Ein großer Kirchenmann ist heimgegangen - Santo subito!

2. Jänner 2023 in Kommentar


Weltweit wird der nun heimgegangene Papst hoch verehrt. Nur in seiner Heimat wird er verachtet - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Rom (kath.net)

Es gibt sie auch posthum, jene sprungbereite Feindseligkeit, die den am Silvestertag verstorbenen Papst Benedikt XVI. zu Lebzeiten lange begleitet hatte. Gemeint sind damit nicht jene unterirdischen, nicht satisfaktionsfähigen Stellungnahmen von oft wenigen Worten, aus denen mehr Hass trieft, als man es sich als kultivierter Mensch ausdenken kann. Den Verstorbenen in die Hölle zu wünschen ist dabei das mindeste. Im Gegensatz zur Kirche übrigens, die im Laufe ihrer Geschichte viele Menschen heilig gesprochen hat, doch noch nie jemals einen Menschen – auch nicht den schlimmsten Unhold – unheilig gesprochen hat. Diese Hasspostings in sozialen Medien und an anderen Orten, wo sich ein widerwärtiges Publikationsprekariat austobt, sind bei weitem nicht so schlimm, wie diese subtilen Botschaften im Nimbus pseudokultivierter Verachtung, die dem verstorbenen Emeritus hinterher geworfen werden. Eine vom amtierenden Papst Franziskus erst jüngst verächtlich als „theologische Elite“ bezeichnete Gruppe in unserem Land tut sich darin derzeit besonders hervor. Einen jovial-charmant lächelnden Vorsitzenden mit professioneller Betroffenheitsstimme bei der offiziellen Pressekonferenz im Limburger Bischofshaus zu erleben, war eine echte Herausforderung.

Deutschland gibt seine Verachtung auch dadurch bekannt, dass man wohl auf ein offizielles Requiem der Kirche in Deutschland, zu der Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft geladen würden, verzichtet. Auch nach dem Tod des größten Theologen, der je auf dem Stuhl Petri gesessen hat, ändert sich der deutschkatholische Umgang mit dem deutschen Papst nicht. Es ist müßig, hier all jene Erwartbarkeiten aufzuschreiben, die man vorhersehen konnte und die nun gruselige Wirklichkeit werden.

Weitaus wichtiger ist es, nun mit nüchternem Geist auf die kommende Zeit zu schauen. In einem ersten Schritt gilt es, bald die Seligsprechung einzuleiten. Da der Verstorbene Bischof von Rom war, betrifft es die Diözese Rom, da der Bischof von Rom der Papst der ganzen Kirche ist, betrifft seine Seligsprechung die ganze Kirche. Das Gebet um die Seligsprechung von Papst Benedikt XVI. beginnt heute. Man könnte, den verstorbenen Heiligen Vater auch durchaus schon mal um seine Fürsprache anrufen. Niemand kann einem die persönliche Überzeugung der Heiligkeit eines Verstorbenen untersagen. Allein die Erlaubnis für die öffentliche Verehrung ist der Kirche vorbehalten. Es wird natürlich die Heiligsprechung folgen. Und am Ende wird man Papst Benedikt XVI. zum Kirchenlehrer erheben. Ob das noch einer von uns erleben wird, ist dabei unerheblich. Die Kirche denkt in Jahrhunderten. Unsere Zeit ist nichts mehr als ein Zwinkern im Auge der Kirchengeschichte.

Da der verstorbene Papst nichts von seiner Lehre im Geheimen geschrieben hat, sondern reichlich Bücher, Aufsätze, Predigten, Ansprachen, Grußworte, Apostolische Schreiben und Enzykliken hinterlassen hat, mag bitte jeder selber nachlesen, ob ihm der verstorbene Papst als Lehrer im Glauben taugt.

Letztendlich war der verstorbene Benedikt XVI. auch ein Prophet, der uns die Zukunft der Kirche kündete. Angefangen von jenem Aufsatz „Die neuen Heiden und die Kirche“, erschienen 1958 in der Zeitschrift Hochland bis hin zur Konzerthausrede im Jahr 2011 in Freiburg. Sowohl der erstgenannte Aufsatz als auch die Rede von der nötigen Entweltlichung der Kirche sind prophetische Rede. Ein Prophet ist einer, der von Gott den Auftrag hat, in seinem Namen zu reden, zu mahnen und den Weg zu weisen. Die Entweltlichung ist – unabhängig davon, ob Teile der Kirche ins Schisma gehen oder sich der Prozess der Apostasie einfach so fortsetzt – die Zukunft der Kirche in unserem Land. Nur durch Entweltlichung, das heißt durch eine radikale Entflechtung der Strukturen der Kirche aus den Strukturen des säkularen Staates kann die Kirche ihrem dreigliederigen Auftrag der Verkündigung, dem Gotteslob und der Caritas wieder gerecht werden. Wurde die Konzerthausrede von deutschen Kirchenfunktionären als Provokation empfunden, so lag den feinsinnigen Denker Joseph Ratzinger nichts ferner als dies. Auch geht mit dem gehaltenen Vortrag kein Akt der Jurisdiktion einher, als Papst hätte er die Entweltlichung anordnen können. Was eben von derart politiklastigen, ungeistlichen Milieu, wie dem deutschen Kirchenfunktionärswesen, gar nicht verstanden werden kann, dass Papst Benedikt XVI. über die Zukunft der Kirche gesprochen hat, die kommen wird. Es ging nicht um eine, die er herbeiführen wollte.

Ein einziges Mal hat der feinsinnige, sensible Theologe im Papstamt auf den harten Hammer der Jurisdiktion gesetzt. Dies war das Motu proprio „Summorum pontificum“. Es war ein Akt, der spontan einleuchtete. Das, was unsere Großeltern zu frommen, gottesfürchtigen Menschen gemacht hatte, konnte nicht auf einmal schlecht sein. Die Alte Messe war belastet durch den schismatischen Akt der Piusbruderschaft. Papst Benedikt bemühte sich auch hier um Heilung.

Auch wenn ein Motu proprio des Nachfolgers danach trachtet, dieses Werk wieder einzuholen, so wird dies nicht gelingen. Zu stark sind altrituelle Gemeinschaften längst in der Kirche verankert. Zu sehr orientiert sich ein sehr großer Teil des kirchlichen Nachwuchses genau dorthin, wo die Alte Messe gefeiert wird. Zu sehr ist gerade das der Ort, wo sich junge Familien einfinden und kirchlich angenommen fühlen. Die Protagonisten der sprungbereiten Feindseligkeit nehmen Papst Benedikt diesen Schritt so übel, wie nichts anderes. Zeigt es doch nur zu deutlich, was ein Papst mit Hilfe der Jurisdiktion erreichen kann. Und zeigt es doch überdeutlich, wie sehr der Mozart der Theologie statt auf Jurisdiktion auf Lehre, das heißt auf Vernunft setzte. Der Nachfolger ist etwas weniger zart besaitet, wie man schon öfter feststellen durfte.

Weltweit wird der nun heimgegangene Papst hoch verehrt. Nur in seiner Heimat wird er verachtet. Es ist wohl die Erblast des Protestantismus, die insgesamt auf unserem Land lastet und die auch die Kirche nicht verschont. Es weht – wer will das bestreiten – ein protestantischer Hauch durch unser Land wie durch unsere Bistümer. Schon als Theologe, als Bischof, als Präfekt der Glaubenskongregation und erst recht als Papst setzte sich der verstorbene für eine Ökumene der Vernunft ein, die sowohl in der weltweiten Orthodoxie als auch in der Welt der Lutheraner hoch geschätzt war. Die Erinnerung an die Ökumenische Begegnung in Erfurt ist hellwach. Der deutsche Papst, der große Theologe, nimmt persönlich das Gespräch mit der EKD auf. Eine Sternstunde der Vernunft und der gegenseitigen Wertschätzung war dies und es war eine Bauchlandung für ökumenischen Träumer. Noch immer lohnt es, die Ansprache des Heiligen Vaters bei dieser Begegnung zu lesen. Und wenn es einen Kernsatz gibt, der die Aufgabe der Ökumene beschreibt, dann ist es dieser: „Nicht Taktiken retten uns, retten das Christentum, sondern neu gedachter und neu gelebter Glaube, durch den Christus und mit ihm der lebendige Gott in diese unsere Welt hereintritt.“

Eine argentinische Journalistin kolportierte die letzten Worte des Verstorbenen. Damit hat der kleine Joseph aus Marktl am Inn, der am Karsamstag im Jahr 1927 geboren wurde und als Benedikt XVI. am Silvestertag des Jahres 2022 starb sein Leben und sein Streben, sein Forschen und sein Schreiben am Ende in vier Worten zusammengefasst. Er war wie Silvester Papst einer Zeitenwende. Er reiht sich mit seinen letzten Worten ein in eine Reihe große Gestalten unseres Glaubens, die am Ende nur noch Jesus allein vor Augen hatten. „Jesus, sis mihi Jesus“, sagte der selige Nils Stensen vor seinem Tod. Möge es vielen Menschen auf dieser Welt gelingen, am Ende ihres Lebens zu erkennen, dass es darum und nur darum geht. Das ist die letzte und vielleicht die größte Lehre, die uns der verstorbenen Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. hinterlassen konnte. Seine Habilitationsschrift umfasste 900 Seiten. Sein geistliches Testament immerhin umfasst 4200 Zeichen. Es brauchte ein ganzes Leben, um zu suchen, zu fragen, zu lesen, zu schreiben, zu forschen und vor allem zu beten, um die Lehre der Kirche am Ende in vier Worte zu fassen: „Jesus, ich liebe Dich“.


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