6. Jänner 2023 in Kommentar
"Ich bin enttäsucht, wie in unserer Kirche in Deutschland in weiten Teilen mit dem Tod von Benedikt XVI. umgegangen wird. Das ist kein neues Gefühl..." Gastkommentar von Susanne Wenzel
Paderborn (kath.net/Neue Katholische Frauenbewegung) In meiner Heimatstadt, die im Erzbistum Paderborn liegt, gibt es zwei große Pastoralverbünde mit insgesamt 8 Kirchen. Seit Tagen bin ich verzweifelt auf der Suche nach Informationen, ob ein Requiem für Benedikt XVI. gefeiert wird oder wenigstens die Kirchen zum Gebet geöffnet sind. Alles ist verriegelt und verrammelt, wie man so sagt. Nicht einmal ein Aushang mit einem Gebetsbild o. ä. ist an unseren Kirchen zu finden. Stattdessen ganz wichtige Hinweise zum „verantwortungsbewussten Temperieren von Gotteshäusern“. Der Tod des emeritierten Papstes verliert gegen die Weihnachtsferien. Weihnachtsferien? Gibt es das in der Kirche überhaupt? In der neuen deutschen Kirche mit den ganzen synodalen Irrungen und den Maria 2.0ern ist das offenbar die neue Form der Verkündigung und Seelsorge. Oder ist das diese „Work-Life-Balance“, von der neuerdings alle reden? Egal. Hauptsache, die Regenbogenfahnen wehen im Wind der Zeit.
Und während ich mit meinem Mann im Auto unterwegs bin, spüre ich diese Mischung aus Trauer, Traurigkeit und Ärger, die sich in den letzten Tagen immer weiter in mir ausbreitet. Darüber, wie in unserer Kirche in Deutschland in weiten Teilen mit dem Tod von Benedikt XVI. umgegangen wird und auch darüber, wie in vielen Kommentaren, Diskussionen, Beiträgen und schnell gedrehten oder bereits vorbereiteten Filmchen dieser Theologe und Papst – und auch der Mensch – behandelt wird. Es geht mir nicht um eine wütende Generalabrechnung. Ich bin einfach traurig und enttäuscht. Dass ich mich oft für den Umgang mit Benedikt in Deutschland geschämt habe in der Vergangenheit, ist kein neues Gefühl. Ich war es – wie wahrscheinlich auch viele andere – gewohnt, dass ich von Katholiken aus dem Ausland seit 2005 immer mal empört gefragt wurde „Wie geht Ihr eigentlich mit unserem Papst in Deutschland um?“ und „Wie könnt Ihr einen von Euch nur immer wieder so heruntermachen?“.
Seit Tagen habe ich einen Satz von Gabriele Kuby im Ohr, den sie 2013 anlässlich des Rücktrittes von Papst Benedikt XVI. geschrieben hat: „Wie schade, dass wir [die Deutschen] die Chance verpasst haben, uns an diesem großen Papst aufzurichten“. Dieser Satz gilt heute ebenso wie damals.
Vor einigen Jahren war ich einige Tage in Polen in Westpommern, also weit weg von Heimat- und Wirkungsstätten Karol Wojtylas, aber ich war freudig überrascht, dass offenbar gefühlt in jeder Stadt, in die ich kam, ein Denkmal steht oder zumindest an einer Kirche eine Plakette mit seinem Konterfei angebracht wurde. Wie sehr beneide ich die Polen, die bis heute stolz sind auf „ihren“ Johannes Paul II..
Und dann sehe und höre ich – vornehmlich in den Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – die Kommentare und Wortmeldungen der letzten Tage seit dem Heimgang unseres lieben Papa emeritus. Angefangen am Samstag, unmittelbar nach der Nachrichtenmeldung vom Tod des Papstes, im Radio-Kommentar natürlich der Hinweis auf „Hitlers Flakhelfer“, ganz so, als habe ihn Adolf persönlich ausgewählt. In diesem Stil ging es vielfach weiter. Die Rede war vom „umstrittenen Intellektuellen“, der „irritierend“ gewesen sei und so weiter und so fort. Man mag schon gar nicht mehr zuhören.
Wie wenig wird in Deutschland beachtet, dass die ganze Welt derzeit über die immense Bedeutung des Theologen Ratzinger spricht, während deutsche Kritikaster den Rücktritt als „große Leistung“ sehen. Ja, nicht einmal im Tod können sie ihn ertragen und echauffieren sich über die offene Aufbahrung seines Leichnams im Petersdom. Man versucht, einen „Gescheiterten“ aus ihm zu machen, nicht nur als Papst, auch als Emeritus, wie ein „ehemaliger Assistent und späterer Freund“ zitiert wird. Er habe mit seinen Wortmeldungen Franziskus immer wieder „dazwischen gegrätscht“, heißt es. Sind das Behauptungen wider besseres Wissen oder schon bösartige Unterstellungen? In seinem Aufsatz zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, der unter dem Titel „Ja, es gibt Sünde in der Kirche“ auch als Büchlein erschienen ist, schreibt Benedikt XVI., „Nach Kontakten mit Staatssekretär Kardinal Parolin und dem Heiligen Vater selbst scheint es mir richtig, den so entstandenen Text im „Klerusblatt“ zu veröffentlichen“. Die Fakten sprechen also wieder eine andere Sprache.
Aber damit nicht genug. Ja, es scheint mir sogar, dass man nun gerne den gesamten Schmutz des Missbrauchs auf Benedikt abladen will. Man bezichtigt ihn der Vertuschung und der Lüge, obwohl auch hier die Fakten offen und für jeden erreichbar auf dem Tisch liegen, u. a. nachlesbar in Seewalds großer Biografie, immerhin ein Spiegel-Bestseller. Dieselbe Kampagne, die man – eingeleitet mit Hochhuths „Stellvertreter“ – gegen Pius XII. so erfolgreich gefahren hat, versucht man nun auf Benedikt und den Missbrauch anzuwenden: „Er hat es gewusst und nichts getan bzw. aktiv vertuscht „. Wir sind aufgerufen, uns als Zeitgenossen an die Seite der unmittelbaren Zeitzeugen zu stellen, die den Papst auf seinem Weg begleitet haben und unermüdlich in den vergangenen Tagen Zeugnis von der Person Joseph Ratzingers und dessen Wirken und Werk abgelegt haben. Auch Schriften wie das wertvolle Dossier der Tagespost Stiftung „Der Wegbereiter“ , das auch den oben zitierten von Benedikt verfassten Aufsatz enthält, helfen dabei.
Es ist beschämend und peinlich, wie Deutschland mit diesem großen Papst und Kirchenlehrer umgeht. Aber seine Verfolger und Kritiker, die sich in „sprungbereiter Feindseligkeit“ nun noch einmal erheben, irren sich. Deutschland ist für die Bewertung dieses Mannes und seines bedeutenden Werkes nicht maßgeblich. Und in 200 Jahren wird man immer noch über den Kirchenlehrer Benedikt XVI., diesen „Mozart der Theologie“, sprechen, während von all jenen, die nun tief im Unterirdischen schöpfen, niemand mehr etwas weiß und ihre Artikel mit den Zerrbildern und Falschdarstellungen längst vergessen sind.
Dieser Gedanke lässt mich ruhig werden. Und ganz in diesem Sinne habe ich gerade heute Nachmittag noch das kleine Büchlein „Bilder der Hoffnung – Wanderungen durch das Kirchenjahr“ von Kardinal Ratzinger herausgeholt und an der Krippe seine Betrachtung zu Weihnachten, „Ochs und Esel an der Krippe“, gelesen und mich noch einmal an der Schönheit und Klarheit seiner Gedanken erfreut, mit denen er uns hier in das Weihnachtsgeheimnis einführt und beschreibt, wie Gott eben Ochs und Esel Augen und Ohren geöffnet hat, damit sie IHN erkennen.
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