Bätzing philosophiert. Wird ihm 'Dick Precht' aber antworten?

26. Oktober 2022 in Kommentar


Otti's Optik: Die Veränderung der Veränderung bringt Veränderung - Ein Kommentar von Franz Norbert Otterbeck


Köln (kath.net)

Die Fortschrittsrepublik Deutschland hat sich längst darauf verständigt, dass es nur noch einen lebenden Philosophen deutscher Zunge gibt. Jedenfalls erwecken die Medien diesen Eindruck. An sich ist das ein promovierter Germanist, der über den 'Mann ohne Eigenschaften' (Musil) forschte, ohne jedoch sich selber damit zu meinen. Der Durchbruch kam 2007 mit dem Bestseller 'Wer bin ich? Und wenn ja wieviele?' Dieser intelligente Buchtitel bietet die Brücke von R.D. Precht zu dem bummsfidelen Bischof Georg von Limburg. Denn wer ist das überhaupt? Und wenn nein, wer sonst?

Der westerwälderische Mann ohne Eigenschaften philosophierte neulich in Berlin wieder vor großem Publikum. Das DBK-Sekretariat hat die große Ruck-Rede ihres illuminierten Vorsitzenden diesmal allerdings nicht mehr als Video 'online' gestellt. War die Disruptionsrede von 2021 allzu peinlich? Seither ist ziemlich viel zu Bruch gegangen. Zum 'Michaelsempfang' des versierten Prälaten Jüsten, Leiter des katholischen Büros in der alten Reichshauptstadt, diesmal erst am 12. Oktober, kommt auch nicht mehr sehr viel 1a-Prominenz. Der Bundeskanzler fehlte, wenngleich sich sein Sympathisant alle Mühe gab, die von ihm bereits gewohnte "Ampel"-Kriecherei noch zu übertreffen. Manche von uns verfolgen die immergleichen Albernheiten des im Synodalismus gefangenen Kirchensteuer-Lobbyisten nicht mehr sehr konsequent. Seine Auslassungen oder Einlassungen oder Zwischenlassungen langweilen inzwischen. Als die Wut noch jung war, da gab man sich mehr Mühe, in jedem Absatz dieser 'durchgeistigten Elaborate' die inneren Widersprüche, logischen Fehler und theologisch-politischen Dürftigkeiten aufzuzeigen. Erstaunlich ausführlich widmete sich Bätzing diesmal der Suizidassistenz und -prävention. Er scheint inzwischen auch hinsichtlich des Selbstmords von absoluter moralischer Autonomie überzeugt zu sein. Autonomie rechtfertigt? "Nie urteilen!" Außer über die Menschen, die im Suizid immer noch mitunter eine Sünde wider die göttliche Bestimmung des Lebens vermuten? Der Regens eines Priesterseminars wirft sein Leben vermutlich nicht wegen schwerer Depression weg, sondern vielleicht doch, weil er zur Buße nicht mehr willens ist? Suizid-Experte Bätzing stellte sein Referat ohne Not unter das Leitwort "...und doch: hoffen", nur um diesen Missgriff schon in den einleitenden Worten "witzig" zu relativieren.  Als Autorität zum Thema Hoffnung zitierte er allerdings frecherweise eine Gelegenheitsäußerung, die Karl Rahner SJ schon 1968 tätigte, nicht aber die Enzyjklika 'Spe salvi' von 2007. Wir ahnten bereits, dass Bätzing nichts von Joseph Ratzinger gelesen hat, aber alles von Hans Küng. Oder etwa andersherum? Oder gar nichts? Seine Zitate verzichten regelmäßig auf den exakten Beleg. Man zitiert als wichtiger Wichtigtuer ja vorwiegend des 'name-droppings' wegen, um im Auditorium die erwünschten politischen Signale zu setzen. Wozu dann noch schlussfolgernd argumentieren? Aber auch beim Hoffen wider alle Hoffnung darf die Warnung nicht fehlen: Bloß nicht einknicken vor dem "rechten Rand"! Wo beginnt der? Mitten in der Kirche? Etwa da, wo das Wort "Transsubstanziation" noch in Gebrauch ist? Oder wo das Dogma als Überzeugung verstanden wird, die uns das verbindliche Fundament für die christliche Hoffnung baut? Meint Bätzing mit Hoffnung denn überhaupt noch die christliche Hoffnung? Er nutzte die Anwesenheit der politischen Halbprominenz nicht etwa, um einige "eschatologische" Akzente zu setzen. Klar, es wird konzediert, Gott sei "der Herr der Geschichte". Der Herr Bätzing ist es jedenfalls nicht. Aber das hat G.W.F. Hegel schon so ähnlich gesehen, hinsichtlich des Weltgeistes. Wo bleibt da der unterscheidend katholische Gedanke?

Richard M. Nixon wurde "tricky Dick" genannt. Bätzing hingegen hat sich den Ruf des "Onkel Herbert" erworben, des Einpeitschers im Hinterzimmer, der die Fraktion geschlossen zusammenhält, wie es Herbert Wehner als Zuchtmeister der SPD-Bundestagsfraktion vorgelebt hat. Allzu trickreich ist das nicht, eher brutal-frontal. Vielleicht eignet sich "Dick Precht" diesbezüglich auch gar nicht so sehr als Nachhilfe für den kongenialen Mitphilosophen im Bischofslila. Er wirkte nämlich ähnlich unsouverän, als Top-Journalisten ihm bei "Lanz" im ZDF qualitative Mängel beim jüngsten Buch vorwarfen. Darin wird ausgeführt, wie Mehrheitsmeinung "gemacht" werde, auch wenn sie das nicht ist. Dieses Buch könnte dem Einpeitscher des Synodalen Suizids allerdings noch nützen. Ich würde Bätzing gern einmal mit Precht bei "Lanz" sehen. Die mutmaßlich gemeinsame Abneigung gegen den US-Präsidenten Nixon, beide werden ihn in der Jugend noch als Feindbild gelehrt bekommen haben, böte einen guten Einstieg für den Dialog. Risiko: Bätzing wird die Aussagen des Gegenübers kognitiv kaum verarbeiten, sondern auf jede Sentenz nur erwidern: "Wir als Kirche unterstützen das. Denn wir als Kirche sind für die Menschen da." Da Precht allerdings lebenslänglich "links" steht - die 'Grüne Jugend' mag ihn für das Bild und Gleichnis Jesu halten, mit strähnigem Haar und struppigem Bart, wird er dem Bätzing das Linksgetue kaum durchgehen lassen, sondern erwidern: Bischöfe segnen Waffen, Bischöfe zwingen Frauen dazu, Kinder zu gebären, Bischöfe predigen das Gericht Gottes. Der projektierten 'Veränderung der Kirche' wird er nicht über den Weg trauen, wie viele andere auch, von weit links bis weit rechts.

"Veränderung?" Es ist gar nicht so leicht, vor dem linken Rand einzuknicken, auch wenn man es noch so sehr herbeisehnt. Denn der "linke Rand" insistiert immer wieder, dass die Kirche strukturell "rechts" steht. Das tut sie auch, auf die ihr eigene Weise. Mit Recht, nicht mit Precht. Die Kirche Jesu Christi kann nämlich nicht anders als Ordnung dem Fortschritt vorzuziehen, Wahrheit als Tor zur Freiheit zu begreifen, die Weitergabe des Lebens für gottgewollt zu erachten und daher Ehe und Familie heiligzuhalten. Sie muss es aushalten, deswegen politisch "rechts" verortet zu werden; und darf davor nicht fliehen. Das schmälert ihr Engagement nicht, sondern ermöglicht es. Genauso wird der Christ nie unberührt bleiben von Armut, Elend und Krieg, auch wenn wieder eine Zeit kommen kann, in der man deswegen unter Linksverdacht gerät. Vor allem aber: "links" und "rechts" innerkirchlich, innerhalb eines legitimen Spektrums, entsprechen noch lange nicht kongruent links oder rechts in der deutschen Politik. Da mag ein Steffen Zimmermann in Berlin noch so virtuos seine publizistische "Stalinorgel" betätigen, als wenn er sie noch aus Beständen der 'Roten Armee' ergattert hätte. Wir unbeugsamen Katholiken stehen ein bissel "rechts", aber noch lange nicht so weit rechts wie es die Linken gern hätten, Dr. Bätzing und Dr. Precht inbegriffen. Staatsphilosophen seid ihr. Wir denken Gott nach.

'Die Welt verändern' ist kein Sechstagekrieg. 'Na gut, dann verändern "wir" erstmal die Kirche.' Aber bedenket Eure Wünsche wohl: Sie könnten in Erfüllung gehen. Die Veränderung der Veränderung bringt nämlich Veränderung.


© 2022 www.kath.net