25. Oktober 2022 in Kommentar
„Die Päpstliche Akademie für das Leben ist kein Debattierclub. Dazu ist das Thema zu wichtig“ - Eigentlich ist „Papst Franziskus bei Abtreibung bislang eindeutig gewesen“ - Gastkommentar von Susanne Wenzel
Köln-Vatikan (kath.net) Ich bin in Sorge. Als Lebensrechtlerin und als Katholikin. Und ich bin verwundert. Papst Franziskus ist in Sachen Abtreibung bislang eindeutig gewesen. Ob ich seine Formulierungen so gewählt hätte, ist dabei völlig unerheblich. Aber er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er die Abtreibung im Einklang mit dem Lehramt der Kirche bewertet. Das Lebensrecht der Ungeborenen scheint nicht vorrangig für ihn zu sein derzeit, aber seine Äußerungen diesbezüglich sind dennoch klar. Dass er Priestern im Jahr der Barmherzigkeit die Erlaubnis erteilte, Frauen, die eine Abtreibung beichten, die Absolution zu erteilen, habe ich als durchaus im Einklang mit der Intention des hl. Papst Johannes Paul II. verstanden, der sich in anrührender und liebevoller Weise in Evangelium vitae an Frauen gewandt hatte, die ihr Kind vor der Geburt getötet haben.
Johannes Paul II., den ich mir nach wie vor als Patron für das Lebensrecht wünsche, war auch der Ansicht, der von ihm benannten „Kultur des Todes“, die sich vor allem in der vorgeburtlichen Kindstötung und der Euthanasie manifestiert, etwas entgegensetzen zu müssen. Das hat er nicht nur mit eindrucksvollen Predigten und seinen großen Enzykliken „Evangelium vitae“ oder „Veritatis splendor“ getan. 1994 gründete er die Päpstliche Akademie für das Leben, deren Mitglieder die wichtigsten biomedizinischen Fragen und Probleme im Hinblick auf eine Förderung und Verteidigung des Lebens diskutieren sollten. Gründungspräsident wurde Jerome Lejeune, der Entdecker der Trisomie 21. Auch unter Benedikt XVI. kam die Akademie ihrer ursprünglichen Aufgabe nach.
2016 schließlich beschloss Papst Franziskus, dass im Zuge der Kurienreform auch die Päpstliche Akademie für das Leben auf neue Füße gestellt werden sollte. Erzbischof Vincenzo Paglia übernahm die Leitung. Und seither reibt man sich immer wieder verwundert die Augen. So gab es zum Beispiel 2016 eine Konferenz zum Thema „Euthanasie in den Niederlanden: Autonomie und Mitleid abwägen“. Unter den Referenten selbstverständlich Verteidiger der Euthanasie.
In der vergangenen Woche nun wurde die linke Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato an die Akademie berufen, Atheistin und Abtreibungsbefürworterin. Mazzucato ist im Übrigen ist nicht die einzige Abtreibungsbefürworterin unter den ordentlichen Akademie-Mitgliedern. Auch der Anglikaner Nigel Biggar gehört dazu. Natürlich gab es an Mazzucatos Berufung Kritik. Und das zu recht. Doch der Vatikan verteidigte die Entscheidung u. a. mit der Begründung, es sollen „Dialog und Debatte“ befördert werden zwischen „Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund“.
Ganz toll! Aber worum soll es denn in „Dialog und Debatte“ gehen, bitte? Ob das Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt oder doch erst nach 20 Wochen? Soll ein „kleinster gemeinsamer Nenner“ gefunden werden – wie neulich an anderer Stelle vorgeschlagen – zwischen Abtreibungsbefürwortern und Abtreibungsgegnern? Was soll das sein? Sollen im Diskurs nun Gründe gefunden werden, wann „ein bisschen Abtreibung“ zulässig sein soll? Oder soll es darum gehen, dass Frauen in Entwicklungsländern „endlich freien und ungehinderten Zugang“ zur Abtreibung benötigen, wie es ein weiteres Akademie-Mitglied, Sheila Dinotshe Tlou, fordert? Spricht der Vatikan dann auch künftig von „sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten“?
Es ist offenbar nicht genug, dass Paul R. Ehrlich, der Vater der längst widerlegten Theorie der „Bevölkerungsbombe“, schon referieren durfte oder Planned-Parenthood- und Population-Council-Vertreter, wie John Townsend und John Bongaarts. Die Liste solcher Auftritte ließe sich seit der Neuordnung 2016 und der Übernahme der Akademie durch Erzbischof Paglia verlängern.
Ähnliche Entwicklungen gibt es übrigens auch in der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften. Unter der 2013 übernommenen Leitung des argentinischen Kurienerzbischofs Sorondo gab es einen kräftigen Linksruck, seitdem sind die großen Namen des Ökosozialismus ständige Gäste wie Schellenhuber, Stiglitz, Sachs.
Wenn ich die Ereignisse an der Akademie bedenke, muss ich keine Druckstellen vom Aluhut haben, um automatisch eine Verbindung zwischen diesen Vorkommnissen und in den seit 2014 fortlaufenden Auftritten von Jeffrey Sachs, einem Apologeten der Bevölkerungskontrolle, „die Zeichen der Zeit“ zu erkennen. Irgendwie wundern mich dann auch Formulierungen nicht mehr wie „Mutter Erde schreit“ oder der Mensch störe die Natur. Vergisst auch der Papst unter dem Eindruck dieser – in meinen Augen – extremen linken Wissenschaftler, dass der Mensch zur Schöpfung gehört?
In der Päpstlichen (!) Akademie des Lebens geht es um das Leben und den Tod, geht es darum, dass der Kultur des Todes und dem Wahn vom Machen des „neuen Menschen“, der „Wegwerfkultur“, wie es Papst Franziskus formulierte, etwas entgegengesetzt wird. Die Akademie für das Leben ist kein Debattierclub. Dazu ist das Thema zu wichtig. Bitten wir deshalb den hl. Papst Johannes Paul II. um Fürsprache, dass der Papst die Ausrichtung der Akademie überdenkt und zurückkehrt zur eigentlichen Gründungsintention.
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