20. Jänner 2023 in Spirituelles
Über die Schwierigkeit, sich als Christ in der Informationsflut zu orientieren - Gedanken von P. Karl Wallner OCist / VISION 2000
Wien (kath.net/http://vision2000.at)
Es wird zunehmend schwer, sich in der Überfülle von Information, die noch dazu oft bewusst einseitig, ja sogar gezielt gelenkt wird, zurechtzufinden. Im Folgenden Gedanken des Direktors von „Missio“ zum Thema, was beim Umgang mit der Medienflut hilfreich sein könnte.
Die Welt nach dem Sündenfall war immer schon irr und wirr. Im „Salve Regina“ besingen wir die Welt als „Tal der Tränen“ und bezeichnen uns als „verbannte Kinder Evas“. Kommt es nur mir so vor, aber derzeit scheint es besonders irr und wirr zu sein. Nicht nur wegen des Stakkato an Krisen, die über uns hereinbrechen, sondern auch wegen dieser zunehmenden Stimmung der Orientierungslosigkeit. In der Berichterstattung über den Ukrainekrieg haben wir ja oft den Satz gehört: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.“ Aber wird die Wahrheit heute nicht grundsätzlich gemeuchelt?
Ein Beispiel: Wenn es um das Thema „Kirche“ geht, ist oft schon in der Berichterstattung vieles von vornherein schief. Man hat das Gefühl, dass Themen bewusst verzerrt werden und Blendgranaten der Denunziation geworfen werden. Bei Interviews mit kirchlichen Vertretern wird der Interviewte von vornherein mit Unterstellungen konfrontiert und somit a priori in die Defensive gedrängt. Mit dem Eigentlichen kommt man gar nicht durch.
Als Nationaldirektor von „Missio Österreich“ wird mir immer gleich die Frage nach der „bösen“ Mission der Kirche gestellt. Ich beantworte diese Fragen natürlich, denn es ist recht, dass wir Christen für Vergangenes Buße tun. Ja, es ist wahr, dass Mission mit politischer und ökonomischer Kolonisation verwechselt wurde und Verbrechen geschehen sind, vor allem im 16. Jahrhundert. Heute – und seit mindestens 200 Jahren – ist „Mission“ aber Ausbreitung der Liebe, soziales und karitatives Engagement. Aber dazu komme ich dannschon gar nicht mehr, weil ich in die Defensive festgepflockt werde.
Ich frage: Warum wird „Mission“ durch die Fragestellung immer schon ins Negative gerückt? Und: Würden diese Journalisten die Frage nach böser „Missionierung“ auch einem Vertreter der Volksrepublik China oder einem Botschafter von Saudi Arabien stellen?! Das sind doch heute jene Mächte, die „Missionierung“ im üblen Sinn betreiben. Die einen missionieren mit kommunistischem Weltmachtstreben, die anderen mit skrupellosem Islamismus. Warum prügelt man ausschließlich die alte schwache Großmutter Kirche, noch dazu für die Fehler ihrer Jugend, während man die heutigen bösen Wölfe streichelt und füttert?
Ich kann es schon aus kirchlicher Sicht verstehen, wenn sich immer mehr Menschen belogen und manipuliert fühlen. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Welt zu einem „Globalen Dorf“ geworden ist und wir mit einer Fülle von Informationen überflutet werden. Als ich ein Kind war, gab es in Österreich zwei Fernsehkanäle, mittlerweile stehen hunderte zur Verfügung. Und die Sozialen Medien ertränken uns ja alle in einer Flutlawine von Informationen: Kaum öffne ich mein Handy, werde ich schon über Facebook, Instagram, YouTube usw. bombardiert mit Nachrichten, Bildchen und Filmchen…
Es ist mir auch klar, dass ich da nicht raus kann. Schon deshalb, weil wir als „Päpstliche Missionswerke“ die Medien einfach auch brauchen, um die Menschen zu erreichen. Wer nicht im Internet ist, existiert nicht. Ein Teenager verbringt im Schnitt fünf Stunden pro Tag „im Smartphone“. Soviel Internet, soviel Selbstdarstellung, soviel Unnötiges, soviel Unüberprüfbares, soviel News, soviel Schmus…
Dabei habe ich das Internet am Anfang als sehr positiv wahrgenommen. Mein Kloster Heiligenkreuz im Wienerwald war immer schon sehr lebendig und sehr „normal katholisch“. Doch weil wir so manche nachkonziliare Torheit nicht mitgemacht haben und das Konzil nicht dem (erfundenen) „Geist“ nach ernst nehmen wollten, sondern dem Text nach, wurden wir in den kirchlichen Medien nicht gut behandelt! Wir hatten den neuen Ritus gerne übernommen, blieben aber bei der Lateinischen Liturgiesprache und bei eine würdevoll gefeierten Liturgie. Vor allem pflegen wir den lateinischen Gregorianischen Choral, eine tausend Jahre alte bewährte Gebetsform.
Die Folge war, dass über uns immer nur unter dem Stichwort „erzkonservativ“ oder „vorkonziliar“ berichtet wurde. Vor dem Internet waren wir ja den Medien ausgeliefert und wurden meist etikettiert und diskreditiert. Und dann kam das Internet! Ab 2002 hatten wir eine Homepage und konnten plötzlich selber zeigen, wer und wie wir sind. Das haben wir genützt, und unser Image hat sich sehr schnell völlig ins Positive gewandelt. Die größte Musikfirma der Welt, Universal Music, hat uns 2007 entdeckt. Und so kamen wir mit eben jenem Choral, der von der linksliberalen Kirchenpresse als konservativ abgestempelt wurde, weltweit in die „Pop-Charts“. Plötzlich wurden wir als „Pop-Mönche“ als ultracool empfunden.
Das war nur möglich, weil das Internet es uns erlaubte, uns unmittelbar selbst zu zeigen. Universal Music hatte uns anhand eines YouTube-Videos, das ein junger Mitbruder geschnitten hatte, entdeckt… Dass das Internet ein Medium ist, das Freiheit und Wahrheit befördern kann, sieht man schon daran, dass jedes totalitäre Regime bemüht ist, es abzudrehen bzw. in den Griff zu bekommen.
Zugleich sorgen gerade die neuen Internet-Medien für Verwirrung. Was kann ich glauben? Wem kann ich glauben? Auf Facebook und Instagram sehe ich Videos, die schier „Unglaubliches“ zeigen. Ist das real? Science Fiction sind wir ja schon lang aus Film und Fernsehen gewohnt. Das Wort „Fiktion“ kommt vom lateinischen „fingere“, und da reicht die Bedeutung von „frei erdichten“ bis hin zu „trügerisch verstellen“. Nicht jede Fiktion ist schon in sich böse, denn jeder Roman, jeder unterhaltsame Abenteuerfilm, ist ja eine „Fiktion“. Und auch die Gleichnisse Jesu sind erfundene Erzählungen, die sogar eine höchst positive Absicht haben: Uns zu belehren, zu korrigieren oder zu motivieren.
Aber wie ist das mit der „Berichterstattung“? Sind die Dinge so, wie sie dargestellt werden? Klimawandel, Pipeline-Attentate, Corona-Impfung u.v.m. sind emotionalisierende Kontroversthemen, weil wir uns nicht mehr sicher sein können, was wahr und was falsch ist. Mich faszinieren z.B. die Dokumentationen über 9/11, über den Einsturz der Twin-Towers, und persönlich bin ich geneigt, den Einsturz nicht auf den Einschlag der beiden Flugzeuge zurückzuführen. Aber bin ich mit meiner Skepsis schon ein „Verschwörungstheoretiker“?
Wenn jemand verwirrt ist und nicht weiß, was er glauben soll, dem möchte ich zwei Tipps geben. Erstens: Vertraue Deinem „gesunden Menschenverstand“. Gott hat allen Menschen „Ratio“ gegeben, „Verstand“, die Fähigkeit, Ursächlichkeiten zu durchschauen und Schlüsse zu ziehen. Der normale Verstand ist sogar fähig, so sagt das 1. Vatikanische Konzil 1870, die Existenz Gottes als den letzten Grund und letztes Ziel zu erkennen. Dann darf ich dieser Vernunft auch zutrauen, mich zu leiten, wenn mir manches „spanisch“ vorkommt, was mir da vom „common sense“ vorgesetzt wird.
Ich habe seit meinen Besuchen in Afrika eine ganz andere Wirklichkeit wahrgenommen, über die nicht berichtet wird: China ist dort Welt- und Kolonialmacht. China hat Afrika weitgehend von sich abhängig gemacht. China hat Welteroberungspläne, die es politisch und bald auch militärisch umsetzen wird. China hat sich alle Bodenschätze, den Kobalt und die Seltenen Erden, die es für die Energiewende braucht, unter den Nagel gerissen… Ich glaube nicht, dass unsere Medien dafür bezahlt werden, dass sie nichts über dieses Machtstreben Chinas berichten, sondern bloß: Sie sie sind unfähig. Ausgewogen ist die weltpolitische Berichterstattung jedenfalls seit vielen Jahren nicht! Mein erster Rat lautet also: Nimm Wirklichkeit wahr und vertraue Deinem Denken, es ist Dir von Gott geschenkt.
Mein zweiter Rat geht dann aber so: Hüte dich davor, allzu viele Rückschlüsse auf das Wie und Warum der Informationen zu ziehen, denen du skeptisch gegenüberstehst. Warum? Weil es dir als „Otto-Normalverbraucher“ nicht zugänglich ist, die wirklichen Gründe zu erkennen, warum etwas schief und falsch dargestellt wird. Ich darf mir also unter der Anleitung meines Verstandes eine Meinung, ein Urteil bilden. Aber das „Warum“ und „Weshalb“ führt mich auf dünnes Eis.
Zur gesunden Skepsis, die der Menschenverstand nahelegt, kommt also die spirituelle Herausforderung, nicht ins wilde Spekulieren über die Hintergründe zu verfallen. Diese Selbstbescheidung bewahrt mich zumindest davor, in dauerndes Grübeln oder gar in Fanatismus zu verfallen. Ich mache mir ein sachliches Urteil über das Phänomen, ich stelle die Diskrepanz zur Berichterstattung fest, dann verfalle ich aber nicht in Aggression, Zynismus und Fanatismus. Und wenn ich wirklich überzeugt bin, dass etwas falsch Dargestelltes gefährlich ist, dann bete ich und bitte Gott um Hilfe…
Es gibt derzeit keine glatten Lösungen, wir strudeln in einer Informationsflut herum, wie es sie noch nie in dieser Fülle und Komplexität gegeben hat. Wichtig ist für uns Christen vor allem, dass wir uns an die übernatürliche Wahrheit klammern. Diese ist eine Person, nämlich Jesus Christus, der sich selbst als „den Weg, die Wahrheit und das Leben“ bezeichnet (Joh 14,6). Wer sich an Ihn hält, an Sein Wort in der Bibel, auch an Seine Kirche, der kommt mit Sicherheit klarer und besser durch diese Geröll-Mure von Halbwahrheiten und Wirklichkeitsverzerrungen. Er ist in Person die Wahrheit, von der Paulus sagt, dass sie uns frei machen wird. (Joh 8,32)
Pater Dr. Karl Wallner ist Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke in Österreich und Professor an der PTH Heiligenkreuz.
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