30. Oktober 2022 in Kommentar
Der österreichische Gesundheitsminister verlangt von den Kirchen ab sofort gleichwertige Corona-Maßnahmen wie im Veranstaltungsbereich. Das könnte zu 3G und Registrierungspflicht für Gottesdienste führen - Analyse von Michael Koder
Wien (kath.net/mk) Die neue, seit 24. Oktober geltende Corona-Maßnahmen-Verordnung des Gesundheitsministers regelt wie berichtet [https://kath.net/news/79813] die Ausnahme für Kirchen und Religionsgesellschaften neu. Bisher war es nämlich in Österreich so, dass „Zusammenkünfte zur Religionsausübung“, also hl. Messen, Gebetskreise, Taufen, Hochzeiten usw., von den staatlichen Regelungen generell ausgenommen waren. Den Kirchen war dadurch die Setzung von Corona-Maßnahmen für ihren Bereich selbst überlassen. So erließ und aktualisierte die österreichische Bischofskonferenz regelmäßig, meist zeitgleich mit entsprechenden staatlichen Schritten, ihre „Rahmenordnung“. Bei genauerem Hinsehen war das aber nicht immer eine bloße Übernahme der gerade geltenden staatlichen Maßnahmen: während sonstige Zusammenkünfte, etwa Konzerte und andere Kulturveranstaltungen, lange Zeit durch 3G- bzw. 2G-Regeln nur sehr eingeschränkt möglich waren, bewahrten die Bischöfe Gottesdienstbesucher vor solchen Maßnahmen, hier galt nur die Maskenpflicht. Schließlich zog auch die katholische Kirche im letzten „Lockdown“ vergangenen November/Dezember nicht mehr mit: Während alle anderen Veranstaltungen abgesagt werden mussten, fanden Gottesdienste weiterhin statt.
Genau daran stießen sich verschiedene Kulturschaffende, die die entsprechende Verordnung vom Verfassungsgerichtshof prüfen ließen. Dieser stieg auf die Argumentation ein, verkehrte aber das angestrebte Ziel ins Gegenteil: während die Kultur darauf aus war, so wie die Kirchen auch in einem Lockdown offen haben zu dürfen, erklärte das Höchstgericht die betreffende Lockdown-Ausnahme der Kirchen für rechtswidrig. Begründung: eine sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung der beiden Freiheiten der Religionsausübung und der Kunst sei „nicht zu erkennen“. Beide würden „zu den Grundbedürfnissen einer zivilisierten Gesellschaft“ gehören. Von der bisherigen rechtlichen Einordnung der Religion auf einer Stufe mit Grundbedürfnissen wie dem Lebensmitteleinkauf will der Verfassungsgerichtshof also nichts wissen.
Damit aber rutschen die Kirchen sozusagen von der obersten Stufe ganz nach unten ab – noch hinter den Handel, der von den Maßnahmen meist weniger betroffen war als die Kultur. Das allein wäre schon ein gewaltiger „Paradigmenwechsel“, doch damit nicht genug, beschloss die Regierung nun, diese „Herabstufung“ im bisher auf Kooperation angelegten System Staat – Kirche künftig staatlicherseits durchzusetzen: die Kirchen sollen zwar nach der neuen Verordnung weiterhin ihre eigenen Regelungen erlassen; diese müssen aber den entsprechenden staatlichen, für die Kultur geltenden „gleichwertig“ sein, und sie müssen auch durchgesetzt werden. Andernfalls (also bei fehlender Gleichwertigkeit oder auch mangelnder Durchsetzung) gelten automatisch die staatlichen Regelungen, und dürfen damit auch polizeilich vollzogen werden.
Was nun „gleichwertig“ ist, bestimmt letztlich der Staat. Die Kirchen werden damit für jede Abweichung von den staatlichen Regelungen begründungspflichtig. Im Endeffekt liegt es nahe, dass 3G und Registrierungspflicht auch für Gottesdienste eingeführt werden müssten, sollten solche Maßnahmen wieder für Konzerte und Theater kommen. Ob die zuständigen Regierungsstellen für die Umsetzung des Höchstgerichtsurteils zu „loben“ sind, wie es der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, meint, ist damit sehr fraglich. Schipka selbst räumt ein, dass auch andere Regelungen möglich gewesen wären. Der Katholische Laienrat Österreichs hat die Gleichsetzung von Kunst- und Religionsausübung kritisiert: während dort nur das Recht des Kunstschaffenden geschützt werde und die Zuschauer „Konsumenten“ seien, würden alle an einer religiösen Handlung teilnehmenden Gläubigen ihre Religionsfreiheit aktiv ausüben.
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