„Haben wir nicht den Auftrag, Christus und sein Evangelium in die Geschichte zu tragen?“

17. Oktober 2022 in Spirituelles


Missio-Direktor Pater Karl Wallner OCist bei Festpredigt zum 80. Geburtstag von Weihbischof Andreas Laun: „Ausgezeichnet mit Menschenrechtspreisen und ausgebuht, nicht selten auch von binnenkirchlichen Akteuren“ – Die Predigt in voller Länge!


Salzburg (kath.net) kath.net dokumentiert die Textvorlage der Predigt von Prof. P. Dr. Karl Wallner OCist, Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke, am 80. Geburtstag von Weihbischof em. Andreas Laun in der Franziskanerkirche Salzburg, 13. Oktober 2022, in voller Länge und dankt dem Heiligenkreuzer Zisterzienserpater Prof. Wallner für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung.

„Der Laun ist 80!“ In Österreich bist Du, lieber Andreas, immer noch ein Begriff. Du bist eine profilierte Persönlichkeit, und daran kann ich in dieser Predigt, die ich im Gehorsam gegenüber dem Herrn Erzbischof, der mich darum gebeten hat, übernommen habe. erinnern.

Lieber Jubilar, lieber Herr Erzbischof, liebe Herren Bischöfe, Domkapitulare, Diakone, Priesterstudenten, liebe Verwandte des Jubilars, liebe Schwestern, liebe Brüder!

„Der Laun“! Oder Wienerisch „Da Laun!“ Von einigen geliebt und bewundert, von vielen aber auch nicht. Ausgezeichnet mit Menschenrechtspreisen und ausgebuht, nicht selten auch von binnenkirchlichen Akteuren. Ein „stummer Hund“, wie der Prophet Jesaja (Jes 56,10) es formuliert, warst Du nie. Du hast gemahnt, Du hast Dich eingemischt, Du hast versucht, der Lehre der Kirche Gehör zu verschaffen.

Eine Predigt ist keine Laudatio. Eine Predigt soll die Offenbarung Gottes für unsere Situation auslegen. Und die besteht heute darin, dass Du Deinen 80. Geburtstag feierst. So sind wir Gott zunächst einmal dankbar, dass wir Dich noch unter uns haben, denn Deine Gesundheit hat schwere Schläge erlitten…

Wir sind dankbar, dass wir in Dir einen gläubigen Christen unter uns haben, dessen Sein und Berufung von langer Hand gleichsam eingeleitet worden war. Denn Deine Berufung beginnt ja schon mit dem Eingreifen Gottes in das Leben Deines Vaters Hellmut. Auf außergewöhnliche Weise ist er in die katholische Kirche konvertiert. Und seine Biografie „So bin ich Gott begegnet“ ist lesenswert. (Das ist eine Produktplatzierung…)

Im Buch Jesaja lesen wir ein Wort, das auf Dich passt: „Der Herr hat mich schon im Mutterleib berufen; / als ich noch im Schoß meiner Mutter war, hat er meinen Namen genannt. Er machte meinen Mund zu einem scharfen Schwert...“ (Jesaja 49,1b-2a)

Dass Du später als Moraltheologe und Bischof so „aufregen“ konntest, ist eigentlich verwunderlich, denn du bist in Wien geboren und mit 10 Jahren erst nach Salzburg gekommen. Wir Wiener, ich bin einer, haben ja eine gewisse „Situationsflexibilität“ und „Werteelastizität“. Wir neigen in der Öffentlichkeit zum Nettsein, während wir im Privaten raunzen und kritisieren. Bei Dir war es anders: den Wiener Charme konnten wir eher im Privaten erleben; nach außen warst Du geprägt von dem Wunsch nach intellektueller Klarheit und kirchlicher Eindeutigkeit – wie es dem Konvertitentum entspricht.

Zwei Tage nach der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils hast Du Deinen 20. Geburtstag gefeiert und bist im ersten Konzilsjahr bei den Oblaten des heiligen Franz von Sales eingetreten.

Ich durfte „den Laun“ – Du warst schon damals ein Begriff – ab 1981 an der damals winzigen Hochschule Heiligenkreuz erleben. Wir waren damals 38 Studenten...

Lieber Andreas, jetzt kommt doch ein Kompliment, das ich im Namen vieler Studierenden sage: Du warst klar, kompetent, gescheit und bei den Prüfungen herausfordernd! Du hast uns eine tiefe Liebe zu Jesus Christus vermittelt und sie uns vorgelebt, Du hast den Glauben der Kirche verkündet, ein klares Denken und ein stringentes Argumentieren. Kein anderer Ordensvater passt besser zu Dir als der heilige Franz von Sales, mit seinem brennenden Herzen und seinem leuchtenden Verstand. Eine Predigt ist keine Laudatio, aber das muss über einen Bischof gesagt sein. Und ein Josef Pieper und ein Dietrich von Hildebrand sind sicher stolz auf Dich im Himmel.

Spätestens ab 1986 herrschte in Österreich ein binnenkirchlicher Richtungskampf, in dessen Fokus so manche Bischofsernennung stand. Damals erregte das noch Aufmerksamkeit, heute kräht danach kein Hahn mehr. Die Kirche ist auf 55 Prozent abgerutscht, in Wien sind wir nur mehr 31 Prozent, weit überholt bereits von den 38 Prozent Konfessionslosen und 2047 werden wir nur mehr 17 Prozent sein, dann werden 35 Prozent in Wien Muslime sein. Nach einer Umfrage in den Wiener Pfarren von 2019 haben in der 1,9 Millionen-Stadt Wien nur 3.800 junge Menschen unter 28 Jahren einen regelmäßigen Bezug zur Kirche. Vor kurzem hat Kardinal Schönborn die Wiener Pfarre „Am Schöpfwerk“ der serbisch-orthodoxen Kirche übergeben. Eine großartige Idee. Der Hintergrund ist: Als die Kirche 1979 erbaut wurde, gab es im Pfarrgebiet 10.000 Katholiken, 2022 waren es unter 1000.

Der quantitative Schwund hatte schon lange vorher mit dem qualitativen Schwund an Glauben begonnen. Wie dumm zu meinen, es sei eine „Kirchenkrise“. Es ist eine Krise des Gottesglaubens. Hat Gott noch Platz in einem agnostisch-atheistischen Weltbild, wie es sich in den Millionenbestsellern von Yuval Harari findet; muss man nicht den „Gotteswahn“ mit Richard Dawkins bekämpfen. Und es ist eine Krise des Christusglaubens. Jesus Christus, der eingeborene Sohn Gottes? Glauben wir noch, dass in dieser konkreten geschichtlichen Person des Jesus von Nazareth vor 2000 Jahren das „Pleroma“, die Fülle, das „Ego eimi“ Gottes in dieser Welt gegenwärtig geworden ist? Gottes Selbst-Offenbarung in einer geschichtlichen Person mit konkreten Taten und Worten, Korrekturen und Weisungen?

Die Folge dieser Gottes- und Christus-Krise sind drastisch. Denn der Mensch, der sich vom Schöpfergott und vom liebenden Erlösergott verabschiedet, der verabschiedet sich offensichtlich auch von sich selbst. „Humanität“ ohne Gott, „Nächstenliebe“ ohne Christus, funktioniert schlechthin nicht. Wir sind in einer „Geiz-ist-Geil-Welt“, in einer Welt des „Fit for Fun“, „Mein Bauch gehört mir“ gelandet. Und während Diktaturen und Armut sich global ausbreiten, müssen wir uns mit „Gender-Gaga“ (Birgit Kelle) auseinandersetzen…

Als wir Heiligenkreuzer am Abend des 25. März 1995 von Deiner Bischofsweihe im Salzburger Dom heimgefahren sind und die Nachrichten gehört haben, tönten die ersten Anschuldigungen gegen den damaligen Erzbischof von Wien aus dem Radio… In welche nebelige und düstere Zeit wurdest Du da als Bischof hineingeweiht!

Von dem kolumbianischen Philosophen Nicolas Gomez Davila stammt das Wort: „Die Sünden, die die Öffentlichkeit schockieren, sind weniger schwerwiegend, als die, die sie duldet.“ Du wolltest nie ein „stummer Hund“ sein, und konntest es von Deinem Charakter her wohl gar nicht: Du hast über die „geduldeten“ Sünden „gebellt“, hast klar Stellung bezogen gegenüber dem, was sich an Falschem eingeschlichen und bereits verfestigt hat in unserer Gesellschaft. Du wolltest keinen faulen Frieden, kein Appeasement der Kirche mit Abtreibung, mit der Auflösung von Ehe von Familie, mit der Diskreditierung naturgemäßer Sittlichkeit und dem Lächerlichmachen christlicher Moral. Du hast laut gebellt. – Und Du hast manchmal auch durchaus gerne gebellt. – Es ist an sich grundsätzlich störend, wenn Hunde in der Nacht bellen. Jeder möchte ja lieber seine Ruhe – auch wenn das Bellen dem Dieb und Verbrecher gilt, der sich heimlich um das Haus schleicht.

Ich weiß, dass Du den Begriff „bellen“ nicht als despektierlich empfindest, denn ich kenne keinen Bischof mit einer so großen Hundeliebe wie Dich. Dein Buch „Gott liebt auch Tiere“ in unserem Be+Be-Verlag ist ein Bestseller. Dein von Dir geliebter Schäferhund „Pamina“ war wohl in den bitteren Stunden, wo in den Medien die Wogen gegen Dich hochgingen, auch die innerkirchlichen, ein großer Trost. Du warst immer in der kirchlichen Lehre klar und treu. Freilich weiß ich, dass es einen Punkt in der Glaubenslehre gibt, den Du nur schwer annehmen kannst: Dass es nämlich keine dogmatische Klarheit darüber gibt, dass Tiere – und ganz besonders Schäferhunde – in den Himmel kommen… Als Dogmatiker weiß ich es nicht, als Dein Freund wünsche ich es Dir aber von Herzen!

Im Schuldbekenntnis der Messe klagen wir uns nicht nur der bösen Gedanken, Worte und Werke an… Es wird von uns meist wenig beachtet, dass es auch das Falsche gibt in Gestalt von Wegschauen, von Wegducken, von Davonlaufen: durch „ommissione“, durch „Auslassung“, „Weglassung“ wie es lateinisch heißt. Ich muss gestehen, dass ich mir als Rektor der Hochschule auch manchmal gewünscht hätte, dass Du es unterlassen hättest, wieder einmal zu diesem und jenem strittigen Thema was zu sagen oder Dich in eine Talkshow zu setzen. Dann kamen schon die Anrufe, die Briefe, die Aufregung, das Gezeter und Mordio. Oft hat man mir gesagt: „Setzt den Laun ab…“

Inzwischen hat sich die Welt geändert. Kirchliche Themen kommen kaum noch in den Medien vor. Auch wenn es manchmal nervig war, aber eines scheint mir gewiss: Eine sich selbst verlierende Welt braucht keine Kirche, die ihr sagt: „Es passt schon alles. Alles gut. Tut, was ihr wollt.“ Dazu braucht uns niemand, denn die Menschen tun sowieso was sie wollen. Freilich: das meiste davon ist erbsündlich zerstört. Als Kirche stehen wir heute niederbombardiert da, diskreditiert durch eigene Sünden, ungekannt, unbeachtet, wir gelten als Anachronismus und sind deshalb auch weitgehend verstummt.

Klar, unser Herr Jesus Christus wollte keine Kirche, in der sich die Verkünder seines Evangeliums wie Talibans gebärden. Doch wollte er auch keine Kirche, die sich zu viel wegduckt und den Anschein erweckt, nur Allerwelts-Nettigkeit und liturgische Folklore zu stehen. Haben wir nicht den Auftrag, Christus und sein Evangelium in die Geschichte zu tragen? Der Knecht soll es nicht besser haben wollen als sein Herr (Joh 13,16). Und unser Herr ist nicht als Softie im Bett gestorben. Vor der Westminster Cathedral in London steht heute eine Statue von Churchill, und nicht von Chamberlain.

Und ich darf auch von meinen Erfahrungen aus der Weltkirche berichten: Wo die Kirche auf liebenswürdige Weise die Klarheit des Evangeliums verbreitet in Bezug auf Gerechtigkeit, Menschenrechte und Menschenwürde, in Bezug auf Ehe und Familie und Lebensschutz, dort ist sie stark und wächst sie.

Ob Du manchmal als guter Hirtenhund zu oft gebellt hast, zu laut gebellt hast, zu unüberlegt… das wird der liebe Gott einmal beurteilen. Anlässlich Deines 80. Geburtstags fände ich es aber angebracht, dass wir alle, die wir in der Kirche Verantwortung tragen, uns fragen, ob wir unserer Berufung in der Welt von heute das Evangelium zu bezeugen und zu verkünden, gerecht werden!

Lieber Jubilar! Nein, das ist keine Laudatio, es ist auch nicht die Eröffnung Deiner Seligsprechung heute, „nur“ Dein 80. Geburtstag. Du weißt selber, dass wir alle unter dem Gesetz der Erbsünde stehen. Und doch: Lieber Andreas, viel hier empfinden es als Gnade, dass es Dich gibt. Dass wir Dich persönlich kennen und erleben durften. Auch jetzt in Deiner krankheitsbedingten Gebrechlichkeit und Duldsamkeit.

Dein Wahlspruch lautet: „Scio cui credidi“ aus dem 2. Timotheusbrief 1,12: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe.“ Du hast ihn vor 27 Jahren gut gewählt, denn da steckt alles von Dir drinnen:

- Im „Scio“, die Überzeugung: Ich vermute nicht, ich taktiere nicht, ich habe vielmehr eine feste Gewissheit!
- Gewissheit worüber? Über das, was Du glaubst: „credidi“. Die Sicherheit gewinnst Du aus Glauben – und der ist immer ein Aussteigen aus dem Boot der bloß irdischen Gewissheiten. So wie Petrus. Du, lieber Andreas, bist ein Mann des starken Glaubens.
- Im Mittelpunkt Deines bischöflichen Wahlspruchs steht das „Cui“. Ich weiß, WEM ist geglaubt habe.

Papst Benedikt hat bei seinem Besuch in Heiligenkreuz 2007, wo Du mit dem heutigen Erzbischof Franz Lackner dabei sein durftet, da ihr beide Professoren unserer Hochschule wart, gesagt: „Wir glauben nicht eine Doktrin, eine Lehre, einem Dogmen- oder Moralsystem. Wir glauben eine Person!“ Wir glauben einem „Wem“, einem „Cui“: Jesus Christus.

Lieber Andreas! Jesus Christus ist die Liebe Deines Lebens. Das hast Du uns durch 80 Jahre Deines Lebens bezeugt und gelehrt. Dafür danken wir Dir heute von ganzem Herzen!

Archivfoto Prof. Wallner (c) Missio Österreich - Archivfoto Weihbischof Laun (c) Wikipedia/CC BY-SA 4.0/     Thaler Tamas


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