29. November 2022 in Spirituelles
Nuntius: Die Kerzen des Adventskranzes „mögen uns daran erinnern, im Alltag unsere Herzen der Gnade des Heiligen Geistes zu öffnen, indem wir Zeiten der Stille halten und uns im Gebet auf die willkommene Begegnung mit dem Herrn Jesus vorbereiten."
Berlin (kath.net/pl) kath.net dokumentiert die Predigt S.E. Apostolischer Nuntius Erzbischof Dr. Nikola Eterović am 27. November 2022 zum 1. Adventssonntag 2022 in voller Länge und dankt für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung – Jes 2,1-5; Ps 122; Röm 13,11-14; Mt 24,37-44
„Seid also wachsam“ (Mt 24,42)
Liebe Schwestern und Brüder,
mit diesem Sonntag beginnt die Adventszeit, jene vierwöchige Periode, wo wir uns auf das Hochfest von Weihnachten vorbereiten, den Tag der Geburt unseres Herrn Jesus Christus. Die Kirche ermuntert, uns gut auf diese große Heilsereignis vorzubereiten: Gott ist nicht weit von den Menschen im Himmel geblieben, sondern er wollte einer von uns werden und wurde in der Fülle der Zeit Mensch, in allem uns gleich, ausgenommen die Sünde (vgl. Hebr 4,15). Mit dem Advent beginnt die Lektüre des Matthäusevangeliums, das uns vor allem im liturgischen Lesejahr A begleiten wird und das mit diesem ersten Adventssonntag beginnt (I). Dieses Evangelium, wie auch die beiden anderen biblischen Lesungen, die wir gehört haben, drängen uns zu einer freudigen Erwartung der Ankunft des Herrn Jesus (II).
1. Matthäus „stand auf und folgte ihm nach“ (Mt 9,9).
Nach der Tradition der Kirche wird das erste der Evangelien dem Apostel Matthäus zugeschrieben, der auch Levi genannt wird, jener Zöllner, der ein Jünger Jesu geworden war. Der Autor des Evangeliums hat mit diesen Worten seine Berufung geschildert: „Als Jesus weiterging, sah er einen Mann namens Matthäus am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge mir nach! Und Matthäus stand auf und folgte ihm nach“ (Mt 9,9). In diesem Kapitel wird schon einer der wichtigen Begriffe des Matthäusevangeliums genannt: Barmherzigkeit. Dem Vorwurf, er esse mit Zöllnern und Sündern, entgegnet Jesus mit Autorität: „Geht und lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer! Denn ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder“ (Mt 9,13).
Das Matthäusevangelium war schon im ersten Jahrhundert nach Christus verbreitet. Ursprünglich war es auf Aramäisch verfasst, der Umgangssprache zur Zeit Jesu. Uns ist es in der griechischen Version überliefert. Das Evangelium beginnt mit der Genealogie des Herrn Jesus und einigen Berichten aus seiner Kindheit. In der Folge entfaltet Matthäus den reichen Inhalt der Lehre Jesu Christi in fünf langen Reden, die an die fünf Bücher der Tora des Mose erinnern: die Seligpreisungen, die Antithesen (Ihr habt gehört …. Ich aber sage euch), die Wunderberichte, andere Reden und Erzählungen und die Berichte über das Ostergeheimnis vom Leiden, Tod und der Auferstehung des Herrn Jesus. Der Evangelist Matthäus betont außerdem die endzeitliche Dimension, den Willen Jesu, seine Kirche auf das Fundament der Apostel zu gründen, vor allem auf Simon Petrus. Mit seinem Werk bringt Jesus die Heilsgeschichte Israels zur Erfüllung, die in den Büchern des Alten Testamentes beschrieben ist, und er vollendet den Heilsplan Gottes. Die einzelnen Aspekte können wir im Verlauf des liturgischen Jahres noch bedenken.
2. „Seid also wachsam“ (Mt 24,42).
Der Advent ist die Zeit der Erwartung auf die Ankunft des Messias, auf Jesus Christus, unseren Heiland. Der Prophet Jesaja beschreibt die Eigenschaften, die den Messias auszeichnen sollen. Er selbst wird der wahre Tempel sein, nicht mehr der in Jerusalem. Das erinnert an die Aussage Jesu: „Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ (Joh 2,19). Nur der Herr Jesus war imstande, alle Völker zu sammeln und Gerechtigkeit aufzurichten: „Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen und viele Völker zurechtweisen“ (Jes 2,4). Der Messias wird den wahren Frieden bringen: „Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg“ (Jes 2,4). Die Prophezeiung vom Frieden muss die Christen immer wieder beseelen, denn der Friede ist zuallererst eine Gabe Gottes, auch in den dunklen Zeiten der Geschichte, die von Gewalt und Krieg gekennzeichnet sind. Denken wir an die Tragödie, die das ukrainische Volk derzeit erleidet. Das erinnert an die stalinistische Logik, welche dieses Volk schon in den 1930er Jahren durch Hunger ausrotten wollte. Und jetzt wird es vor den Augen der ganzen Welt durch die Winterkälte versucht, indem man die Energieinfrastruktur des Landes zerstört. Wie bedeutsam sind aktuell die Worte des Propheten: „Haus Jakob, auf, wir wollen gehen im Licht des HERRN“ (Jes 2,5).
Auch der heilige Paulus verwendet das Symbol des Lichtes, um die Christen zur Wachsamkeit aufzurufen: „Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts“ (Röm 13,11-12). Der Völkerapostel erläutert, was es bedeutet, die Werke der Finsternis abzulegen, indem er dazu aufruft, sich ehrenhaft zu verhalten, wie am hellen Tag, „ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Unzucht und Ausschweifung, ohne Streit und Eifersucht“ (Röm 13,13). Das erreichen wir, wenn wir die Gnade des Heiligen Geistes annehmen und den Herrn Jesus Christus anziehen, um auf diese Weise den Begierden des Fleisches nicht zu erliegen (vgl. Röm 13,14).
Der heilige Paulus reflektiert die Lehre Jesu, der ebenfalls das Symbol des Lichtes verwendet, um uns zur Wachsamkeit zu ermahnen und bereit zu sein, wenn Er wiederkommt. „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt“ (Mt 24,42). Der Dieb kommt in der Nacht, denn er will in der Dunkelheit seine bösen Taten verbergen: „Bedenkt dies: Wenn der Herr des Hauses wüsste, in welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht“ (Mt 24,43). Der Herr Jesus ist „das Licht der Welt“ (Joh 8,12), das uns zur Wachsamkeit ermuntert. Jesus wird konkret, wenn er an die Zeiten des Noach erinnert, als die Menschen mit den alltäglichen Dingen beschäftigt waren, in ihren jeweiligen Familien aßen und tranken „und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte“ (Mt 24,39). Nur Noach und jene mit ihm in der Arche wurden gerettet. Nach den Worten Jesu müssen die Christen wie in den Zeiten von Noach vorbereitet sein, „denn wie es in den Tagen des Noach war, so wird die Ankunft des Menschensohnes sein“ (Mt 24,37). Denn sein Kommen geschieht plötzlich, und es wird keine Zeit sein, das Leben zu ändern und sich angemessen auf die Begegnung mit dem Herrn vorzubereiten: „Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die an derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen“ (Mt 24,40-41). Nach diesen konkreten Beispielen mahnt uns der Herr Jesus: „Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet“ (Mt 24,44).
Liebe Brüder und Schwestern, der Advent ist die Zeit, wo wir uns auf die Begegnung mit Jesus vorbereiten sollen. Wir wollen leben wie die selige Jungfrau Maria, die Mutter Jesu und unsere Mutter. Vom Heiligen Geist erleuchtet, ist Sie in der Lage gewesen, in ihrem Sohn, den sie in einer Grotte bei Bethlehem geboren hat, das Wort Gottes zu erblicken, das für uns und zu unserem Heil Mensch geworden ist. Indem wir ihrem Beispiel folgen, bereiten wir uns geistlich auf diese Begegnung vor durch Gebet, Mediation, die Feier der Eucharistie an den Sonn- und Feiertagen, wie auch durch den Empfang des Sakramentes der Versöhnung. Die vier Kerzen des Adventskranzes, die wir nacheinander an jedem der Adventssonntag anzünden, werden zu Symbolen unseres Vorbereitungsweges auf Weihnachten. Sie mögen uns auch daran erinnern, im Alltag unsere Herzen der Gnade des Heiligen Geistes zu öffnen, indem wir Zeiten der Stille halten und uns im Gebet auf die willkommene Begegnung mit dem Herrn Jesus vorbereiten. Dass Er sicher kommen wird, erfüllt uns auch in dieser Zeit der Krisen mit Freude auf seine rettende Ankunft. Amen.
Archivfoto Nuntius Eterović (c) Apostolische Nuntiatur Berlin
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