21. September 2022 in Kommentar
„Jetzt beschäftigt es mich sehr, … wie blind ich gewesen bin für das Leiden und die Perspektiven der Betroffenen“ – Osnabrücker Bischof ist auch Vizevorsitzender/Synodaler Weg, setzt sich engagiert für Frauenweihe ein. Kommentar von Petra Lorleberg
Osnabrück (kath.net) Vorwürfe gegen den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode: Dem Bistum Osnabrück und dem amtierenden Bischof Franz-Josef Bode werfen Historiker und Rechtswissenschaftler der Universität Osnabrück bis über das Jahr 2000 hinaus schwerwiegende Pflichtverletzungen in Fällen sexualisierter Gewalt vor. Nach Einschätzung des Rechtswissenschaftlers Prof. Hans Schulte-Nölke habe das Bistum weitere Minderjährige in Gefahr gebracht. „Die Bischöfe trifft bei der Entscheidung über den weiteren Einsatz Beschuldigter eine individuelle Verantwortung“, erläuterte Schulte-Nölke weiter. Diese Vorwürfe stehen im Pressebericht der Universität Osnabrück über den (offenbar unabhängigen) Zwischenbericht zur Sexualisierten Gewalt im Bistum. Auch bei der entsprechenden Pressekonferenz des Bistums wurde umfangreich über den Zwischenbericht informiert.
Projektleiterin und Historikerin Prof. Siegrid Westphal hat sich mit den Motiven der Bistumsleitungen für das Fehlverhalten befasst und stellte gemäß Uni-Pressebericht fest: „Geheimhaltung, die Verhinderung von Bekanntwerden, waren erkennbar handlungsleitende Motive. Wichtiger als das Leid der Betroffenen waren dem Bistum Osnabrück der Schutz des Ansehens der Kirche oder der Schutz des Ansehens der Beschuldigten.“ Das Projektteam kommt zu dem Schluss, dass in den untersuchten Fällen eine erhebliche Rollen- und Pflichtenkollision insbesondere von Bischöfen sichtbar werde, so Westphal: „Einerseits mussten Bischöfe als Richter und Vorgesetzte einschneidende Maßnahmen gegen die Beschuldigten treffen. Andererseits sahen sie sich zu besonderer priesterlicher Fürsorge für die ihnen anvertrauten Kleriker verpflichtet.“ Außerdem erhebt sie den schweren Vorwurf, dass die Aktenlage „nicht den Eindruck vermittelt“ habe, „dass das Bistum Osnabrück die Ansprüche der Betroffenen stets wohlwollend prüfte. Betroffene wurden bürokratisch und abweisend behandelt. Die generelle Linie ließe sich mit ‚Verzögern und Abwehren‘ beschreiben.“
Im Zwischenbericht der Universität findet sich beispielsweise folgende schwergewichtige Sätze:
- „Bischof Bode hat in den ersten Jahrzehnten seiner Amtszeit mehrfach Beschuldigte, auch solche, an deren Gefährlichkeit kaum Zweifel bestehen konnte, in ihren Ämtern belassen oder in Ämter eingesetzt, die weitere Tatgelegenheiten ermöglichten, z. B. als Subsidiar und Pfarradministrator oder sogar mit Leitungsaufgaben in der Jugendseelsorge betraut.“
- Bode hätte in Zusammenhang mit einem konkret geschilderten Fallbericht „darauf bestehen müssen, dass entschieden gegen den Beschuldigten vorgegangen wird, um dessen Handeln gegenüber Kindern und Jugendlichen sofort und sicher zu beenden. Dem Beschuldigten hätte insbesondere sofort verboten werden müssen, Kinder und Jugendliche in seiner Privatwohnung zu empfangen oder sich mit ihnen allein in einem geschlossenen Raum aufzuhalten; erst recht natürlich, ihnen Alkohol anzubieten. Die Einhaltung eines solchen Verbots hätte durch geeignete Maßnahmen überprüft werden müssen.“
- „Die unter den deutschen Bischöfen herausragende Geste Bischof Bodes, der sich 2010 auf den Boden legte und die Betroffenen um Entschuldigung bat, ging mit dem Versprechen einher, die Hilfen für die Opfer ganz auszuschöpfen“, so der Zwischenbericht. „Dies wurde in der Verwaltungspraxis seines Bistums gegenüber den Betroffenen jedoch nicht umgesetzt.“
In einer ersten Reaktion sagte Bischof Bode dazu: „Ich hatte diesen Zwischenbericht gewollt, damit die Wahrheit auch möglichst schnell ans Licht kommt. Jetzt beschäftigt es mich sehr, wie blind wir eigentlich gewesen sind und wie blind ich gewesen bin für das Leiden und die Perspektiven der Betroffenen. Ich trage die Verantwortung dafür, auch für das System im Bistum.“
Als prekär darf hierbei eingestuft werden, dass Bischof Bode keineswegs ein NoName-Bischof ist, sondern in der katholischen Kirche in Deutschland seit vielen Jahren in exponierten Funktionen unterwegs ist. Er wurde 1995 Bischof von Osnabrück und übernahm bereits im Folgejahr wichtige Aufgaben in der Deutschen katholischen Bischofskonferenz (DBK). Von 1996-2010 war er Vorsitzender der DBK-Jugendkommission, umgangssprachlich „Jugendbischof“ genannt. Danach wurde er Vorsitzender der DBK-Pastoralkommission und deren Unterkommission „Frauen in Kirche und Gesellschaft“. Seit geraumer Zeit (ab 2017 bis heute) ist er stellvertretender Vorsitzender der DBK, zunächst also Stellvertreter für den Münchner Kardinal Reinhard Marx, nun für den Limburger Bischof Georg Bätzing. Obendrein war er einer der DBK-Delegierten bei der Generalversammlung der Weltbischofssynode 2015 in Rom. Die DBK ernannte Bode 2019 zum verantwortlichen Leiter des Vorbereitungsforums für Fragen der Sexualmoral im Rahmen damals in Entstehung begriffenen „Synodalen Wegs“. Im Dialog mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sollte Bode außerdem den Themenbereich Sexualität und Sexualmoral vertiefen. Inzwischen ist Bode einer der beiden Vizepräsidenten des Synodalen Wegs.
Bode, der nun vor erheblichen Problemen steht, die seinen Rücktritt von seinen Verantwortungen bei der DBK und beim Synodalen Weg und sogar den Rücktritt von seinem Amt als Bischof von Osnabrück nach sich ziehen könnten, setzte sich im Lauf der letzten Jahre immer wieder medienwirksam für Grundsatzänderungen in der katholischen Lehre und Praxis ein. Ende 2021 sagte er beispielsweise gegenüber dem „Evangelischen Pressedienst“ (edp), dass er im Synodalen Weg immer wieder die Argumente etwa für die Weihe von Frauen und verheirateten Männern oder die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare einbringen wolle. Dabei setze er auf Beharrlichkeit. Er hoffe, dass bereits 2023 die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare möglich werde, außerdem sollten Frauen sowie insgesamt Laien häufiger predigen dürfen. Auch die Taufspendung und die Assistenz bei Eheschließungen durch Frauen/Laien stellte er als Nahziel seiner Hoffnungen dar. Bereits früher im Jahr hatte er bei einer Online-Veranstaltung seines Bistums vertreten, er halte es für falsch, wenn immer wieder nach theologischen Gründen gesucht werde, warum Frauen nicht Priesterinnen oder Diakoninnen werden könnten.
Fazit: Ausgerechnet einer der bischöflichen Motoren für die problematischen Forderungen der deutsch-katholischen Kirche steht nun vor einem persönlichen Scherbenhaufen hinsichtlich seiner Mitbeteiligung an Vertuschung von Vorwürfen zu sexualisierter Gewalt. Wir erlauben uns die Frage: Welches unermüdliche Kesseltreiben würde die Mainstreampresse veranstalten, wenn solche eklatanten Vorwürfe gegen einen der lehramtstreuen Bischöfe in Deutschland erhoben würden? Man darf gespannt sein zu beobachten, ob die Mainstreampresse in den kommenden Wochen ihre Vorwürfe gegen einen Bischof, der ja ihre eigene kirchenpolitische Agenda immer bereitwillig bedient hat, zügig „vergessen“ wird.
Archivfoto Bischof Bode (c) Bistum Osnabrück
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