"Selbstverschuldete Selbstauflösung: Bistum Trier will jede dritte Kirche schließen"

3. November 2022 in Kommentar


"Ausverkauf zu Schleuderpreisen." Gastbeitrag von Peter Hahne


Trier (kath.net) Ob ich die traurige Meldung nicht kommentieren wolle, bat mich ein geschätzter Kollege von Tichys Einblick. Doch wie kommt es, dass ich gar nicht traurig bin? Besser: Ich bin nicht überrascht, weil kommen musste, was jetzt eingetroffen ist. Es ist quasi die logische Bilanz einer selbstverschuldeten Selbstauflösung: In Trier, dem ältesten Bistum Deutschlands, soll jede dritte Kirche geschlossen werden. Tabula rasa! Der Grund: Die massenhaften Austritte haben die Einnahmen schrumpfen lassen. Die Gebäude, aber auch das Personal und die bunte Diversität der kirchlichen Einrichtungen sind nicht mehr zu bezahlen.

Warum erschüttert mich das nicht? Nehmen wir die badische Großstadt Mannheim. Dort titelten bereits Anfang des Jahres die großen Zeitungen: „Mannheim – bald die Stadt ohne Kirchen?“ Ein Gotteshaus nach dem anderen wird dicht gemacht, katholisch wie evangelisch. Die Moscheen schießen jedoch wie Pilze aus dem Boden. 32 evangelische Kirchen gibt es in der legendären Quadratestadt, nur 12 können noch erhalten werden. Besser: gehalten.

Gewarnt wurde bereits vor zwei Jahren von kompetenter Stelle: Etwa ein Drittel aller Kirchengebäude in Deutschland wird im Jahr 2060 nicht mehr gebraucht. Das prognostizierte der Direktor des Instituts für Kirchenbau an der Universität Marburg, Prof. Thomas Erne. Jede der beiden großen deutschen Konfessionen unterhält rund 25.000 Kirchengebäude. Wer überraschend einen Gottesdienst besucht, erlebt meist eine erschreckend gähnende Leere. Dagegen sprießen vor allem in Städten freikirchliche, oft ökumenisch ausgerichtete Projekte. Sie können den Andrang kaum bewältigen, machen ihren Gottesdienst in Kino- oder Theatersälen oder bauen große Gemeindezentren. Während es den etablierten Kirchen ähnlich geht wie den Altparteien in der Politik: Mitglieder wie Wähler wandern enttäuscht ab.

Das war alles vorauszusehen. Es ist keineswegs (nur) der Missbrauchskandal, der die Katholiken ausbluten lässt. Nein, die Protestanten verlieren ebenso viele Mitglieder, oft sogar mehr. Und es sind alles andere als nur finanzielle Gründe, die den Exodus beschleunigen, der nun buchstäblich zum Exitus führt.

Bei den Katholiken erleben wir etwas, was Marketing-technisch und Unternehmens-strategisch weltweiten Seltenheitswert hat. Das ist so absurd, dass man es nicht in Worte fassen kann: Zur Erneuerung, zur Wiedergewinnung verlorener Mitglieder oder deren Festhalten nimmt der katholische Klerus Maß ausgerechnet an der evangelischen Kirche, die all das praktiziert, was man gerne hätte, und dabei Millionen von Mitgliedern verloren hat.

Das wäre so, als würde sich der Drogeriemarkt Rossmann strategisch an den insolvent gegangenen Schlecker-Märkten orientieren. Irre! Wer sich von den Methoden eines Pleiteunternehmens Erfolg verspricht, darf sich nicht wundern. Trier lässt grüßen. Die Protestantisierung der katholischen Kirche führt zum gleichen Ergebnis wie in der Politik die Vergrünung der ehemals Schwarzen: Man halbiert sich.

Der „Synodale Weg“ ist der Totengräber des Katholizismus. Hier werden Millionen von Kirchensteuern zum Fenster hinaus geworfen, um der Kirche das „Erfolgsmodell“ des Luthertums überzustülpen. Diese ewige Leier von Homoehe, Regenbogen-Pfarreien, Frauenpriestertum oder Abschaffung des Zölibats gibt’s bei den Grünen, bei der queeren Bewegung oder der AOK und dem ADAC billiger. Dafür braucht kein Mensch die Kirche.

„Aber als sie am dringendsten gebraucht wurde“, so die beiden linksliberalen Kollegen Stefan Aust (Ex-Spiegel-Chef) und Heribert Prantl (Ex-Süddeutsche-Chef), „hat uns die Kirche im Stich gelassen.“ Wer alte Menschen ungetröstet sterben und in Einsamkeit verkümmern lässt, den will und braucht niemand mehr. Die letzten zwei „Corona-Jahre“ waren der letzte Beweis. „Singen von den Balkonen“ war das Einzige, was den Ober-Klerikalen einfiel. Ein Verbrechen, sich in vorauseilendem Gehorsam den Staatsorganen anzubiedern und anzudienen, statt sich zur „systemrelevanten Organisation“ erklären zu lassen. Jetzt kommt die Quittung!

Wenn selbst manche Spitzen-Evangelikale inzwischen unter einem ökumenischen Frauenkreis die Zusammenarbeit mit Muslimen verstehen, na dann: gute Nacht. Und war nicht der vom ZDF übertragene offizielle kirchliche Beitrag zum Tag der Deutschen Einheit vor wenigen Wochen im Dom zu Erfurt der letzte Beweis, wohin die Reise der Restbestände des organisierten Christentums geht?!

Man nannte ihn etikettenschwindlerisch einen „ökumenischen Gottesdienst“, in Wahrheit war es „Erfurter Allerlei“, ein ideologisch-absurdes Theater von Evangelen, Katholen, Atheisten, Juden, Humanisten und Muslimen. Alles redete und betete durcheinander, Quer-Beet sozusagen. Mehr Selbstaufgabe und Selbstzerstörung geht nicht. Die Bonhoeffers und von Galens, die Dibelius’ und Dybas drehen sich doch im Grabe herum.

Jetzt ist es allzu logisch, dass man die überflüssigen Kirchen doch unter den Erfurter „Glaubensrichtungen“ getrost aufteilen kann. Jeder bekommt Anteil am Schlussverkauf. Wenn ohnehin alles dasselbe ist. Doch wer nach allen Seiten offen ist, kann doch nicht ganz dicht sein. Jetzt fehlt sogar das Geld für Dach-Reparaturen.

Ich kenne genug evangelische und katholische Gemeinden und Pfarrer, die ein Rezept haben, wie man Dome und Kathedralen, Dorfkirchen und Gemeindehäuser wieder mit Leben erfüllen und mit Menschen füllen kann: das pure Evangelium predigen, lebensnah und bibelorientiert. Jesus statt Marx, Maria statt Greta.

Wenn Bischöfe in Jerusalem beim Betreten einer Moschee das Kreuz verleugnen oder Greta in die Trias von Vater, Sohn und Heiligem Geist einreihen, dann erweisen sich Glaubensnotstand und Bildungsnotstand als zwei Seiten derselben Medaille. Sowas braucht kein Mensch, der bei Trost ist. Oder – den Regenbogen dort lassen, wo er biblisch und heilsgeschichtlich hingehört seit tausenden von Jahren: zu Noah, der jeweils zwei Geschlechter mit auf seine Arche nahm. Wer heute den Genderstern verwendet, verharmlost morgen die Pubertätsblocker. Wer heute Winnetou verbietet, verbietet morgen die Bibel.

Wozu braucht man da noch Kirche. Hat Thomas Gottschalk nicht recht, als er unlängst mit heiligem Ernst spöttisch witzelte: „Die Kirche und die ARD braucht niemand mehr!“

Merken Christen eigentlich nicht, was los ist, was die Stunde geschlagen hat?! Zurück zu den Wurzeln ist die einzige Methode für eine innere Reformation, um nach außen wieder Strahlkraft zu erlangen. Den Markenkern zum Leuchten bringen: Hoffnung über den Tod hinaus, Seelsorge und Mission.

Und schafft endlich diese furchtbare, tödliche, einmalig in Deutschland vom Staat kassierte Kirchensteuer ab! Werdet im Sinne der beiden lebenden Päpste eine „arme Kirche“. Abhängig von Jesus, nicht vom Fiskus. Kirchensteuer finanziert jeden Irrsinn, der bei einer spenden-orientierten Kirche wie in den USA längst im Nirwana verschwunden wäre: Kirchentage, die schlimmer sind als jeder Links-Konvent. Dieser elende synodale Irr-, Holz- und Abweg. Dieser Ausverkauf von Glaubenssubstanz als Ramschware zum Schleuderpreis.

Einziger Ausweg für die Finanzen wäre das Rezept eines der profiliertesten Kenner der Kirchenszene seit 50 Jahren, des langjährigen Chefs der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA, Helmut Matthies: Das Geld muss bei den Gemeinden bleiben und dort vor Ort verantwortlich verwaltet werden, losgelöst von klerikalen Religionsbehörden. Dies und andere Reform-Vorschläge legt er überzeugend in seinem Buch „Gott kann auch anders“ dar.

Ja, weder Trier noch Mannheim und wie die Orte alle heißen müssten nur eine einzige Kirche schließen, wenn wieder drin wäre, was drauf steht: Biblische Lehre statt Glaubens- und Bildungs-Leere. Mogelpackungen braucht kein Mensch. Da sucht man sich lieber das Original.

Wie der Chef der Tageszeitung „Welt“, Ulf Poschardt, der nach dem Besuch eines Weihnachtsgottesdienstes twitterte: „Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den #Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?“ Tja, dafür braucht man keine Kirche (mehr). Schade, dass sie sich selbst überflüssig macht. Traurig!

Wie zur Bestätigung titelte unlängst die Welt am Sonntag das Zitat eines Pfarrers: „Wir müssen uns allmählich daran gewöhnen, dass niemand mehr nach uns fragt.“  Ein hoch bezahlter Pfarrer sagt das, kein Soziologe oder Atheist oder Links-Politiker. Wer sich selbst aufgibt, hat kein Existenzrecht mehr.

Und fragt wirklich niemand mehr nach Christen und ihrer Botschaft? Ich sprach letzten Sonntag in einem kleinen Dorf am Sachsenring in einem Gottesdienst für Landwirte. Kaum groß Werbung, alles unter freiem Himmel bei Regenwarnung. Mehr als 1.800 Leute strömten herbei. Scharen junger Leute, ganze Familien. Die bewegenden Bilder werden mir nie mehr aus dem Kopf gehen. Programmatisch das dort gesungene Lied: „Es geht ohne Gott in die Dunkelheit …“ Wo die Kirche vergessen hat, dass sie Gott vergessen hat, ist es zappenduster.


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