Zuversichtlich und fröhlich über die Klippen springen

2. November 2022 in Kommentar


Otti's Optik: "Deutschland, Deine Diözesen", Teil 3. Aachen, Essen, Paderborn - Von Franz Norbert Otterbeck


Linz (kath.net)

Es war einmal ein Bonmot, in der guten alten Zeit: 'Schwarz, schwärzer, Paderborn.' Heute witzelt mancher: Schlaff, schlaffer, Becker. Der Große Vorsitzende der Deutschen Demokratischen Bischofskonferenz, auch irgendein Name mit B, sieht das ganz anders. Bei der Verabschiedung des Erzbischofs von Paderborn am 23. Oktober brach er in die geflügelten Worte aus: "Den Mut, nach vorne zu schauen, über die Klippen zu springen, und zuversichtlich und fröhlich nach der Vision einer Kirche von morgen zu fragen. Das hast Du uns vorgemacht." Hajo der Fröhliche hat uns zuversichtlich vorgemacht, über die Klippen zu springen? So kamen mir die Schnarch- und Sabbatjahre in Paderborn nicht vor. Aber wer bin ich zu urteilen? Im Periodensystem der deutschen Diözesen steht Pb doch für 'plumbum', Blei! Über die Klippen zu springen ist jedenfalls keine Heldentat, sondern ein besonders exotischer Suizid. Das Fleißkärtchen vom lieben Georg bekam der liebe Hans-Josef wohl vor allem für seine totale Ergebenheit beim Synodalen Suizid: Fröhlich nach vorne schauen. Da erwartet uns die Vision der Kirche von morgen. Leer, leerer, Paderborn.

Die Kirche ist für die Menschen da. Genauer gesagt: Für die Menschen, die sie bezahlt. Wer aus dem aberwitzigen Vermögen des Erzbistums Paderborn ein Gehalt bezieht, der hat dort auch mehr und mehr Rechte. Für das Nachfolgeverfahren des ausgeschiedenen Erzbischofs ist eine so gen. "Laienbeteiligung" im rechtsfreien Raum verabredet. Die beteiligten Laien müssen sich keineswegs durch Glaubenseifer oder Sittenstrenge auszeichnen. Will man so sicherstellen, dass irgendein homophiles Würstchen den Erzstuhl erklimmt? Um so sicherzustellen, dass die Wohltaten des kirchlichen "Arbeitsrechts", so lange Vorrat reicht, an 'die Richtigen' ausgereicht werden? Regenbogen über den Paderquellen? Wir wissen es nicht. Wahrscheinlich werden wir den jovialen und mitunter selbstironischen "Leistungsträger" H.J. Becker noch sehr schmerzlich vermissen, wenn nämlich auch im ostwestfälischen Reiche Libori irgendein 'Graf Koks' als Erzwischmopp regieren wird. In der jüngeren Vergangenheit hat Paderborn immerhin vier Kardinäle hervorgebracht, besonders profiliert: Paul-Josef Cordes. (Leider muss man Münchens Murx mitzählen, das überbreite Multitalent aus Geseke (PB).) Das wird nicht wieder vorkommen.

Wir hatten Verwandte im Sauerland und in Dortmund, weshalb ich das Erzbistum Paderborn tatsächlich am drittbesten kenne. Ich mochte den Dom und die Marktkirche. Eine Tante verehrte besonders das Gnadenbild von Hallenberg. Der Schwerenöter W.F. Rothe stammt von da. Er wird sich an den Charme der Muttergottesfigur seiner Heimat noch erinnern. Es nützt nur nichts mehr. Diese Abnutzung macht uns schwer zu schaffen: Eigentlich religiöse Aussagen finden kaum noch Eingang in solche Abschiedsreden wie oben zitiert. Selten noch in Predigten. Das deutschkatholische Personal faselt allerorten nur noch von der Kirche, die um sich selbst kreist, ihre Zukunft "entwirft", Konzepte und Modelle ausbrütet, aber nichts mehr vermittelt, insbesondere: keine Gnade. "Wir sind für die Menschen da!" Das kann man richtig meinen, aber so isoliert formuliert ist das eine seltsam groteske Phrase. Auch Bushaltestellen und öffentliche Mülleimer sind für die Menschen da, Telefonzellen und Generalvikariate nicht mehr lange. Die "Veränderung" der deutschen Diözesen in hypertroph selbstreferenzielle Apparate, mit eigener interner Sprache, eigenen Gewohnheiten auch in Wirtschaft und Verwaltung, soll aber fröhlich und zuversichtlich fortgesetzt werden. Bis dann äußere Ereignisse die materielle Insolvenz erzwingen werden, der die spirituelle Insolvenz ja schon jetzt vorauseilt. "Ego me insolvo?" Die Implosion ist mancherorts längst erreicht, wird aber diskursiv noch verheimlicht. Nur wer Zugang zum kommunikativen "Sicherheitstrakt" gefunden hat, der darf auch den Geldspeicher betreten. Aber wie lange noch?

Zum Korb der NRW-Diözesen gehören auch Aachen und Essen, zwei späte "Fehlgeburten" sozusagen. In Aachen hatte bereits Napoleon eine Diözese errichten lassen. Man kam dann auf die Idee, von dem als zu groß empfundenden Erzbistum Köln ein neues Bistum Aachen abzuteilen. Das Ereignis fiel 1930 in die Amtszeit des aus Paderborn nach Köln berufenen Kardinals Schulte. Nuntius Pacelli wird an dem Vorgang beteiligt gewesen sein, der vielleicht "gute Katholiken" vor den liberalen Einflüssen aus der Großstadt Köln bewahren sollte. Vergebens. Denn "nachkonziliar" wurde Aachen dann von zwei wohlmeinenden, aber überforderten Bischöfen plattgemacht. Platt, platter, Aachen. Der spirituell eindrucksvolle Klaus Hemmerle scheute unangenehme Entscheidungen. Von Mussinghoff, einem Import aus Münster, ist mir nur der Bluthochdruck in Erinnerung geblieben, der seine Physiognomie prägte. Dieser Helmut, der da jetzt amtiert, ist eigentlich kein Bischof mehr im Sinne des jüngsten Konzils, allerdings wurde er neulich im "Konklave" zu Fulda zum neuen Persil-Beauftragten in Missbrauchsfragen gekürt. Georg Bätzing hatte ihm ja schon mit einer Waschmaschine im Bild "videotisch" zum runden Geburtstag gratuliert. Warum im Missbrauchsressort die Trierer Exzellenzen so glänzen, das wird der Trierer Zirkel ziemlich genau einschätzen können. Wir werden sehen, ob Aachen in diesen schwierigen Angelegenheiten noch neue Maßstäbe setzt. Mussinghoff war dieses Thema jedenfalls ziemlich peinlich. Warum nur?

Das Bistum Essen hat eigentlich gar keine Funktion mehr. Es dient vor allem dazu, dass der Generalvikar seinen ultraprogressiven Pfefferspray prominent versprühen kann. Der Bischof ist, nach glaubhaft verbreitetem Zitat, vor allem stolz auf seinen Bischofsstab. Kein Wunder, er war Zögling der Gregoriana. Anscheinend ist das eine ebenso atomwaffenfreie wie moralfreie Zone in Rom.

Essens Bistum wurde 1958 von Papst Pius XII. als "Ruhrbistum" gegründet, kurz vor Beginn des Zechensterbens. Manche Prognose dafür, warum und wo ein Bistum neu gegründet werden müsse, erweist sich schnell als sehr kurzsichtig. Das gilt auch für die Neuordnung der deutschen Diözesen von 1994. Die "Kirche von morgen" teilt sich im Heute nunmal nur sehr fragmentarisch mit. "Essen" verschaffte seinem ersten Bischof, dem späteren Kardinal Hengsbach, eine erstaunliche Popularität. Auch er: ein Import aus Paderborn. Die oben erwähnte Tante von mir, die bei einem Konveniat immer Kaffee und Kuchen kredenzte, ärgerte sich nachhaltig über die Arroganz und Eitelkeit des Franz Hengsbach, der aus einer Gastwirtschaft in Velmede herstammte, die noch heute so heißt. Denn Hengsbach nahm schon damals ganz selbstverständlich den breitesten Sessel für sich in Anspruch.

Trotzdem hatte Essen noch Glück mit seinem ersten Bischof Franz. Sämtliche Nachfolger versagten kolossal. Luthe tat nichts, Genn zunächst des Guten zu viel und genießt seit 2009 sein Exil in Münster. Über Overbeck gebietet es der Anstand zu schweigen, auch ohne dass wir, Gott sei Dank, trotz Namensähnlichkeit, verwandt oder verschwägert sind.

Für Essen sehe ich nur noch eine Lebensdauer von fünf Jahren, für Aachen vielleicht zehn Jahre und für Paderborn noch etwa fünfzehn. Mit "Lebensdauer" ist fraglos nicht die formelle Existenz gemeint. Die kann mit "Buchhaltungstricks" noch reichlich verlängert werden, solange das Kirchensteuersystem hält. Aber kirchliches Leben aus den Sakramenten, bußfertig und liebesfähig, in Glaube, Hoffnung und Liebe, bei Gebet und Arbeit, in Familien und Gemeinden, wird dort kaum je länger anzutreffen sein. Der professionelle Beschäftigungssektor erstickt im Namen Jesu - "auf sein Wort hin!" - die Wirkungskraft des Wortes Gottes. Themen des "synodalen Weges" hätten sein müssen: 1) Gott, 2) Christus, 3) Seine Kirche, möglicherweise auch "Gottesgemeinschaft, Glaubensteilhabe, Weltmission". Nicht aber dieser Missbrauch des "Missbrauchs", zur Durchsetzung der Berufsinteressen des Konfessionsblocks, gegen das gläubige Volk und die kirchlichen Stände, den auch nicht immer ganz heiligen "Rest". Der sich aber noch müht, vom Falle Adams aufzustehen. Davon kann leider in Aachen, Essen und Paderborn kaum mehr die Rede sein. Trotz einiger hoffnungsfroher Ansätze, die in der Kraft des Heiligen Geistes immer wieder erblühen. Auch wenn die diözesanen Strukturen mehr und mehr auf Glaubenserschütterung und speziell auf die Vernichtung geistlicher Berufe hin "verändert" werden. Denn: der Geist weht wo er will, sogar im windstillen Paderborn.


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