Santo Subito!

9. Jänner 2023 in Spirituelles


Aber dann plötzlich erschallen immer lauterer Rufe „Santo subito“ und ein brausender Applaus erfüllt den Petersplatz. Plakate werden enthüllt und die Jugendlichen rufen immer lauter Be-ne-det-to - Ein Bericht von Sabrina Birkhof aus Rom


Rom (kath.net)

Ich kann es nicht glauben, Papst Benedikt ist tot. Erst wenige Minuten vorher habe ich gelesen, dass es ihm besser geht, sein Zustand stabil ist. Und doch ist jetzt das eingetreten, was schon lange voraussehbar war, mich aber trotzdem eiskalt erwischt. Das Wunder, welches ich mir erhoffte ist nicht eingetreten.

Mein erster Gedanke war, ich muss nach Rom, um mich von Papst Benedikt zu verabschieden, ich habe ihm so viel zu verdanken, ich möchte ihn noch einmal sehen dürfen.

Dann wird mir plötzlich bewusst, dass schon ein kleines Wunder geschehen ist, da ich diese Woche Urlaub habe, und mich wirklich nach Rom aufmachen darf.

Und meine Reise beginnt wirklich gesegnet, ich finde einen günstigen Flug, und eine Unterkunft keine 400m vom Vatikan entfernt. Ich habe das Gefühl, dass Papst Benedikt alle Wege für mich ebnet, alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumt.

Als ich dann am Mittwochmorgen den Petersplatz betrete, ist er in ein wunderbares Licht gehüllt, die Sonne vergoldet ihn, aber doch klopft mein Herz bis zum Hals, vor dem was mich jetzt erwartet. Da es noch früh am Morgen ist, sind nur wenige Menschen im Petersdom, um Papst Benedikt die letzte Ehre zu erweisen. Die Stimmung ist getragen, fast feierlich, im Hintergrund höre ich das Beten des Rosenkranzes. Ich werde innerlich still und bereite mich auf den Anblick von Papst Benedikt vor. Als ich vor ihm stehe, spüre ich einen tiefen inneren Frieden, er strahlt auch noch im Tod Güte und Liebe aus, und ich möchte einfach länger bei ihm verweilen, was mir leider verwehrt wird. Im Herzen halte ich ihm alle Gebetsanliegen hin, die mir von so vielen lieben Menschen mitgegeben wurden.

Berührend für mich sind die Gläubigen im Petersdom, auch wenn sie nicht direkt bei Benedikt verweilen dürfen, beten sie, knien oder stehen am Rand. Ich sehe Tränen in ihren Augen, aber auch Dankbarkeit, sie möchten bleiben, nicht weggehen. Eine wohltuende, majestätische Stille erfüllt den Dom, und erst jetzt fällt mir auf, dass die Menschen im Dom nicht laut reden, lachen oder umhergehen. Nein, sie sind gekommen, um sich von Ihrem Hirten, Ihrem Vater zu verabschieden.

Innerlich tief bewegt bekomme ich am Nachmittag die große Gnade geschenkt, im abgetrennten Bereich, bei Papst Benedikt zu verweilen. Ganz nahe knie ich bei ihm, halte ihm alles hin, was mein Herz bewegt, und kann nicht verhindern, dass Tränen über mein Gesicht laufen, es sind Tränen der Trauer, aber auch der Dankbarkeit, und mir wird klar, dass ich ab jetzt einen Fürsprecher im Himmel habe. Benedikt lässt uns nicht allein, er geht uns nur voraus. Auch wenn der Abschied weh tut, es ist kein Abschied für immer. Traurig, aber tief getröstet verlasse ich den Dom, und durch Zufall darf ich an   einem Requiem für Papst Benedikt im Campo Santo Teutonico teilnehmen. Die Predigt des jungen Diakons lässt mich aufhorchen, er spricht davon, wie gerade Papst Benedikt der Jugend viel geben kann. Und ja, es stimmt, viele junge Menschen sind in Rom, um sich von Benedikt zu verabschieden, haben die Strapazen einer langen Anreise auf sich genommen.

Was sind das für Menschen, die hierher nach Rom kommen? Was bewegt sie?  Diese Frage stelle ich mir immer öfters und die Gespräche mit ihnen berühren mich zutiefst.

Der junge Diakon erzählt mir, dass er seine Doktorarbeit über die Schriften von Papst Benedikt schreibt, und dass er eigentlich schon fertig sein könnte, aber er studiert und liest viel mehr, als er benötigt. So sehr haben ihn die Worte Benedikts in den Bann gezogen, und ihm auch seine Berufung zum Priester geschenkt.

Kurz danach komme ich mit einem Arzt ins Gespräch, der auch Diakon ist, und auch er berichtet, wie ihm die Schriften Benedikts Richtung und Weg weisen.

Die Jugendlichen, mit denen ich in Kontakt komme, sagen, dass Papst Benedikt ihnen eine klare, authentische, katholische Lehre aufgezeigt hat, die ihnen hilft, ihren katholischen Glauben in der heutigen Zeit treu zu leben. Die Gesichter dieser jungen Menschen leuchten, ihre Augen glänzen, und sie strahlen eine große Zuversicht aus. Immer wieder kommen Sie auf die Jugendtage mit Papst Benedikt zu sprechen, die ihnen so viel geschenkt haben. Ich fühle mich von diesen jungen Menschen beschenkt, da mir klar wird, dass Papst Benedikt eine gute Saat ausgesät hat, diese Saat wird aufgehen und die Kirche von innen her erneuern, davon bin ich überzeugt.

Am Abend im Restaurant komme ich mit einer Dame und einem Herrn aus Berlin ins Gespräch. Sie ist gläubige Katholikin und hatte den Eindruck, dass sie zum Begräbnis kommen muss. Der Mann ist eher skeptisch, und dann vertraut er mir an, dass er schon lange aus der katholischen Kirche austreten will, dass er sich ihr entfremdet hat. Seine Bekannte hat ihn überredet mit nach Rom zum Begräbnis zu kommen. Ja, dies soll für ihn jetzt der letzte große Test sein, ob der Glaube ihn noch trägt, ob er hier Gemeinschaft erfahren kann, ob Papst Benedikt ihn innerlich erreicht. Ich gebe ihm noch den Rat, möglichst weit nach vorn zu gehen, damit er wirklich die Gemeinschaft erfahren kann, und bitte Papst Benedikt innerlich, dass er sein Herz berühren möge. Leider habe ich ihn nicht mehr gesehen, aber ich hoffe, dass Christus ihm am Petersplatz die Flamme des Glaubens wieder geschenkt hat.

Am Tag des Begräbnisses werde ich schon kurz vor 4.00 Uhr wach und höre auf der Straße Gruppen von Menschen, die sich schon Richtung Petersdom aufgemacht haben. Und wieder sind es viele Gruppen mit jungen Menschen, darunter auch mehrere Busse aus Bayern.

Das Requiem hat nicht diese empathische Stimmung, wie bei Papst Johannes Paul II., nein es ist eine Stimmung der Bescheidenheit, des Gebetes, der Andacht. Ich habe freien Blick auf den Sarg und ich habe Angst vor dem Augenblick des endgültigen Abschieds. Aber dann plötzlich erschallen immer lauterer Rufe „Santo subito“ und ein brausender Applaus erfüllt den Petersplatz. Plakate werden enthüllt und die Jugendlichen rufen immer lauter Be-ne-det-to. Fast kommt ein wenig Weltjugendtagsstimmung auf dem Petersplatz auf. Tränen und Lachen vermischen sich, und eine stille Freude bricht durch. Selbst die Sonne, die den ganzen Vormittag unter einer tiefen Nebelwand verborgen war, bricht etwas hervor und der Himmel öffnet sich für das Licht Ihrer Strahlen.

Bei einem letzten Cappuccino komme ich mit einer Französin ins Gespräch, deren Mann seit gestern im Krankenhaus liegt, sie hat vier Kinder von denen drei frei für Gott sind. Sie ist extra alleine hergekommen, um sich von Papst Benedikt zu verabschieden, und um für Heilung für ihren Gatten und Kraft für sich selber zu bitten. Sie ist davon überzeugt, dass Benedikt selbst sie nach Rom gerufen hat.

Auch eine Bekannte ist ohne Familie beim Begräbnis. Obwohl sie einen Italiener geheiratet hat, und Ihre Verwandtschaft in Rom lebt, ist sie allein da, und auf meine Frage, wo ihre Kinder und ihr Mann sind, sagt sie leise, zuhause, sie verstehen es nicht. Und ich spüre die unausgesprochene Bitte der Bekehrung für ihre Familie in ihrem Herzen.

Bei der Sicherheitskontrolle komme ich mit einer älteren Dame aus Schweden ins Gespräch, die extra aus der Diaspora angereist ist, um Papst Benedikt noch einmal zu sehen.

Der Flughafen wimmelt von Kardinälen, Bischöfen, Priestern und Ordensleuten und mir wird auf einmal bewusst, was all diese Menschen, denen ich in den letzten Tagen begegnen durfte, dazu gebracht hat nach Rom zu reisen. Es ist die Liebe, sie lieben Papst Benedikt aus ganzem Herzen, er ist für sie geistlicher Vater und Berater geworden, der sie zu Christus geführt hat.

„Deus Caritas Est“ – Gott ist die Liebe, das ist die Botschaft unseres geliebten Heiligen Vaters Papst Benedikt und diese Liebe durfte ich in den letzten Tagen ganz intensiv in Rom erleben.

Das Wunder, welches ich mir erhofft habe, ist doch eingetreten, aber anders als ich es wollte und auch ich kann nur noch sagen, danke lieber Papst Benedikt. „Santo Subito“!

 

Begegnungen in Rom:

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