24. Jänner 2023 in Kommentar
Kardinal nach polarisierender Überschrift von Nachrichtenagenturen: „Wichtig, sich an den Inhalten zu orientieren, nicht an den marktschreierischen Überschriften der Zeitungen, die … reißerisch formuliert werden.“ Von Gerhard Cardinal Müller
Vatikan (kath.net/pl) Zu dem Artikel „ Scharfe Kritik“ ist klarzustellen, dass ich als katholischer Theologe und erst recht als Bischof und Kardinal niemals den Heiligen Vater kritisieren würde, in dem Sinn der Relativierung seiner Autorität, die dem römischen Papst gemäß der Primatslehre des I. und II. Vatikanums zukommt.
Ich habe mich früher auch gegen die öffentlichen Kritiker von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gewandt, welche die klar vorgetragene katholische Glaubenslehre im Namen ihres falschen Modernismus oder Progressismus in Frage gestellt haben und die nun als Neo-Superpapisten Papst Franziskus als Zeugen ihrer falschen Ansichten instrumentalisieren.
In dem Interviewbuch habe ich auf Fragen hin die katholische Glaubenslehre zu einigen missverstehbaren Äußerungen dargestellt und problematische Personalentscheidungen (Entlassung von guten Mitarbeitern, die sich nichts zuschulden kommen ließen u.ä) ins rechte Licht gerückt.
Es muss eine fachliche Antwort möglich sein auf die Beunruhigung der Gläubigen, wieso etwa in der Frage Unauflöslichkeit der Ehe und des Kommunionempfangs für Katholiken in ungültiger Ehe vom göttlichen Gebot dispensiert werden kann, während man beim Messritus nach der alten oder neueren Form auf absoluten Gehorsam gegenüber Geboten nur kirchlichen (also nicht göttlichen) Rechtes pocht.
Eine Korrektur missverständlichen Sprechens und Handelns kommt den Brüdern des Papstes im Bischofsrang durchaus zu, wie schon Paulus es gegenüber Petrus einmal getan hat, ohne den Primat des Petrus und seinen Dienst an der Einheit der Kirche im geoffenbarten Glauben im geringsten in Frage zu stellen. Papst Franziskus hat den hl. Irenäus von Lyon zum Lehrer der Einheit erhoben wohl wissend, dass dieser „Vater der katholischen Dogmatik“ und Vorkämpfer gegen die glaubenszersetzende Gnosis, den damaligen Papst Viktor I. wegen dessen überscharfen Maßnahmen gegen die kleinasiatischen Kirchen wegen des unterschiedlichen Ostertermins um mehr Zurückhaltung und Umsicht bat.
Warum wir heute auch im innerkirchlichen Umgang miteinander so vorsichtig sein müssen, ist der Tatsache geschuldet, dass jede kleinste Verschiedenheit ausgebeutet wird, um die Kirche als einen zerstrittenen Verein zu diffamieren und um die Glaubwürdigkeit des Evangeliums zu untergraben. Gewiss ist auch im „Vatikan“ nicht alles Gold, was glänzt. Aber es geht im Großen und Ganzen immer noch menschlicher zu als in den meisten politischen und ökonomischen Machtzentren. Der Unterschied liegt nur darin, dass wir als Jünger Christi uns nicht an den innerweltlichen Maßstäben messen lassen, sondern uns am Geist Christi auszurichten haben. Wem mehr gegeben ist, von dem wird auch mehr verlangt. Ein Rotweinfleck auf einem weißen Hemd fällt mehr ins Auge als zehn auf einem schwarzen Hemd.
Papst Franziskus hat das genannte Buch schon mit großem Interesse gelesen und weiß, dass es den Bischöfen und allen Katholiken selbst bei unterschiedlichen Zugängen immer um das Wohl der Kirche Christi und um das Heil der Seelen gehen muss und nicht um Selbstprofilierung gemäß einem verweltlichten Denken.
Allgemein gesagt ist es für jeden aufmerksamen Zeitgenossen wichtig, sich an den Inhalten von Büchern, Artikeln und Interviews zu orientieren und nicht an den marktschreierischen Überschriften der Zeitungen, die nur zu Verkaufszwecken so reißerisch formuliert werden.
Anm. der kath.net-Redaktion: Der kritisierte Beitrag stammt aus deutschsprachigen katholischen Nachrichtenagenturen und wurde verschiedentlich von katholischen (und anderen) Medien übernommen. kath.net hat die "marktschreierische" Überschrift der Nachrichtenagenturen inzwischen bei sich entschärft. Der ursprüngliche Titel lautete: "Scharfe Kritik von Kardinal Müller an Papst Franziskus".
Archivfoto: Kardinal Müller im Presseraum des Vatikans (c) Michael Hesemann
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