24. September 2022 in Aktuelles
Armenischer Bischof Nalbandian bei Tagung der "Initiative Christlicher Orient" in Salzburg: Orient ohne Christen würde zu weiterer Radikalisierung der Arabischen Welt und zu Konflikten mit dem Westen führen
Salzburg (kath.net/KAP) Vor einem Nahen Osten ohne christliche Bevölkerung hat der armenisch-apostolische Bischof von Damaskus, Armash Nalbandian, gewarnt. Das würde zu einer Radikalisierung der Arabischen Welt führen und könnte weitreichende Konflikte auch mit dem Westen auslösen. Nalbandian äußerte sich in einem Vortrag bei der Jahrestagung der "Initiative Christlicher Orient" (ICO) Montagabend in Salzburg. Im Blick auf seine Heimat Syrien sagte der Bischof, dass die Kirchen wesentlich mehr Freiheiten genießen würden als in anderen muslimischen Ländern. Gleichwohl brauche das Land mehr Demokratie. Enttäuscht zeigte sich der armenisch-apostolische Bischof vom Westen, der das Land seit Ausbruch des Krieges 2011 im Stich gelassen habe. Die ICO-Tagung steht heuer unter dem Titel "Syrien - Wege zum Frieden?!"
Die Christinnen und Christen seien integraler Bestandteil des Nahen Osten, viele Errungenschaften in den Bereichen der Bildung, der Medizin, der Kultur oder auch im sozialen Bereich seien auf sie zurückzuführen, führte Bischof Nalbandian aus. Christliche Gelehrte machten den Muslimen das Wissen der Antike zugänglich. Christen seien auch maßgeblich an der Entstehung der arabischen Nationalstaaten beteiligt gewesen. Viele politische Parteien wurden ebenso von Christen gegründet. Und trotzdem wurden die Christen immer wieder verfolgt und diskriminiert.
Der islamistische Fundamentalismus sei für die schwindende christliche Minderheit eine immanente Gefahr. Er wolle deshalb auch die schweigende muslimische Mehrheit auffordern, ihre Untätigkeit aufzugeben. Letztlich führe der Fundamentalismus auch zu ihrem eigenen Untergang, zeigte sich Nalbandian überzeugt.
Die Einhaltung der Menschenrechte erachtete der Bischof als zentral für eine gute Zukunft aller Bewohner des Landes. Um das Bewusstsein dafür zu stärken, "müssen wir noch viel mehr als bisher Brücken zu den Muslimen bauen", so der Selbstanspruch von Bischof Nalbandian. Der interreligiöse Dialog bzw. die Präsenz der Christinnen und Christen vor Ort im Orient seien auch die einzigen Garanten dafür, dass ein weiteres Aufkommen radikaler Islamisten verhindert werden könne.
Unvorstellbare Not
Das Ausmaß der Not im Land und der Zerstörungen sei eigentlich unvorstellbar: "40 bis 50 Prozent der Christen haben im Krieg in Syrien ihr Zuhause verloren", berichtete Bischof Nalbandian. Mehr als 100 Kirchen und 300 kirchliche Einrichtungen seien zerstört worden, daneben aber auch rund 1.800 Moscheen.
Nalbandian hob zudem hervor, dass kirchliche Hilfsmaßnahmen in Syrien nicht nur Christen, sondern auch Muslimen zugute kämen. Und er appellierte an den Westen, die Kirchen vor Ort auch weiterhin tatkräftig zu unterstützen, "damit wir diese Hilfe weitergeben können". Westliche Hilfe für die Kirche stärke deren Präsenz in Syrien.
Der Bischof beklagte in seinem Vortrag den Exodus unzähliger Christinnen und Christen, die in den vergangenen Jahrzehnten ihre Heimat Richtung Westen verlassen hatten. Die Zahl der verbliebenen Christinnen und Christen in Syrien setzte der Bischof mit acht bis zehn Prozent der Gesamtbevölkerung eher hoch an. Verlässliche Zahlen gebe es freilich nicht, räumte Nalbandidan ein. Die Kirchen bzw. die Gesellschaft in Syrien bräuchte aufgrund der Massenauswanderungen dringend einen "geistigen Wiederaufbau". Die westlichen Kirchen könnten aber etwa auch Stipendien für junge Syrerinnen und Syrer übernehmen, damit diese im Westen eine gute Ausbildung erhalten. Diese jungen Menschen seien beim Wiederaufbau ihres Landes dringend vonnöten. Eine notwendige Anstrengung sah der Bischof auch in der Stärkung des kirchlichen Bildungswesens in Syrien.
Im Blick auf Damaskus sprach der Bischof von guten ökumenischen Beziehungen zwischen den Kirchen, freilich müsse die kirchliche Einheit noch vertieft und die Zusammenarbeit gestärkt werden.
In Armenien und Deutschland ausgebildet
Bischof Nalbandian wurde 1973 in Aleppo geboren. 1987 begann er seine kirchliche Ausbildung am Theologischen Seminar der Armenisch-apostolischen Kirche in Etschmiadzin nahe der armenischen Hauptstadt Jerevan. Mitte der 1990er-Jahre ging er nach Deutschland, wo er als Seelsorger wirkte und seine Studien fortsetzte. Als Stipendiat des Diakonischen Werkes studierte er evangelische Theologie in Erlangen und katholische Theologie in Tübingen. 1998 wurde er zum Mönchspriester geweiht. 2004 ging Nalbandian zurück nach Syrien, 2006 wurde er zum Bischof geweiht. Er residiert in Damaskus.
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