Papst setzt Leitung des Caritas-Weltverbandes ab

23. November 2022 in Aktuelles


Organisationsberater Pier Francesco Pinelli zum außerordentlichen Kommissar von "Caritas internationalis" ernannt - Hintergründe sind offenbar Spannungen im römischen Generalsekretariat des Dachverbands


Vatikanstadt/Rom  (kath.net/KAP) Papst Franziskus hat überraschend die gesamte Leitung des Welt-Caritas-Dachverbands "Caritas internationalis" mit sofortiger Wirkung abberufen. Gleichzeitig ernannte er am Dienstag per Dekret den Organisationsberater Pier Francesco Pinelli zum außerordentlichen Kommissar der Organisation. Das teilte das vatikanische Presseamt mit. Hintergründe sind offenbar Spannungen im römischen Zentralbüro von "Caritas internationalis" (CI).

"Mit dem Inkrafttreten dieser Maßnahme scheiden die Mitglieder des Vertretungsrates und des Exekutivrates, der Präsident und die Vizepräsidenten, der Generalsekretär, der Schatzmeister und der kirchliche Assistent aus ihren jeweiligen Ämtern aus", heißt es in dem Dekret weiter. Seit 2015 stand der philippinische Kurienkardinal Luis Antonio Tagle (65) als Präsident an der Spitze der Organisation. Das Amt des Generalsekretärs übte seit 2019 der aus Indien stammende Franzose Aloysius John aus.

Der international tätige Berater und Manager Pinelli wird in seiner Aufgabe unterstützt von Maria Amparo Alonso Escobar, einer langjährigen Caritas-Mitarbeiterin und Kampagnen-Managerin, und dem portugiesischen Jesuiten Manuel Morujao. Die drei sollen für eine Aktualisierung der Statuten und Regeln von "Caritas Internationalis" sorgen, "um deren Funktionalität und Effektivität zu verbessern und die Organisation bei der Vorbereitung der nächsten Generalversammlung zu unterstützen". Diese solle samt Wahl einer neuen Leitung turnusgemäß im Mai 2023 stattfinden.

Bei der Erstellung aktualisierter Statuten und Regeln werde Pinelli darüber hinaus vom bisherigen Präsidenten Kardinal Tagle unterstützt, so das Dekret weiter. Die kommissarische Führung werde in Abstimmung mit dem von Kardinal Michael Czerny geleiteten vatikanischen Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung handeln.

Das Entwicklungs-Dikasterium gab in einer zusätzlichen, erklärenden Mitteilung bekannt, dass der päpstlichen Entscheidung eine "Überprüfung der Tätigkeit durch ein unabhängiges Gremium" vorausgegangen sei. Pinelli sei an dieser Überprüfung bereits beteiligt gewesen. Es sei vor allem das Arbeitsumfeld bei "Caritas Internationalis" im Generalsekretariat und dessen "Übereinstimmung mit den katholischen Werten der Menschenwürde und der Achtung vor jedem Menschen" untersucht worden.

Dabei sei es nicht um Vorwürfe des finanziellen Missmanagements oder um verfehlte Fundraising-Ziele gegangen, auch habe es keinen Nachweis sexuellen Fehlverhaltens gegeben. "Es wurden echte Mängel im Management und in den Abläufen festgestellt, die den Teamgeist und die Arbeitsmoral der Mitarbeiter ernsthaft beeinträchtigen", so die Erläuterung der Entwicklungsbehörde.

Die Bedürfnisse der vielen Menschen, denen die Caritas diene, hätten deutlich zugenommen, erklärte der Leiter der Entwicklungsbehörde, Kardinal Michael Czerny. Auf diese Herausforderung müsse die Dachorganisation gut vorbereitet sein. Letztlich solle die Zusammenarbeit mit den rund 160 Mitgliedsorganisationen weltweit verbessert werden, um der Erfüllung des Auftrags, dem Dienst an den Ärmsten und Bedürftigsten, gerecht zu werden.

Pinelli: Prozess der "Versöhnung"

Der außerordentliche Kommissar Pinelli äußerte sich am Dienstag auch bei einer "Caritas internationalis"-Konferenz, zu der in dieser Woche führende Vertreter der Caritasverbände aus aller Welt in Rom versammelt sind. Pinelli habe dabei betont, dass es um einen Prozess der "Versöhnung" in den römischen Strukturen des CI-Generalsekretariats gehe, berichtete Österreichs Caritas-Präsident Michael Landau auf Anfrage der Nachrichtenagentur Kathpress. Landau ist seit mehreren Jahren auch Präsident von "Caritas Europa".

Sowohl die Kardinäle Tagle und Czerny, als auch die hochrangige Kurienvertreterin Sr. Alessandra Smerilli, Nummer zwei der vatikanischen Entwicklungsbehörde, hätten bei der aktuellen Konferenz in Rom zudem sehr klar ihre Wertschätzung für die Caritas und ihre Arbeit in aller Welt zum Ausdruck gebracht, sagte Landau. Man müsse nun die nächsten Schritte abwarten. Er gehe davon aus, dass es einen konstruktiven Prozess rund um die Arbeitsstrukturen des Generalsekretariates geben werde.

Im 1951 gegründeten Dachverband "Caritas Internationalis" sind heute 162 eigenständige nationale Caritas-Verbände und katholische Wohlfahrtsorganisationen zusammengeschlossen, die in 200 Ländern weltweit tätig sind. Aufgabe von "Caritas Internationalis" ist vor allem die Koordinierung von Hilfsaktionen und Entwicklungsprogrammen auf weltkirchlicher Ebene. Der Geschäftsführende Direktor der Caritas der Erzdiözese Wien, Alexander Bodmann, fungierte seit 2015 als Schatzmeister des Caritas-Weltdachverbands.

Die bislang letzte Generalversammlung tagte 2019 und beschloss umfangreiche neue rechtliche Rahmenbedingungen. Seitdem untersteht die internationale Organisation der vatikanischen Entwicklungsbehörde, dem sogenannten Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung.

 

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