren nun direkt vor dem Brandenburger Tor, dass wir nicht zulassen wollen, dass das Recht jeden Menschen auf Leben negiert wird, Ungeborene durch ihre Tötung die stärkste Diskriminierung erfahren, die man einem anderen Menschen antun kann.

So bin ich einfach am Sonntag wieder einmal dankbar zurückgekehrt aus Berlin. 4000 waren mit auf den Beinen. 4000 haben ihr JA zum Leben hinausposaunt und ein beredtes Zeugnis dafür abgelegt. Bringt das was, wenn 4000 Menschen das tun, einmal im Jahr? Vielleicht muss man diese Frage längst anders stellen: Was bringt es, wenn sie es nicht tun? Wenn keiner mehr diese größte Menschenrechtsverletzung der Welt, die tagtäglich geschieht, selbst in sogenannten Friedenszeiten, auch öffentlich anprangert? Wenn der „stumme Schrei“ der im Mutterleib Getöteten überhaupt keinen Widerhall mehr in der Öffentlichkeit findet? Wenn man vielleicht nur noch in kleinen Kreisen ab und an mal davon spricht?

Eines Tages würden uns die Menschen sagen: Warum habt Ihr geschwiegen, wo Ihr doch hättet reden sollen? Warum hat sich keiner gegen dieses Unrecht gesperrt? Warum habt Ihr zugelassen, dass selbst Hebammen gezwungen werden, sich an Abtreibungen zu beteiligen, wie jetzt schon in Schweden? Und dass Ärzte zu Mediziner wurden, die anstelle von Heilung und Linderung auch dazu verpflichtet werden können, den Menschen am Ende des Lebens den „Giftbecher“ zu geben?

Aus meiner Sicht gibt es keine Alternative zum öffentlichen Aufschrei, auch wenn er noch viel zu wenig Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Schweigen wäre die schlechteste aller Möglichkeiten. Dann würde nicht nur den Schwangeren und den ungeborenen Kindern nicht mehr geholfen sondern Menschen würden auch immer mehr vergessen, dass sie vergessen haben, dass die Würde des Menschen unantastbar bleiben muss, am Anfang und am Ende des Lebens genauso, wie jeden Tag für jeden.

Darum jetzt schon im Kalender 2023 eintragen: 23. September. Marsch für das Leben. Berlin. Ich bin dabei.

Hartmut Steeb (siehe Link) ist landeskirchlich-evangelischer Christ. Der Vater von 10 Kindern war bis zu seiner Pensionierung der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz und ist stellvertr. Vorsitzender des Bundesverbands Lebensrecht, außerdem ist er Vorsitzender des Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen.

 


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