Schüller in Bestform

24. Jänner 2023 in Kommentar


Otti's Optik: Oder doch nur "Ansichten eines Clowns"? - Ein Kommentar von Franz Norbert Otterbeck


Linz (kath.net)

Es gibt Kirchenrechtler und Kirchenselbstgerechtler. Thomas Schüller aus Köln, tätig im westfälischen Exil, zählt sich selber gewiss zur ersten Gruppe. Vielleicht hegt er sogar einen bescheidenen Genieverdacht gegen sich. So kommt es, dass er am 17. Januar in Kevelaer sprechen durfte: Eine Stunde frontaler Unterricht vor etwa 40 Hörern. Das ist für heutige kirchliche Verhältnisse ein großes Publikum. Altersschwerpunkt 65-85. Ich zählte mal wieder zu den drei jüngsten Gästen. Der älteste Hörer im Saal war Graf von Loe (96), der am kirchlichen Geschehen in und um Kevelaer seit Jahrzehnten immer regen Anteil nimmt. Die Jugend fehlte, es sei denn der frische Referent in Turnschuhen (Jg. 1961) zählt noch dazu.

Zu konzedieren ist zunächst, dass Schüller bei weitem konziser und konzilianter spricht als man es von seinen Medienattacken her kennt. Welche Rechnungen seit wann mit seiner Lieblingszielscheibe offen sind, dem Kölner Kardinal: Wer weiß es? Sein Thema war diesmal etwas anders gelagert. Die Krise der Kirche. Er sprach vor allem über Missbrauch und den Synodalen Weg, kaum aber über den Missbrauch des irreführend so genannten Synodalen Wegs. Es wurden durchaus facettenreich und streckenweise sogar zustimmungsfähig Tatsachen geboten. Allerdings sprach der Referent, etwas lustlos von einem Subsidiar begrüßt - in Vertretung des kurlaubenden Hausherrn, zu leise, zu schnell und zu undeutlich. Die Akustik im historischen Speisesaal des "Priesterhauses" ist schlecht, insbesondere wenn man am Rednerpult ständig unter dem Mikro hindurchnuschelt. Im WDR kommt Schüller besser rüber, aber da passen ja auch Profis auf, dass die "message" sitzt. Der Redner war sich darüber im Klaren, dass viele seiner Hörer schon etwas schwerhörig sind und kündigte selber an, langsam und deutlich sprechen zu wollen. Er tat es nicht. Wegen der "selbstkritischen" Ansage wagte dann nur einer, einmal, ihn aufzufordern: nicht mehr schneller zu werden. Vergebens. Gegen Ende des über-engagierten Vortrags konnte dem Stakkato, zum synodalen "Machtforum", wohl niemand mehr folgen. "Schluss, aus." So die letzten Worte, bevor ein Imbiss mit Suppe gereicht wurde.

Was bleibt hängen? Die überwältigende Mehrheit des Auditoriums hat vermutlich gar nichts verstanden, von einzelnen Reizworten abgesehen. Es kam auch nicht die spannende Atmosphäre eines geistigen Austausches auf oder eines gemeinsamen Erkenntnisgewinns. Katholiken sind immer noch sehr brav, wenn ihre Bildungswerke rufen. Das erinnert an eine Anekdote, die Theo Köhren, Jugendpfleger des Kreises Brilon, mir aus seiner katholischen Vorkriegsjugend erzählte: "Der Referent ist sicher gern bereit, Fragen zu beantworten." So sagte der Pfarrer. Den Jugendlichen hatte man zuvor aber eingeschärft bitte nichts zu fragen, um den Ablauf nicht zu stören. Obwohl die Alten von heute viel jünger sind als die Jugend von damals: gut erzogen sind sie immer noch, heute also treu den Idealen der Marke "68". Auch wenn alles in Scherben fällt, was ihnen heilig war.

Thomas Schüller ist konfessionspolitisch klar verortet. Aber er spricht nicht ganz so parteilich wie man es als aufgeklärter Mitbürger erwarten müsste: Es gibt auch klampfende Liberalgeistliche, die missbrauchen. Die pädophile Präferenzstörung ist nur bei 2% der Täter anzutreffen. Es gibt auch homosexuelle Täter. Das alles räumt er ein. Wenngleich diese Tendenz (er sagte: Orientierung) nicht zwangsläufig zur Tat führt. (Richtig.) Warum aber nimmt, frage ich, die einstmals progressive Partei, weitab fortgetrieben von den heutigen "Zeichen der Zeit", die Glaubensverdunstung achselzuckend hin? Den Untergang einer ganzen christkatholischen Zivilisation mit dem Etikett: 'Volkskirche'? Einfach so? Widerstandslos! Sie ist kein Naturgeschehen, auch kein Klimawandel. Wer heute Klimaschutz fordert, der müsste umso mehr "Glaubensschutz" fordern, also aktives Engagement für Christus und Seine Kirche. Man will jedoch den kollektiven Irrtum, speziell hinsichtlich der Geschichtsdeutung, um keinen Preis gestehen. Schüller ließ uns exemplarisch teilhaben an seiner Motivation für das Theologiestudium. Im Zivildienst im Kölner Norden erlebte er den Einsatz der Kirchengemeinde für Benachteiligte, deren "Option für die Armen" sozusagen. Ich erinnere mich an die kurzschlüssigen Motive, die in den Siebzigern und Achtzigern die etwas älteren Jugendlichen bewegten. Sogar der Obermessdiener im Dorf Kervenheim, von einem Bauernhof stammend, weitläufig verwandt mit dem hl. Arnold Janssen aus Goch, rühmte 1980 den "Befreiungstheologen" Robert Mugabe, dann bis 2017 Diktator in Zimbabwe (zuvor Rhodesien). Manche dieser Motive waren edel, nicht aber die Kurzschlüsse. Wir etwas jüngeren Katholiken waren dann schon vom hl. Papst Johannes Paul II. geprägt und entdeckten die innere Kohärenz des katholischen Dogmas wieder neu. Wie auch die tatsächlich befreiende Kraft eines Lebens aus den Sakramenten Christi, gegenwärtig in der Kirche Christi, die im Wesentlichen frei ist vom Veränderungsdruck der Aktualität (die jetzt "nach rechts" zwänge, gäbe es nicht das prätentiös 'linke' Dogma dieser Generation "Bäshing"). Schüller ließ uns auch teilhaben an dem Furor, den seine Einordnung des "Synodalen Wegs" als rechtliches Nullum ihm einbrachte. Namen der Bischöfe, die schonmal hitzige E-Mails austeilen, braucht man hier gar nicht zu nennen. Es ist ja längst bekannt, dass solche Bischöfe die "Menschenfreundlichkeit Gottes" wie eine Monstranz vor sich hertragen. Wenn ihnen aber 'einer dumm kommt', dann meint man das cholerische Gebrüll vom Domplatz X oder Y bis an den Niederrhein zu hören. Immerhin erfuhren wir auch, dass Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Sternberg vom Zentralkomitee ohne Katholiken seinerzeit erwog, in Rom eine kirchenrechtlich saubere Synode beantragen zu lassen. Es wäre besser gewesen.

Schüller vergoss einige Tränchen wegen der Kirchenaustritte seiner Brüder. Die kinderreiche Familie fühlte sich einst noch vom Beichtstuhl gegängelt. Aber ob das so zutreffen kann? Hat die Kirche etwa "Sexualmoral" verkündet, anstelle Jesu Christi Wort und Weisung? Und kann sie wirklich auf Gottes Gebot verzichten, als ob dieses auch im Kern zeitbedingt sei? Man sollte das Christkind auch in der Nachweihnachtszeit nicht ganz so leichthin mit dem lauen Bade wegschütten. "Hab' Vertrauen" kann niemand befehlen, schon gar nicht, wenn dem exzessiven Geständnis, "ja, wir waren Verbrecher", die apodiktische Behauptung folgt: "ab morgen sind wir wieder gut, ja sogar besser". Das glaube ich weder Kardinal Marx noch Kardinal Woelki. Denn glaubhaft ist nur die Liebe. Eine deutsche Kirche, die von der Liebe Christi schweigt, an sich real präsent in ihr, hat ihren Untergang fraglos verdient. Thomas Schüller wusste insofern auch in Kevelaer keine Auswege aus der Krise anzubieten, auch in persönlicher "Bestform" nicht. Aber vielleicht bin auch nur ich der unbelehrbare Klassenclown, der den treudeutschen Frontalunterricht mit derben Scherzen stört. (Nicht aber im Priesterhaus!) Der Gang der Dinge wird zeigen, wer der Clown war - und wer vielleicht ein kleiner Prophet.

 


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