Polen: Katholische Universität Lublin eröffnet ein Studienzentrum in Untersuchungshaftanstalt

27. Oktober 2022 in Weltkirche


Erfolgreiche Resozialisierung: bis zu 80% der Absolventen werden nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis nicht mehr kriminell.


Lublin (kath.net/Polnische Bischofskonferenz) Die Katholische Universität Lublin Johannes Paul II. (KUL) hat ein Studienzentrum bei der Untersuchungshaftanstalt in Lublin feierlich eröffnet. - Dieses Zentrum kann allen Justizvollzugsanstalten auf der ganzen Welt als Vorbild dienen - betonte der Rektor der Katholischen Universität Lublin, Pfarrer Prof. Mirosław Kalinowski. - Das Wichtigste für uns ist es, an dem Ort, in dem wir gelandet sind, keine Zeit zu verlieren - unterstreichen die Inhaftierten - neue Studenten der Universität.

Die Eröffnung des akademischen Jahres in der Untersuchungshaft in Lublin begann mit einem Gottesdienst in der Kapelle der Haftanstalt. Danach folgte die Eröffnungsfeier des Studienzentrums von KUL. Diese wichtige Initiative der KUL soll den Strafgefangenen - wie in der zuvor mit dem Zentralvorstand des Strafvollzugsdienstes unterzeichneten Absichtserklärung festgehalten - eine Hochschulausbildung ermöglichen und ihnen wichtige ethische und humanistische Werte vermitteln.
- Das Studienzentrum der KUL wird nicht nur zu einem führenden Zentrum in Polen, sondern kann auch allen Justizvollzugsanstalten auf der ganzen Welt als Vorbild dienen. Hier werden Bildungsprojekte organisiert und Postgraduiertenstudien angeboten - sagte der Rektor der Katholischen Universität Lublin, Pfarrer Prof. Mirosław Kalinowski. Er fügte auch hinzu, dass der Erfolg dieses Vorhabens darin bestehe, dass KUL für die akademischen Prozeduren zuständig ist und der Strafvollzugsdienst für die Sicherheit des ganzen Verfahrens sorgt.

Briefe an die Teilnehmer der Feierlichkeiten richteten der päpstliche Almosenier Kardinal Konrad Krajewski und der Bildungs- und Wissenschaftsminister Przemysław Czarnek. Ersterer erinnerte an die Worte von Papst Franziskus, dass in Vollzugsanstalten "die bloße Schulderlösung nicht ausreicht, sondern es ist notwendig, den Strafgefangenen wirklich zu resozialisieren". - Fehlt die Resozialisierung, wird die Verbüßung einer Strafe lediglich auf ein Instrument der Züchtigung und der sozialen Vergeltung reduziert. Dies wiederum schadet sowohl der jeweiligen Person als auch der Gesellschaft - schrieb Kardinal Krajewski. Der Bildungsminister äußerte die Hoffnung, dass die kommenden Monate eine "Zeit der wissenschaftlichen Entwicklung des Zentrums und seiner außergewöhnlichen Leistungen" sein werden.

Die Eröffnung des Studienzentrums der KUL wurde auch von Vertretern des Strafvollzugsdienstes begrüßt. - Die Teilnehmer "stehen vor einer großen Chance. Alle unter Ihnen, die über die Zukunft nachdenken, jene unter Ihnen, die ihre Zukunft zum Besseren verändern wollen, jene unter Ihnen, die über bestimmte Ressourcen und Potenzial verfügen und vernünftig denken, bekommen eine große Chance. Ich appelliere an Sie, diese Chance zu ergreifen", sagte in seiner Ansprache an die Gefangenen Oberst Krzysztof Stefanowski, stellvertretender Generaldirektor des Strafvollzugsdienstes.

Der Staatssekretär im Ministerium für Staatsvermögen Jan Kanthak wies darauf hin, dass "Arbeit und Bildung die besten Mittel sind, um sich nach der Verbüßung der Strafe in einer neuen Realität gut zurechtzufinden". - Denn die Realität ändert sich jeden Tag, und wenn man diesen Ort verlässt, muss man sich anpassen, muss man diese Realität erkennen. Und diesem Ziel dienen Bildung und Arbeit am besten - argumentierte der Vizeminister und beglückwünschte die Inhaftierten zu ihrer Entscheidung, ein Studium an der Katholischen Universität Lublin aufzunehmen.

Während der Eröffnungsfeier des Studienzentrums der KUL in der Untersuchungshaftanstalt in Lublin, an der auch Bischof Adam Bap von der Erzdiözese Lublin und Frau Professor Susannah Heschel, die Tochter des Patrons des Heschel-Zentrums der KUL, teilnahmen, wurden die Studenten immatrikuliert. Das Studienzentrum der KUL konnte u.a. dank der Unterstützung des Justizministeriums, des Ministeriums für Staatsvermögen und des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft errichtet werden.
Unter den neuen Studenten der Katholischen Universität Lublin befanden sich mehrere Gefangene, die für das erste Jahr des in diesem Jahr eröffneten Studiengangs des zweiten Grades an der Fakultät Familienwissenschaften (Spezialisierung Soziokulturelle Animation) aufgenommen wurden. Diese Spezialisierung entspricht nicht nur den sozialwirtschaftlichen Bedürfnissen (am Arbeitsmarkt), sondern berücksichtigt auch die formalrechtliche Lage der Gefangenen. Eine weitere Spezialisierung, die sich einer großen Beliebtheit unter den Inhaftierten erfreut, ist die Persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderungen.

- Für mich ist die Persönlichkeitsentwicklung sehr wichtig, denn ich möchte keine Zeit verschwenden an dem Ort, an dem ich bin. Ich möchte mich weiterentwickeln, und dies ist bereits mein drittes Studium, denn ich habe schon Jura sowie Wirtschaft und Management gelernt - sagte den Journalisten Maciej, der erzählte, dass die ersten Seminare in Familienwissenschaften denen in Freiheit ähneln. - Wir verwenden Unterrichtsmaterial, das uns von Dozenten, auch von Externen, zur Verfügung gestellt wird, und wir haben auch Zugang zur Bibliothek - sagte er.

- Das wird eine wichtige Erfahrung für mich sein, ich möchte etwas Neues in meinem Leben, wenn ich schon im Gefängnis bin. Ich möchte nicht, dass meine Zeit hier vergeudet wird - fügte Piotr hinzu, der in der Vergangenheit studiert hat, allerdings schon vor 30 Jahren.

Den Eröffnungsvortrag "Warum nach den tragischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts heute im Osten Europas wieder ein bewaffneter Konflikt ausgebrochen ist" hielt Pfarrer Prof. Marcin Składanowski vom Institut für Theologische Wissenschaften. Für die musikalische Umrahmung der Feierlichkeiten sorgte der Chor der Katholischen Universität Lublin.

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Seit 2013 haben fast 30 Personen, die eine Freiheitsstrafe in der Untersuchungshaft in Lublin verbüßen, ihr Studium an der KUL abgeschlossen. Dies ist ein einzigartiges Unterfangen, das mit seinen Resozialisierungsergebnissen bestätigt wird - bis zu 80% der Absolventen werden nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis nicht mehr kriminell.

Die Vorbereitungen für die Eröffnung des Studienzentrums von KUL in der Untersuchungshaftanstalt in Lublin begannen im April dieses Jahres.

Die Aufnahme eines Studiums durch Personen, die eine Freiheitsstrafe verbüßen, wirkt sich - wie wissenschaftliche Untersuchungen und die Erfahrungen aus der Durchführung der akademischen Ausbildung in Haftanstalten und Gefängnissen zeigen - positiv auf die Häftlinge aus. Das Studieren stärkt ihr Würde- und Selbstwertgefühl, gibt ihnen das Gefühl, ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein, und vertieft ihr Wissen und ihre Kompetenzen, die sie nach dem Ende ihrer Strafe nutzen können. Das Lernen unter Leitung von Dozenten lehrt auch Einfühlungsvermögen, Kooperation und Verantwortung und fördert die Bereitschaft, begangene Straftaten wiedergutzumachen.

Foto: In einer Graduierungsfeier der Untersuchungshaftanstalt (c) Katholische Universität Lublin


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