1. Dezember 2022 in Weltkirche
US-Theologe Larry Chapp: Man „sieht es nicht jeden Tag, dass eine ganze Bischofskonferenz den Vatikan beschämt und darauf besteht, dass man mit seinen ‚Reformen‘ fortfahren wird, egal welches römische Dikasterium ihnen sagt, dass sie aufhören sollen“
Harrisburg (kath.net/pl) Man „sieht es nicht jeden Tag, dass eine ganze Bischofskonferenz den Vatikan beschämt und darauf besteht, dass man mit seinen ‚Reformen‘ fortfahren wird, egal welches römische Dikasterium ihnen sagt, dass sie aufhören sollen.“ So pointiert formuliert der in den USA sehr bekannte Theologe und Buchautor Larry Chapp in seinem Kommentar im „National Catholic Register“.
Allerdings „stellt die Tatsache des protestantischen Niedergangs in Deutschland die Logik des Deutschen Synodalen Weges in Frage“, bemerkt der Theologe. Der Synodale Weg „wurde von führenden deutschen Bischöfen als ein Prozess zur Einführung liberalisierender Reformen in die kirchlichen Lehre und Praxis beschrieben und als unbedingt notwendig bezeichnet, wenn die Kirche in Deutschland Hoffnung haben soll, ihren endgültigen Niedergang in die demografische Bedeutungslosigkeit umzukehren.“ Doch lasse sich „diese Logik“ widerlegen durch den Hinweis, „dass die verschiedenen protestantischen Kirchen die meisten solcher Reformen bereits eingeführt haben“, damit aber „wenig Erfolg“ hätten.
Chapp führte weiter aus: Immerhin ordinieren viele der protestantischen Gemeinschaften „bereits Frauen, haben weibliche Bischöfe und einen verheirateten Klerus, sie segnen gleichgeschlechtliche Verbindungen, erlauben Verhütung, ignorieren vorehelichen Sex, erlauben Interkommunion miteinander, sind dezentralisiert (synodal!) in ihrer Organisationsstruktur, und sind der Meinung, dass Abtreibung, obwohl sie moralisch nicht ideal ist, weitgehend legal bleiben sollte. Sie vertreten diese Ansichten nun schon seit vielen Jahren“, dennoch befänden sich ihre Mitgliederzahlen „schockierenderweise ebenfalls im freien Fall“.
„Man sollte meinen, Bischof Bätzing, Kardinal Reinhard Marx und die anderen deutschen Prälaten wüssten das“, so Chapp weiter. Jedenfalls müssten sie „monumental stumpf sein“, um dies nicht zu wissen. Dennoch habe der DBK-Vorsitzende Bischof Georg Bätzing in seinen jüngsten Ausführungen zur Unterstützung des Synodalen Wegs nach dem Ad Limina-Besuch nicht erwähnt, dass der Mitgliederschwund bei den Protestanten in Deutschland noch viel größer sei. Der Theologe wies darauf hin, dass man für das „große kirchliche Modernisierungsexperiment“ in Deutschland eine Kontrollgröße habe, nämlich „das protestantische Deutschland, das die Änderungen in der Lehre längst angenommen und übernommen hat“.
Die gegenwärtige Krise der Kirche wurzle nicht darin, dass sie in verschiedenen heiklen Themen „gegenkulturelle Ansichten“ vertrete. Vielmehr gehe es um „eine viel tiefere Glaubenskrise“, nämlich den Glauben „in die übernatürliche Grundbotschaft des Christentums. Mit anderen Worten, es ist eine Krise eines De-facto-Atheismus, die durch die kulturelle Luft verursacht wird, die wir im Westen atmen.“ Jeder, der heute mit kirchlichen Diensten zu tun habe, „kennt sehr gut die Krise, von der ich spreche. Es ist überhaupt eine Krise der Apathie in der ‚Gottesfrage‘ – und ganz sicher eine Krise der völligen Gleichgültigkeit gegenüber religiösen Dingen. Diese Krise mag zwar sehr neu erscheinen, sie ist dies aber nicht. Sie zieht sich seit Generationen hin, wobei sich der Trend im vergangenen Jahrhundert als langsamer Gang in Richtung Säkularisierung entfaltete – wobei jede nachfolgende Generation weniger religiös war als die vorangegangene.“
Chapp vertritt weiter: „Im Gegensatz zu den [Orts-]Kirchen, die im Niedergang begriffen sind, liegt die größte Vitalität der Kirche heute in jenen Vorposten des Glaubens, die ein provokatives … gegenkulturelles Zeugnis vorlegen. Ob in traditionellen lateinischen Messgemeinschaften oder unter „Zurück-aufs-Land“-Katholiken wie mir oder in blühenden Mainstream-Gemeinden, der gemeinsame Nenner ist derselbe: Was „funktioniert“, ist keine Anpassung an den Säkularismus sondern die Entwicklung bewusster Gemeinschaften tiefen Glaubens, die glauben, was die Kirche lehrt, und die die giftigen Lügen und Illusionen der herrschenden Kultur durchschaut haben.“
Der Autor Larry Chapp promovierte 1994 in Theologie an der Fordham University, er hatte sich auf die Theologie von Hans Urs von Balthasar spezialisiert. Er unterrichtete 20 Jahre lang Theologie an der DeSales University in der Nähe von Allentown, Pennsylvania, bevor er sich vorzeitig zurückzog, um mit seiner Frau Carmina und mit dem Priester John Gribowich (ein Freund und früherer Student von Chapp), die „Dorothy Day Catholic Worker Farm“ in Pennsylvania.
Archivfoto: Deutsche Bischöfe mit Papst Franziskus während des Ad Limina-Besuchs 2022 (c) DBK/Matthias Kopp
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