Schönborn: Russland betreibt "gezielte Vernichtung" der Ukraine

26. November 2022 in Österreich


Kardinal in Gratiszeitung "Heute": "Ich denke ständig an die zahllosen Alten, Kinder und Kranken, die Krieg und Kälte wehrlos ausgeliefert sind" - Kiewer Weihbischof schildert dramatische Lage vor Ort - Aufruf zu weiterer Hilfe.


Wien (kath.net/KAP)

Mit scharfen Worten hat Kardinal Christoph Schönborn am Freitag in seiner Kolumne in der Gratiszeitung "Heute" den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilt: "Man muss es beim Namen nennen: Das ist gezielte Vernichtung! Ich denke ständig an die zahllosen Alten, Kinder und Kranken, die Krieg und Kälte wehrlos ausgeliefert sind", so Schönborn wörtlich. Nachsatz: "Wann endet dieses himmelschreiende Unrecht?"

Dieser Tage habe etwa die Weltgesundheitsorganisation darauf hingewiesen, dass es bisher 700 gezielte russische Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen der Ukraine gegeben hat, gegen alles humanitäre Völkerrecht. Das sei, so die WHO, "die größte Attacke auf die Gesundheitsversorgung auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg".

Systematisch werde die Energieversorgung der Bevölkerung durch russische Raketen zerstört. Hunderttausende Haushalte, Schulen, Krankenhäuser seien ohne Strom und ohne Heizung, und das bei bitteren Minustemperaturen. Es sei mit vielen Kältetoten zu rechnen. Hinzu kämen Folter, Vergewaltigungen, Erschießungen. - Angesichts des Grauens appellierte Schönborn an alle Menschen in Österreich: "Lassen wir bitte nicht nach im Helfen!"

 

"Ganzes Land leidet"

Über die äußerst schwierigen Zustände in der Ukraine berichtet aktuell der Weihbischof von Kiew-Zhytomyr, Oleksandr Yazlovetskiy, in einem Interview mit "Radio Vatikan". Ganze Städte würden derzeit nach der Zerstörung von bereits 30 Prozent der Energie-Infrastruktur des Landes und des weiter anhaltenden massiven Angriffs Russlands in verschiedenen Landesteilen aufgrund des Zusammenbruchs des Stromsystems im Dunkeln liegen. Auch die Heizung, die Wasserversorgung, das Internet und das Telefonnetz funktionierten in Folge nicht. Um vor neuen russischen Raketenbeschüssen zu warnen, seien derzeit handbetriebene Sirenen und Lautsprecher im Einsatz.

Unter derartigen Zuständen leide derzeit die ganze Ukraine, sagte Yazlovetskiy. In der Hauptstadt Kiew, wo der Strom schon zuvor rationiert und immer wieder stundenweise abgeschaltet war, seien am Donnerstag 70 Prozent der Bewohner ohne Elektrizität gewesen. Die Menschen müssten somit in den ganzen Tag über in der Kälte ausharren, auch Familie und ältere Menschen. Alle seien verängstigt und erschöpft vom monatelangen Krieg und der ständigen Suche nach einem sicheren Zufluchtsort. "Das ganze Land wird bombardiert. Und alles steht still: U-Bahnen, Busse, Verkehrsmittel. Diejenigen, die an Gott glauben, beten", erklärte der Weihbischof.

Der Staat und die Kirchen in der Ukraine würden Hand in Hand arbeiten, um die Notlage zu bewältigen, doch viel benötigtes Material sei nur schwer zu bekommen. Vor allem Generatoren sind Mangelware, die zur Wärme- und Lichterzeugung benötigt werden. "Wir versuchen, Generatoren zu kaufen, aber in der Ukraine gibt es keine mehr, die Läden auch in angrenzenden Ländern sind leergeräumt", so Bischof Yazlovetskiy. In den großen Städten habe die Regierung einige Heizungsstellen eingerichtet, wo Menschen Licht, Internetanschluss und vor allem ein wenig Wärme finden könnten.

Ein wichtiger Bezugspunkt ist für viele Menschen in der Ukraine die Kirche mit den beiden Caritasverbänden der römisch-katholischen beziehungsweise der griechisch-katholischen Kirche. Yazlovetskiy zufolge würden derzeit Lebensmittel, Decken und Einkaufsgutscheine verteilt. "Jede Pfarre ist zu einer kleinen Caritas geworden." Hilfe aus dem Ausland sei dringend nötig: Der Weihbischof appellierte hier vor allem zum Gebet, "und, wenn Sie können, indem Sie einen Generator für unsere Leute kaufen oder vielleicht einige Familien aus der Ukraine aufnehmen".

 

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Foto: Christoph Kardinal Schönborn (C) Erzdiözese Wien


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