„Lieber Vater Benedikt!“

30. Dezember 2022 in Kommentar


„Ihr leises und zugleich starkes Wort wird trotz aller Versuche, es zu bekämpfen und zu vernichten, bleiben. Sie sind für mich ein Großer und ein vom Glauben gänzlich Durchseelter.“ – Brief an Benedikt XVI. – Von Martin Lohmann


Bonn (kath.net/ml) Dieser Brief des bekannten Bonner Theologen, Historikers und Journalisten Martin Lohmann erschien zuerst in: Karl Braun/Georg Ratzinger + / Roger Zörb (Hrsg.): Zum 95. Geburtstag – Festschrift der Gesellschaft zur Förderung christlicher Verantwortung e.V. für den Heiligen Vater em. Benedikt XVI., 16. April 2022.

Lieber Vater Benedikt!

Es ist mir ein Herzens- und Seelenanliegen, Ihnen anläßlich Ihres 95. Geburtstages die besten Segenswünsche zu senden. Die hier gewählte Anrede ist Ausdruck meiner unglaublich tiefen und vertrauten Dankbarkeit Ihnen gegenüber. Als ich Ihnen vor einigen Jahren einmal erklären wollte, warum ich statt „Heiliger Vater“ meistens und lieber „Vater Benedikt“ sage, legten Sie in der für Sie so typischen und liebevollen Weise Ihre Hand auf die meinige und meinten: „Natürlich weiß ich das, schließlich habe ich Sie ja auch geprägt wie ein Vater!“

Ja, das haben Sie. Fast schon mein ganzes Leben lang. Unsere erste Begegnung war nicht lange nach dem zu frühen Tod meiner geliebten Mutter. Ich war sieben Jahre alt, und in Bad Adelholzen lernte ich Sie, den engen Freund der besten geistlichen Freunde meiner Eltern, kennen. Sie waren damals ein noch junger Theologieprofessor, und ich weiß, dass mich Ihre feine Art des Redens faszinierte und ich als kleiner Bub irgendwie das Gefühl hatte, einem besonderen Menschen zu begegnen. Mag sein, dass ich damals bereits bruchstückhaft ahnte, wie anziehend die Klarheit des Geistes sein kann. Freilich, das habe ich erst später richtig erkannt. Aber seit der Mitte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts haben wir uns nicht aus den Augen verloren. Welch ein Glück und welch ein Geschenk für mich!

Bei Ihrer letzten Theologischen Werkwoche 1977 in Bierbronnen im Schwarzwald waren Sie bereits Erzbischof von München und Freising und vom heiligen Papst Paul VI. Ins Kardinalskollegium berufen worden. Als junger Theologiestudent habe ich viel gelernt im aufmerksamen Zuhören und den Gesprächen mit Ihnen und dem Bonner Exegeten Heinrich Schlier. Es war wohl kein Zufall, dass die Lektüre Ihrer „Einführung in das Christentum“1 mich in der Überlegung bestärkt hatte, das Studium der Katholischen Theologie aufzunehmen. Ähnliches war geschehen nach der Lektüre noch als Schüler der Mittelstufe am Godesberger Aloisiuskolleg eines kleinen Büchleins von Josef Pieper, das mir mein Vater in die Hand gab, als ich ihn fragte, was eigentlich Philosophie bedeute: „Was heißt philosophieren?“ 2. Bis heute gehört es zu meinen schönsten Erholungsphasen für Geist und Seele, Texte von Josef Pieper und Texte von Joseph Ratzinger zu lesen. Die Klarheit der Gedankenführung, die in höchste Sphären des ersehnten Lichts mit kluger und einfacher Sprache der Wahrheit nachspürt, tut einfach gut. Gerade auch in Zeiten der Verwirrung und der geradezu flächendeckend versuchten Bombardierung zum Zwecke der maximalen Verunsicherung. Ihre Texte, und zwar immer, verleihen dem suchenden und das wahre Glück des Seins ersehnenden Menschen eine Art gedanklicher Leitplanke, die eine sichere Fahrt möglich macht.

Zu den kostbarsten Schätzen in meiner Bibliothek gehören unzählige Bücher und Faszikel, mit denen Sie mich seit Studienzeiten und persönlicher Widmung treu begleitet haben. Sie gehören zur täglichen Mentalnahrung meines Lebens, das Sie tatsächlich „geprägt“ haben „wie ein Vater“. Väterlich begegneten Sie mir und meiner damaligen Verlobten, meiner lieben Frau Heike, auch Mitte der 80er Jahre, als ich mit Ihnen in der sogenannten Villa im oberbayerischen Bad Adelholzen, näherhin in Alzing, das erste große Interviewgespräch des damaligen Präfekten der Glaubenskongregation für eine deutsche Zeitung machen durfte. Das Ergebnis erschien wenig später in zwei Folgen in der Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“, bei dem ich wenig später anheuern konnte und das Ressort „Christ und Welt“ übernahm. Es folgten später mehrere publizierte Gespräche. In Bad Adelholzen aber stärkten Sie mich und uns auf ganz besondere Weise durch Ihre Anteilnahme im versprochenen Gebet und Ihren Segenswunsch. Damals stand ich unmittelbar vor einer lebensgefährlichen und vielstündigen Kopfoperation, mit der ich von einem zwar gutartigen, aber doch lebensgefährdenden Tumor befreit wurde. Viele haben damals für das Gelingen der OP, die nach mehrfacher Verschiebung „zufällig“ auf dem 8. Dezember 1986 „landete“, gebetet. Neben meiner Familie und vielen Freunden unter anderem Joseph Kardinal Höffner und Sie, lieber Vater Benedikt. Das bewegt mich bis heute.
 
Bewegend fand ich auch, was Sie mir auf meine Frage in einem längeren Fernsehgespräch im Bayerischen Rundfunk, wo Sie mehrfach Gast der von mir rund hundert Mal moderierten „MünchnerRunde“ waren, am Ende unseres Gespräches vor der Kamera sagten. Wir saßen damals, eine Woche vor Ihrem 71. Geburtstag, im Rittersaal, also der Urzelle des Klosters, der Erzabtei St. Ottilien. Ich fragte Sie schließlich nach Ihrer Vorbereitung auf Ihren Tod, was mir jetzt, angesichts Ihres 95. Geburtstages, wieder in den Sinn kam. Ich zitiere diese Schlusspassage unseres Austauschs 3, weil auch sie - wie viele andere wunderbare Formulierungen von Ihnen - sehr viel über Sie aussagt. Wir sprachen über die Liturgie, was offenbar nichts an Aktualität verloren hat:

Lohmann: Sie befassen sich auch immer wieder mit der Liturgie in der Kirche und sind, glaube ich, der Ansicht, daß die Liturgie, wie das Zweite Vatikanische Konzil sie wollte, im Grunde genommen gar nicht umgesetzt worden ist. Sie sagen, wir brauchen eine liturgische Bewegung, eine neue liturgische Bewegung. Warum?

Ratzinger: Es ist so, daß zunächst diese liturgische Reform als Abschied von der Tradition gewertet worden ist und diese Reform dann immer stärker von der Idee geprägt wurde, daß die Liturgie eigentlich in jeder Gemeinde neu erschaffen werden muß. Es gibt natürlich auch durchaus positive Anwendungen der Liturgiereform. Ich habe heute hier in St. Ottilien das festliche Hochamt erleben dürfen. Da kann man sehen, wie erneuerte Theologie wirklich eine Gabe sein kann. Aber die Vorstellung, daß Liturgie auf Kreativität beruht und daß jede Gemeinde sich die Liturgie selbst macht, hat sich dann doch in vielen Orten als eine Art von Buschbrand erwiesen. Man soll auch nicht verallgemeinern, aber diese Vorstellungen haben sich jedenfalls als etwas erwiesen, das eine Gefahr mit sich bringt. Denn wenn die Liturgie das ist, was die Gemeinde nur sich selbst macht und worin sie sich selbst spiegelt, dann kommt sie ja gerade nicht über sich selbst hinaus. Und dann erfährt sie das, worum es ihr geht, gerade nicht. Die Liturgie ist nicht der Ort, an dem man seine eigenen schöpferischen Begabungen darstellt, dafür gibt es andere Möglichkeiten innerhalb und außerhalb der Kirche. Die Liturgie ist gerade die Begegnung mit dem, was wir nicht gemacht haben und somit auch das Hineintreten in die ganz große Vorgabe der Geschichte, die nicht mumifiziert werden darf, die nicht erstarren darf, die aber auch nicht einfach abgebrochen werden darf, sondern als etwas Lebendiges weiterleben muß. Dieses Gefühl, daß Liturgiereform nicht bedeutet, jetzt machen wir es alle ganz anders, und jeder macht es so, wie es ihm einfällt, sondern daß sie bedeutet, wir leben lebendig in ihr, ordnen uns in ihr Großes ein - dadurch daß wir in ihr leben, wächst sie auch weiter - , diese Erkenntnis, was eigentlich Reform bedeutet, muß, glaube ich, in Teilen der Kirche neu vermittelt werden.

Lohmann: Ist Liturgie so eine Art Vorbereitung auf den Tod, auf das Sterben? Ganz konkret die Frage an Sie, wie bereiten Sie sich auf das Sterben und den Tod vor?

Ratzinger: Ich würde sagen, Liturgie ist zunächst einmal die Vorbereitung auf die Auferstehung. Die alten Mönche haben das ja so aufgefasst, dass man in der Liturgie sozusagen ein Stück vom Paradies vorwegnimmt, weil man nämlich bei dem mittut, was im Himmel geschieht, sich um den Herrn versammeln und mit ihm singen - und er zeigt sich uns selbst und gibt sich uns selbst. Insofern ist das also der Einbruch des Lebens und nicht des Todes. Aber man kann es auch von der anderen Seite her betrachten und sagen, damit werden wir auch reif dafür, sozusagen den jetzigen Status nicht als das Letzte anzusehen, sondern zu wissen, daß das Leben auf andere Weise weitergehen wird und daß wir es so leben müssen, daß wir uns darauf freuen können. Wie bereite ich mich selbst darauf vor? Nun, ich mache da keine besonderen Übungen. Früher gab es ja die Gut-Tot- Bruderschaften, und es gab sogar die Übung des guten Sterbens. Soweit bin ich noch nicht vorgedrungen. Ich versuche einfach, meine Aufgabe recht zu tun und die Beziehung zum lebendigen Gott nicht zu verlieren. Dann, denke ich, ist man auf dem richtigen Weg, wenn man nämlich auf dem Weg zum richtigen Leben ist, dann ist man auf dem richtigen Weg zum Sterben.

Lohmann: Haben Sie Angst vor dem Tod?

Ratzinger: Ja, irgendwie schon, weil natürlich das Bewußtsein, daß man vieles auch falsch gemacht hat, daß man Sünder ist, wie die Sprache der Kirche es ausdrückt, je älter man wird, um so stärker da ist, um so stärker sieht man auch das Versagen im eigenen Leben, um so realistischer erkennt man, wo man zurückgeblieben ist, gerade auch anderen Menschen gegenüber, denen man etwas schuldig war. Diese Negativseiten des eigenen Kontos können Furcht erregen. Aber ich halte mich dann an den heiligen Ambrosius, der gesagt hat, ich habe trotzdem keine Furcht vor dem Gericht, obwohl ich ein großer Sünder bin, denn ich weiß, daß wir einen sehr guten Herrn haben.

Lohmann: Wie stellen Sie sich Gott vor?

Ratzinger: Ja, ich mache mir kein Bild von ihm, aber ich stelle ihn mir in Christus vor und dann eben als den, in dem alles, was wir als Menschen wollen, uns wirklich geschenkt und erfüllt werden wird, indem wir dann endlich uns selbst verstehen werden und auch die Leiden dieser Welt ihren Sinn erhalten werden, als die große Antwort sozusagen.“

Tief in mein Herz fiel damals auch Ihre Antwort auf meine Frage, ob Sie ein Suchender seien. Ohne Zögern gaben Sie das zu, was mir, dem bis auf wenige Tage ziemlich genau dreißig Jahre Jüngeren viel Mut machte und bis heute - wie bei so vielen, die so etwas von Ihnen vernehmen konnten - in vielen Situationen trägt. Aber hören wir Sie lieber im O-Ton 4:

Ratzinger: „Das würde ich schon sagen, ja. Denn auch wenn man gewiß ist, das Letzte gefunden zu haben, - daß es Gott gibt und daß er selbst sich in Christus gezeigt hat -, ist damit ja nicht einfach die Suche abgeschlossen, sondern es ist so, wie die Psalmen sagen: Ich suche dein Angesicht, Herr. Das muß man ja immer neu finden, sich immer tiefer hineinfinden. Ich glaube, wer selbst versucht, den Weg des Glaubens zu gehen, der kann sagen, daß die Furcht Jaspers verkehrt ist. Jaspers meinte: Wer gläubig ist, kann nicht mehr philosophieren, weil er ja schon die Gewißheit hat, er kann gar nicht mehr fragen. Augustinus, Gregor von Nyssa haben sehr tief aus ihrer eigenen Glaubenserfahrung gesagt, was ich aus der meinen auch sagen kann - dieses Finden ist ja ein Finden in einen unendlichen Abgrund hinein und gibt dem Suchen seine Richtung, aber es löscht es nicht aus, sondern gibt ihm überhaupt einen Sinn.“
 
Damals erinnerte ich auch an eine Aussage von Johann Sebastian von Drey, den Begründer der Tübinger Schule, über den mein Vater promoviert hatte. Und ich fragte Sie, ob Sie das unterschreiben könnten: „Eine Wahrheit muss verdächtig erscheinen, wenn sie das Herz verletzt, gegen die Liebe anstößt und Gott vorgreift. Irrtum in Liebe ist besser als Wahrheit in Hass.“ Ohne Zögern antworteten Sie: „Das auf jeden Fall, denn Wahrheit und Hass verbinden sich nicht, oder wenn Wahrheit mit Hass verbunden wird, verrät man die Wahrheit selbst, denn die letzte Wahrheit ist, dass die Welt aus der Liebe kommt und dass wir zur Liebe geschaffen sind. Wenn ich mich also in den Hass hineintreiben lasse, dann habe ich mich eben auch von der Wahrheit verabschiedet. Aber das bedeutet natürlich nicht, dass die Wahrheit immer bequem sein muss, sie kann weh tun. Ich finde, das deutlichste Beispiel ist Sokrates, der dieses bequem dahin lebende Athen aufgeweckt hat, indem er es aus seiner Selbstgerechtigkeit und Sattheit erweckt hat und die unbequemen Fragen stellte. So unbequem, dass man ihn hingerichtet hat, um dann doch zu erkennen, daß er die Wahrheit gesagt hatte und dass er sie deshalb aufgeregt hatte. Denn der Mensch befindet sich sehr oft auf der Flucht vor der Wahrheit, versteckt sich vor ihr, weil sie etwas fordert, was er nicht will. Dann ist es natürlich unangenehm und tut weh, wenn man diesen Stachel der Wahrheit nicht loslässt, sondern ihn wirklich zur Wirkung bringt.“

Zahlreiche Begegnungen in Rom oder auch anläßlich der Beisetzung der Bayerischen Vinzentinerin, Schwester Iphigenia, in Ruhpolding haben mich immer einen ebenso sensiblen wie aufmerksamen und feinsinnigen, liebenswürdigen klargeistigen Menschen mit demütiger Glaubensstärke und geradezu kindlichem Gottvertrauen erfahren lassen. Das Erfahrene geht weit über das hinaus, was unsere veröffentlichten Gespräche in Büchern und Zeitungen, im Fernsehen oder in den Gesammelten Schriften Joseph Ratzinger /Benedikt XVI. 5 erkennbar sein lassen. Der bereits erwähnten Schwester Iphigenia, die aus einer verschlafenen kleinen Abfüllanlage des Primus-Wassers in Bad Adelholzen eine große Marke entwickelte, bleibe ich dankbar, dass sie mich stets rechtzeitig „informierte“, wann Sie dort im oberbayerischen Adelholzen Urlaub machten. Sie lud mich, um meine Nähe zu Ihnen wissend, gerne ein, dann ebenfalls dort zu sein. So hatten Sie, lieber Vater Benedikt, damals einen begeisterten und einsatzbereiten Chauffeur, wenn Sie entweder nach München oder Altötting oder Burghausen gefahren werden mussten. Die Gespräche, die damals der Student mit dem Kardinal führen durfte, werde ich nie vergessen. Kein einziges Mal haben Sie mir damals, wie übrigens bei keiner unserer Begegnungen vorher oder nachher, das Gefühl der Unterlegenheit gegeben, obwohl ich immer der ausschließlich Lernende war.

Der Petersplatz in Rom, wo wir uns so häufig auch „zufällig“ begegneten, wenn Sie mit Baskenmütze und schwarzem Soutanenmantel sowie mit schwarzer Aktentasche den Weg von Ihrer Wohnung an der Piazza Leonina zur Glaubenskongregation gingen, wurde am 19. April 2005 mit einer mich ganz besonders beglückenden Lebenserfahrung verbunden. Ich hatte mir gewünscht, dass Sie als Nachfolger des großen Papstes Johannes Paul II. Gewählt werden. Tags zuvor hatte ich gar in einem Gespräch mit Kollegen während eines Mittagessens in der Nähe der Engelsburg auf die Frage, von wem ich denn glaube, dass er neuer Petrusnachfolger werde, kühn von Ihnen gesprochen und aufgrund meiner Kenntnis Ihrer Person den Papstnamen Benedikt XVI. genannt. Ich wusste um Ihre geistige Nähe zu Benedikt von Nursia und Ihre Seelenverwandtschaft mit Benedikt XV., der die geistigen Strömungen der Zeit zu erkennen und zu analysieren wusste und ein Feingeist auf der Cathedra war. Als ich dann am 19. April unmittelbar unter der Loggia auf dem Petersplatz Ihre Erwählung hörte, wirbelten meine Gefühle der Freude und Dankbarkeit in mir kräftig umher. Diesen Augenblick werde ich niemals vergessen. Ebenso wenig wie Ihre erste Audienz für die deutschsprachigen Pilger und unser persönliches Gespräch, wobei ich Ihnen im Rittermantel des Päpstlichen Ordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem begegnen durfte, was Sie eigens freudig begrüßten.

Drei Bücher, die ich Ihnen in den kommenden Jahren überreichen konnte, sind auch das Ergebnis Ihrer langjährigen Prägung. Bei den meditativen und nachdenklichen Texten, die ich zu vorgegebenen Fotos aus Ihrer Heimat geschrieben habe, kamen mir viele Erinnerungen bis in meine bereits erwähnte frühe Kindheit zu Hilfe 6. In dem Buch „Maximum“, das ebenfalls im Jahre 2007 erschien, sind theologische und gesellschaftspolitisch relevante Gespräche mit Ihnen eingeflossen, so dass es viel Grundsätzliches, Analytisches und Hoffnungsstarkes enthält 7. Und mit dem gemeinsam mit Georg Gänswein herausgegebenen Buch „Katholisch. Wissen aus erster Hand“ 8 konnten wir Ihnen ein kleines Kompendium des Glaubens und der Kirche überreichen. Es ist nach wie vor ein kleines Nachschlagewerk.

Ihr Interesse zeigte sich auch in der Herzlichkeit, mit der Sie sich immer nach meiner Frau und unserer Tochter erkundigten. Deren römischer Name Prisca hat Sie erkennbar immer wieder erfreut. So bleiben meine und auch unsere gemeinsamen Besuche bei Ihnen, vor allem auch im Monasterio in den Vatikanischen Gärten, in froher und lichtreicher Erinnerung. Es schmerzt uns aber sehr, welch sprungbereite Feindseligkeit wenige Wochen vor Ihrem jetzigen Geburtstag allenthalben offenbarte, und mit welchem offenkundigen Hass manche bereit zu sein scheinen, die unbestreitbar große Lebensleistung des glaubwürdigen „Mitarbeiters der Wahrheit“ - so Ihr bischöflicher Wahlspruch - böswillig zu zerstören. Freilich, ich habe wie viele andere auch bereits vor Jahrzehnten erfahren, dass selbst in katholischen Kreisen ein mit intellektueller Präzision und feiner Liebenswürdigkeit sowie umfassender Wissenskompetenz begabter Zeuge der Wahrheit, die sich stets an Christus, dem Mensch gewordenen Wort der befreienden Wahrheit orientieren muss, in Zeiten des Relativismus und der Gottesverleugnung stört. Vor dem, was uns im Johannesevangelium (8,32) garantiert ist, haben nicht wenige gerade panische Angst: Veritas Liberabit Vos. Auch und vor allem deshalb, weil es eine hysterische Aversion gegen eine wirkliche, beglückende und gefüllte Freiheit gibt. Selbstverständlich haben Sie, Heiliger Vater, im Kern provoziert, als Sie das Diktatorische des vermeintlich so unverbindlichen Relativismus, den unter anderem Konstruktivismus und Naturalismus, aber auch das Auseinanderreißen von Glaube und Vernunft seit der Aufklärung beeinflusst haben, so sauber analysierend entlarvt haben.

Sie haben häufig deutlich gemacht, dass Freiheit an gemeinsame sittliche Maßstäbe und an die Wahrheit gebunden sein muss. Wird sie hingegen nur als ein Austausch von Beliebigkeiten verstanden, führt sie die Diktatur herauf, zumal Anarchie immer - so lehrt es die Geschichte - das Vehikel der Diktaturen war und ist 9. Auf meine Frage, ob die Aufklärung insgesamt heute noch sehr bruchstückhaft sei, antworteten Sie mir einmal:„Sie ist jedenfalls nicht auf den Weg gekommen, der ihr positives Wesen voll zur Erscheinung bringen könnte. Anders ausgedrückt: Es ist eine Reduktion der Vernunft erfolgt, weil sie zunächst einmal vom Glauben abgedrängt wurde und nur rein in sich selbst, ohne jeden Einfluss des Glaubens und der Offenbarung bestehen sollte. Das heißt, sie ist bewusst schwerhörig geworden gegenüber anderen Realitäten, eben gegenüber dem, was aus der Offenbarung, aus dem Glauben herauskommt. Sie darf es gar nicht hören, weil sie gar nicht mehr rein wäre, weil die Philosophie gar nicht mehr Philosophie wäre. So denkt man, und das führt dann dazu, dass schließlich nur noch gilt, was experimentell verifizierbar ist, dass also die Vernunft sich auf einen engen Sektor beschränkt, eben den naturwissenschaftlich ausweisbaren, und damit die großen Realitäten des Menschen ins Beliebige und Irrationale abschiebt. Dadurch entsteht eine Art Schizophrenie. Als vernünftig bleibt das Experimentierbare übrig. Alles andere, das heißt die großen eigentlichen Menschheitsfragen und Fragen jedes Einzelnen, werden ins Irrationale abgeschoben, und damit muss die Menschheit in ihrem Wesentlichen irrational werden.“ 10

Sie sind und waren stets ein Mann der Wahrheit und der aufgeklärten Aufklärung. In einem unserer Gespräche meinten Sie: „Wenn die Aufklärung nur immer den Weg, den sie eingeschlagen hat, weitergeht, dann zerstört sie sich selber, weil sie dann ihre Grundbegriffe – Freiheit, Vernünftigkeit et cetera – so radikalisiert, dass Freiheit als radikale Individualfreiheit zugleich Freiheitszerstörung wird, Vernunft sich verengt und von ihren Quellen abschneidet. Und insofern muss sie, gerade wenn sie ganz werden will, eine Selbstkritik betreiben, in der sie ihr eigentliches und richtiges Wesen findet.“ 11 Mit zarter Stimme waren Sie in allen Ihren Aufgaben eine unüberhörbare Mahnung zur Freiheit, die diese Welt so dringend braucht und die uns kein geringerer als Gott selbst schenkt und zutraut. Schließlich ist Er die wahre Liebe. Deus Caritas Est. Deus Veritas Est. Deus Libertas Est.

Ihr leises und zugleich starkes Wort wird trotz aller Versuche, es zu bekämpfen und zu vernichten, bleiben. Sie sind für mich ein Großer und ein vom Glauben gänzlich Durchseelter. Wenn Sie einmal ins himmlische Haus des Vaters gegangen sind, werden viele gläubige Seelen derer, denen Sie als Theologe, Seelsorger und Papst durch luzide Texte, Überlegungen und Ansagen viel Licht aus der göttlichen Wahrheitswirklichkeit aufzuzeigen und sehnsuchtserfüllt anzudeuten vermochten, sich lebhaft vorstellen können, wie der aus Bayern stammende Brückenbauer nun auf dem endgültigen Weg zur erfahrenden Anschauung dessen ist, auf den er sein ganzes irdisches Leben ausrichtete.

Diese Orientierung machte Sie reich in der Weitergabe der Wahrheit, die Sie als unruhig Beseelter unermüdlich suchten und die Sie mit Klugheit, Weisheit und liebenswürdiger Zärtlichkeit weitergeben, teilen und erlebbar machen wollten für möglichst viele Wanderer auf dem Weg durch eine Welt, die sich allzu häufig den Blick auf die einzig wirkliche Freiheit nicht mehr zuzutrauen scheint. Auch als Pontifex Maximus blieben Sie als Joseph Ratzinger jene bisweilen zerbrechlich erscheinende Persönlichkeit, die dem Streit lieber aus dem Weg ging und den Widrigkeiten einer von Unehrlichkeit und Gebrochenheit durchzogenen Falschheit des gelebten Seins fast schon scheue Fragezeichen entgegensetzte.

Ihr bischöflicher Wahlspruch war und blieb das Credo Ihres eigenen Auftrags: Wir sind Mitarbeiter der Wahrheit, Cooperatores Veritatis. Dies hat sich Ihnen bis ins die letzte Zelle Ihrer Lebens-DNA eingewurzelt. Nichts und niemand konnte Sie davon abbringen zu verkünden, dass diese Befähigung jedem Menschen geschenkt sei. Sie sind nicht nur der „Mozart der Theologie“, Sie sind auch ein vierfaches „P“: Poet, Priester, Prophet und Papst.

Ihre Liebe zur Wahrheit, die befreit und nachhaltige, belastbare Freiheit zu erschließen versteht, spiegelt sich in der für viele faszinierenden Liebe zur Sprache und zur geradezu ehrfurchtsvollen Genauigkeit des Wortes. Was mich als Medien- und Kommunikationsmenschen schon früh beeindruckte: Ihre Genauigkeit im Umgang mit dem Wort verwies darauf, dass Sprache eben mehr ist als ein Instrument der schnellen Kommunikation, sondern das Sein selbst zum Ausdruck bringen will und als Medium Wahres, Richtiges und Wichtiges zur Mitteilung bringen möchte. Durch Ihre Texte und erst recht in den persönlichen Begegnungen konnte man dicht und erhellend erfahren, dass es um Begegnung, Erkenntnis und Leben ging und geht. Das der Nachwelt geschenkte umfangreiche Schriftwerk macht die Erfahrung mit diesen Schatz auch weiterhin möglich.

Der Beginn des Johannesevangeliums „In principio erat verbum“ scheint dem späteren Papst eine bleibende Mahnung gewesen zu sein, den Anspruch Gottes gegenüber dem Wort nicht zu vergessen und ihm in menschlicher Gebrechlichkeit so edel wie möglich gerecht zu werden. Immerhin heißt es dort, dass im Anfang das Wort, der Logos, war, und dass der Logos Gott war – und dass aus dem Wort alles geworden ist. Bei Ratzinger, lieber Vater Benedikt, kann man immer wieder vor allem in den Texten erleben, wie in einer wahrhaftigen Sprache höchste Erkenntnisse und Verheißungen mit poetischer Liebenswürdigkeit und Klarheit dazu einladen, selbst und ohne überbordende Anstrengung geradezu leicht in höchste Geisteswelten aufzusteigen. Allein die Enzyklika „Deus Caritas Est“ (Gott ist die Liebe) ist nicht nur ein Bekenntnis, sondern eine von zärtlicher Liebe wortreiche Hinführung zu Gott selbst. „Bekehrung – das erste Wort des Christentums – kann nur verkündigen, wer selbst von ihrer Notwendigkeit berührt worden ist und darum die Größe von Gnade begriffen hat“, schrieben Sie zum Beispiel in Ihren Meditationen über die priesterliche Spiritualität „Diener eurer Freude“ 12.

Beinahe alles, was man in Ihren Büchern lesen kann, öffnet Horizonte der Weite für Geist und Seele. Sie machten immer wieder darauf aufmerksam, dass es entscheidend für den Mensch sei, seine Möglichkeit des Gutseins zu entdecken und zur Entfaltung zu bringen, um wirklich glücklich sein zu können. Heute aber ginge es vielfach nur um ein Wohlfühlen, was zu wenig sei. In diesem Zusammenhang haben Sie an vielen Stellen und zu verschiedenen Zeiten darauf aufmerksam gemacht, dass ein falsch verstandener Autonomiebegriff uns letztlich verkleinert, weil jeder Mensch erst dann zu sich selbst kommen kann, wenn er seine Berufung zur eigentlichen Größe erkennt, die jede immanente Autonomie übersteigt. Zu seiner wirklichen und wahren Größe kommt man wohl nur, wenn man die Nähe zu Gott sucht, wenn man – wie Sie es meiner Erinnerung nach häufig formuliert haben – bei Gott ist, nicht aber selbst Gott sein oder spielen will. Mir scheint in der Tat, dass hier ein Kernproblem unseres Freiheitsdenkens und unserer derzeitigen gesellschaftlichen Bewusstseinswirklichkeit beschrieben ist. Zugleich liegt hier eine besonders große Herausforderung für die Kirche, den – man möchte sagen: dynamischen – Kern der eigentlichen Wahrheitsbotschaft (wieder) zu entdecken und mehr zu verkünden als zeitgeistangepasste Beliebigkeiten, deren Inhalte bei jedem Windhauch sich zu verflüchtigen in der Gefahr sind. Bei Ihnen habe ich gelernt, dass die größte Freiheit und so gesehen auch Autonomie darin besteht, gemäß der Wahrheit zu werden und damit gemäß dem Plane Gottes zu sein und leben zu versuchen. Glauben ist mehr als jenes Wissen, das heute vielfach nur rein naturwissenschaftlich verstanden wird und damit zur Matrix eines verkürzten Seins degradiert wurde. All das, was so viele Menschen durch das Wahrnehmen Ihrer Gedanken und Worte nachdenklich und reich macht, kommt wohl aus einer Ihrerseits kultivierten Befähigung: Sie sind ein zutiefst Hinhörender, vor allem ein dem barmherzigen Schöpfer und ewigen Vater Lauschender, wodurch Sie zu einem feinen und zum Hören einladenden Lehrer und Künder des Wortes wurden.

An die Römische Kurie gerichtet sagten Sie am 23. Februar 2013 noch: „Die Wahrheit ist schön, Wahrheit und Schönheit gehören zusammen: Die Schönheit ist das Siegel der Wahrheit. Und dennoch haben Sie – ausgehend von den Psalmen und von unserer alltäglichen Erfahrung – deutlich hervorgehoben, dass dem "sehr schön" des sechsten Tages – wie dies der Schöpfer zum Ausdruck bringt – in dieser Welt ständig widersprochen wird, vom Bösen, vom Leid, von der Korruption. Und es scheint gleichsam, als wolle der Teufel ständig die Schöpfung beschmutzen, um Gott zu widersprechen und seine Wahrheit und Schönheit unkenntlich zu machen. In einer derart vom Bösen gezeichneten Welt müssen der "Logos", die ewige Schönheit und die ewige "Ars" wie ein "caput cruentatum" erscheinen. Der menschgewordene Sohn, der fleischgewordene "Logos", ist mit einer Dornenkrone gekrönt; und dennoch beginnen wir gerade so, in dieser leidenden Gestalt des Gottessohnes die tiefste Schönheit unseres Schöpfer und Erlösers zu sehen; dennoch können wir in der Stille der "finsteren Nacht" sein Wort hören. Glauben ist nichts anderes als in der Nacht der Welt die Hand Gottes berühren und so – in der Stille – das Wort hören, die Liebe sehen“ 13.

Wie ein roter Faden ziehen sich Ihre Verknüpfungen von Vernunft, Wahrheit und Schönheit durch Ihre Botschaften. Die Wahrheit könne und müsse stets das Ziel der wirklich aufgeklärten Vernunft sein, und dies drücke sich auch in der Schönheit aus, in der Wahrheit aufleuchtet. Heute müsse, darauf haben Sie unzählige Male hingewiesen, der Glaube erneut als Wahrheit ausgedrückt werden, die letztlich – man könnte sagen – schön und frei immer präsent ist.

Das Ignorieren der Wahrheit, wie es in der angeblich so modernen und humanen Welt der Diktatur des Relativismus mehr und mehr Gewohnheit wurde, störte Sie schon früh, den Sensiblen und letztlich Vorsichtigen, sehr. Sie warnten im Deutschen Bundestag am 22. September 2011 vor der „sich exklusiv gebenden positivistischen Vernunft, die über das Funktionieren hinaus nichts wahrnehmen“ könne und „den Betonbauten ohne Fenster, in denen wir uns Klima und Licht“ selber zu geben können einbilden. Doch dabei „können wir uns doch nicht verbergen, dass wir in dieser selbstgemachten Welt im Stillen doch aus den Vorräten Gottes schöpfen, die wir zu unseren Produkten umgestalten. Die Fenster müssen wieder aufgerissen werden, wir müssen wieder die Weite der Welt, den Himmel und die Erde sehen und all dies recht zu gebrauchen lernen.“

Wer wieder in die Weite, in das Ganze zurückfinden wolle, und wer dabei nicht möchte, dass die Vernunft wieder ihre Größe findet, ohne ins Irrationale abzugleiten, müsse nicht zuletzt die Ökologie, die Natur des Menschen wieder zulassen und neu entdecken. „Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend antworten.“ Und das bedeute im Blick auf den Menschen, dass er selbst seine Natur achtet und respektiert, sie keinesfalls beliebig manipulieren dürfe. „Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.“ 14

In einem längeren Gespräch sagten Sie mir 1996: „Leider ist es so, denn der Begriff Natur ist inzwischen von der Naturwissenschaft so beschlagnahmt, dass sein ursprünglicher philosophischer Gehalt dem heutigen Menschen sprachlich nicht mehr sichtbar, nicht mehr zugänglich ist. Dass hier sozusagen die Grundmuster der Wirklichkeit gemeint sind und nicht einzelne Verlaufsgesetzlichkeiten, das ist tatsächlich aus dem Blick geraten. Insgesamt würde ich das von Ihnen beschriebene Programm „Selbstkritik der Aufklärung“ nennen, auf dass sie ganz sie selber werde.“ 15

Gestatten Sie mir diese Bemerkung: Benedikt XVI. lebt aus den Glaubenswahrheiten heraus die lichtvolle Verkündigung. Das vom Zweiten Vatikanischen Konzil, das Sie als junger Professor der Theologie mitprägten, geforderte „Aggiornamento“ war für Sie stets die Herausforderung eines in die Zeit mit wachem Blick für die Wirklichkeit gerichteten Heutigwerden der immer gültigen Botschaft der Wahrheit. In Ihrem Buch „Dogma und Verkündigung“ lesen wir Sätze, die den Weitblick aus der Tiefe des Glaubens anzeigen. Ihr 1973 erstmals bis dahin unveröffentlichtes Manuskript „Kirche als Ort der Verkündigung“ wirkt heute wie ein - freilich nach wie vor störender - absolut notwendiger Fingerzeig. Sie sprechen da von der Notwendigkeit, „das allzeit Wachsende letztzeitig zu machen und so zugleich das Jetzt kritisch zu öffnen auf das Immerwährende hin, auf die Wahrheit“. Das wäre der eigentliche Sinn der Kirchlichkeit der Verkündigung, „die sich wirklich an dem misst, was Kirche eigentlich ist“. Und das sei „weit davon entfernt, bloße Fixierung des augenblicklich Geltenden zu sein“. Es klingt wie ein ganz aktueller Mahnruf an viele Verantwortliche in der Kirche heute, wenn Sie im Blick auf die Verkündigung der Kirche als dem „entschiedensten Einspruch gegen die Verabsolutierung des Heute“ reden. Die wahre Verkündigung hingegen fordert „die Bereitschaft zur Selbstüberschreitung vom Prediger und vom Hörer. Sie zieht in die Krise des Heute hinein, deren reales Zeichen der gekreuzigte Gerechte ist - der Gerechte und das Kreuz, der Gerechte und die Verstoßung in den Widerspruch, in das Leid hinein gehören zusammen.“ 16

Vor einer auch heute versuchsstarken Anpassung an den jeweiligen Zeitgeist oder - wie man heute zu sagen pflegt - Mainstream, die eine billige und falsche wäre, haben Sie wie ein Prophet immer wieder gewarnt. Die buchstäblich Not wendende Entweltlichung der Kirche Gottes war für Sie, den Schriftsteller, Theologen und Kirchenvater auf der Cathedra Petri, ohne Alternative. Joseph Ratzinger, Benedikt XVI. war und bleibt verständlich, unbequem, klar und einladend. Vor allem aber waren und sind Sie ein Mensch, bei dem man geradezu musikalisch schön erfahren und lernen konnte, wie aufbauend und lebensfroh, ja, wie befreiend und stärkend die Liebe zur Wahrheit sein kann. Vater Benedikt ist wahrhaftig ein Diener der Wahrheit in Liebe. Deo Gratias.

Bei unserer bislang letzten Begegnung haben wir uns verabschiedet mit einem „Auf Wiedersehen, wann und wo auch immer!“ Sie stimmten zu und wiederholten diese Worte langsam: wann und wo auch immer. So möchte ich auch heute meine bescheidenen Zeilen enden lassen:

Lieber Heiliger Vater, lieber Vater Benedikt,
in großer und herzlicher Dankbarkeit freue ich mich auf unser Wiedersehen.
Wann und wo auch immer.
Und wie bisher bitte ich um eine enge Verbundenheit im Gebet.

Ihr Martin Lohmann

Foto links: Papst em. Benedikt XVI. 2022 © Martin Lohmann/LohmannMedia

Fußnoten:
1 Joseph Ratzinger, Einführung in das Christentum, München 1968.
2 Josef Pieper, was heißt philosophieren? München 1973.
3 https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/joseph-ratzinger-gespraech100.html
4 ebenda.
5 Siehe Band 13 der Gesammelten Schriften, erschienen bei Herder.
6 Hans-Günther Kaufmann, Martin Lohmann, Mit den Augen des Heiligen Vaters. Benedikt XVI. - was er sah, was ihn prägte. Augsburg 2007.
7 Martin Lohmann, Maximum. Wie der Papst Deutschland verändert. Gütersloh 2007.
8 Georg Gänswein, Martin Lohmann, Katholisch. Wissen aus erster Hand, Freiburg 2010.
9 vgl. Martin Lohmann, Maximum. Wie der Papst Deutschland verändert. Gütersloh 2007, 61; zuvor in: Rheinischer Merkur / Christ und Welt 3. September 1996; auch dokumentiert in: Joseph Ratzinger, Gesammelte Schriften, Band XIII/III, Im Gespräch mit der Zeit, 1248.
10 ebenda, 1246.
11 Martin Lohmann, Maximum, 60.
12 Joseph Ratzinger/Benedikt XVI., Diener eurer Freude, Freiburg 2006
13 tent/benedict-xvi/en/speeches/2013/february/documents/hf_ben-xvi_spe_20130223_esercizi-spirituali.html
14 https://www.bundestag.de/parlament/geschichte/gastredner/benedict/rede-250244
15 vgl. Joseph Ratzinger/Benedikt XVI., Gesammelte Schriften 13, Freiburg 1245-1249
16 Joseph Ratzinger, Dogma und Verkündigung, München 1973, 25.


© 2022 www.kath.net