Türkei geht gezielt gegen christliche Missionare im Inland vor

22. September 2022 in Weltkirche


In den letzten zwei Jahren wurden über 60 Christen, überwiegend Leitungspersönlichkeiten aus dem evangelikalen Bereich, ohne nachvollziehbaren Grund wie Terroristen abgeschoben. Auch türkische Gerichte sehen keine Verletzung der Religionsfreiheit


Istanbul/Ankara (kath.net/mk) Die gebürtigen US-Amerikaner Pam und Dave Wilson waren 35 Jahre lang als christliche Missionare in der Türkei tätig gewesen – bis ihnen im Februar 2019 am Flughafen von Istanbul die Einreise verwehrt wurde, weil sie eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ darstellten. Das berichtet ADF International. Die Wilsons mussten schließlich, nachdem sie einige Tage am Flughafen gecampt und Klärungsversuche ihres Rechtsbeistands abgewartet hatten, wieder zurück in die USA fliegen. Ganz überraschend kam die drastische Anordnung der türkischen Behörden allerdings nicht: Bereits in den 80er-Jahren wurden Pam und Dave – noch unverheiratet – kurz hintereinander aus der Türkei abgeschoben. Sie hatten Bibelrunden und Katechesen organisiert sowie Inserate für das Neue Testament geschaltet.

Einige Male ging das so in den folgenden Jahren, und die Wilsons verzeichneten auch rechtliche Erfolge gegen die Schikanen vor den türkischen Gerichten. Doch die Politlandschaft hat sich in den letzten drei Jahrzehnten drastisch zulasten der Christen geändert: die Regierung hat das Rechtssystem stark umgebaut, Christen erleben zunehmende Verfolgung. So wurde die Klage gegen das Einreiseverbot 2019 von allen Gerichten bis zum Verfassungsgericht abgewiesen. Und das Ehepaar erfährt auch, dass sie nicht die einzigen Betroffenen sind: auch andere missionarisch tätige Christen, meist aus dem evangelikalen Umfeld, wurden von den Behörden als Gefahr für die öffentliche Sicherheit gebrandmarkt (normalerweise eine Bezeichnung für Terroristen) und abgeschoben bzw. dürfen nicht mehr einreisen. Die Teilnahme an einer einzigen christlichen Konferenz genügte für manche, irgendein Gesetzesverstoß war gar nicht notwendig.

In verschiedenen Prozessen stellt sich heraus, dass der Geheimdienst involviert ist, und offenbar gezielt gegen Leitungspersönlichkeiten aus protestantischen Kirchen vorgeht. In den letzten zwei Jahren sind nach der Zählung von ADF International über 60 Christen aus der Türkei ohne nachvollziehbaren Grund abgeschoben worden. Auch der bewegende Fall des amerikanisch-kanadischen Missionars David Byle zählt dazu – kath.net hat berichtet (https://kath.net/news/76548). Sein Fall wurde bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht in Straßburg gebracht, der jedoch vor kurzem die Bearbeitung ablehnte. Diese eklatanten Diskriminierungen, die nicht nur die Glaubensverkündigung selbst betreffen, sondern in der Regel das gesamte Hab und Gut sowie das gewachsene soziale Umfeld, sollten vor allem angesichts der mehreren Milliarden an EU-Geldern zu denken geben, die die Türkei bereits als „Heranführungshilfe“ von der EU erhalten hat. Trotz allem, oder vielleicht gerade wegen des Gegenwindes, sind die christlichen Gemeinden in der Türkei am Wachsen.


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