"... und es gibt sie doch: die Diamanten"

14. Februar 2023 in Kommentar


Otti's Optik: Auch Priesterjubiläen werden seltener. Jubelbischöfe noch seltener - Von Franz Norbert Otterbeck


Köln (kath.net)

Neulich feierte ein außergewöhnlicher Priester ein außergewöhnliches Jubiläum, das diamantene. Sechzig Jahre im Dienst als Priester Christi. Die Festmesse zeigte einmal mehr, dass man auch "novus ordo" andächtig und würdig zelebrieren kann, wenn der Priester in seinem Beruf zuhause ist. Nämlich ganz auf der Höhe der Aussagen des jüngsten Konzils und nicht abgerutscht in das abgeflachte Priesterbild derzeitiger deutscher Bischöfe oder Theologen.

In meinem Heimatdorf, zu Kevelaer eingemeindet, war ich einer von rund 100 Messdienern des "Herrn Pastor", wie wir sagten. Fast 100 Messdiener bei etwas über 1.200 Seelen (seit 1978 auch Mädchen). So war das mit den geburtenstarken Jahrgängen im ländlich-katholischen Raum. Ein seelsorgliches Thema war damals noch die Rückgewinnung der Arbeiterschaft für die Kirche. Heute gibt es kaum noch Arbeiter, aber "zurückgewinnen" müsste die Kirche 99 verlorene von 100 Schafen. Oder vielleicht 98. Der "Kirchgang" in Kervenheim wird in Bälde 2% unterschreiten (damals 30-40%). Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff?

Es gibt sie noch, die Diamanten unter den Priestern. Sie gehen auf die 90 zu. Bei den jüngeren sind die Begabungen seltener. Was soll man etwa von einem Dechant denken, der in der Festpredigt fast nichts über den Jubilar zu sagen weiß und nichts über das Priestertum. Er trug die Litanei vom Konzil als Umbruch vor, tausendmal gehört. Tausendmal ist nichts passiert. Oder immer weniger. Die Statistik verschweigt man lieber. Sie konterkariert die Vision. Allerdings weiß der Prediger mit einer Regenbogenstola zu provozieren. Gibt es dafür im Bistum Münster inzwischen eine Dienstanweisung? Jubiläen von Priestern, die für die herkömmliche Familie eintreten, sind in "Regenbogenfarben" zu begleiten? Im Gähn-Bistum ist diesbezüglich ja inzwischen alles vorstellbar.

Größe und Elend des "nachkonziliaren Ansatzes" war auch in Kervenheim präsent: Pfarrgemeinderat, Pfarrfest, Pfarrbrief, Pfarrcaritas, Pfarrheim. Von all den vielen Initiativen, die Dr. Heinrich Valentin 1977-1982 ergriff, zehrte der gleichfalls gebildete, aber bequeme Nachfolger noch volle zwanzig Jahre. Nach der Fusion (2014) gleitet die Seelsorge allmählich in den Standby-Modus. Mir vermittelte unser alter Pastor damals den Zugang zur Kirche, auf eine fundierte Weise. Das Fundament wäre aber, wie bei vielen Gleichaltrigen, schnell wieder erschüttert worden, hätte ich nicht anschließend den 'integralen Humanismus' von Papst Johannes Paul II. entdecken dürfen. Die frühe Preisgabe seines Pfarramtes vor gut 40 Jahren ist allerdings auch symptomatisch für die seit Jahrzehnten von ziemlicher Idiotie geprägte Personalpolitik derer von Münster: Man hatte den höchstqualifizierten Theologen 1977 in dem kleinen Ort platziert, damit er gleichzeitig Erwachsenenbildung am Norberthaus in Xanten leistet (lange abgewickelt) und am Internat Gaesdonck bei Goch unterrichtet. Dieses wird heute auf "woke" umgestellt; und dient vor allem als Zuflucht höherer Töchter und Söhne, die am Niederrhein dem "Pöbel" im staatlichen Schulwesen ausweichen. Nebenbei bemerkt: Das Glasfenster für Bischof Heinrich Maria Janssen aus Rindern hat man dort geflissentlich entfernt, um nicht Anstoß zu erregen. Heinrich Maria war ein Diamant unter den deutschen Bischöfen, dem bis auf den heutigen Tag nicht eine einzige Missetat zur Last gelegt werden kann. Nützt aber nichts: Damnatio memoriae.

So wird das herabgewirtschaftete Bistum auch weiterhin mit seinen besten Kräften verfahren, bis zum absoluten Nullpunkt. "Bistum Münster. Alles platt." Denn es geht ja um die "neuen Formate". Miteinander unterwegs? Mit niemandem nach nirgendwo. Das Konzil, für das Dr. Valentin steht wie kaum ein zweiter in der Region, wollte mehr: Mehr und tiefere Liturgie, mehr tätige Teilnahme, mehr von der Heiligen Schrift im Leben der Kirche, mehr lebendige Gemeinden, mehr Gottesnähe, mehr Menschenliebe, mehr Engagement, mehr Profil. Christus ist das Licht der Völker. Die letzte Nachgeburt dieser Epoche krächzt dann vielleicht noch: "Vielfalt" und wedelt mit der 'rainbowflag'. Das aber wäre nicht der "Christ in der Gegenwart", sondern eine platte Schande. Also wird man "die Tradition" wieder aufgreifen müssen. Vielleicht sogar in der Liturgie mehr und mehr, gerade weil Papst Franziskus dem älteren Ritus geradezu putinesk die Vernichtung androht. Vielfalt? Nur beim Sex?

Es wären noch andere Diamanten des priesterlichen Dienstes zu nennen. Das Autorenduo Hoffmann-Voosen hat eine ganze Reihe vortrefflicher Portraits vorlegt: Und es gibt sie doch! Priester in guter Erinnerung. Aber die Jubiläen werden allmählich weniger werden. Bischof Genn hat schon mehrere Jahre ohne Priesterweihen oder fast ohne Priesterweihen zu verantworten. Stattdessen werden Zertifikate für "Eingrabler*innen" im Laiendienst verteilt. Denn es gibt ja noch ein paar Jahre etwas Nachfrage nach "kirchlicher" Beerdigung, zunehmend als Urnenbeisetzung. Dieser Dienst ist Priestern anscheinend nicht mehr zumutbar. Denn die müssen sich a priori um das Vermögen und die "Mitarbeiter" (und Quertreiber) kümmern - und wollen es oft so. Burnout? Psychische Probleme? Suspendiert? Konversion! Die altkatholische Konfession in Deutschland, aus nationalen Motiven gegründet, hat bald mehr "Priester" als Laien. Sie ist also auch kein attraktives Erfolgsmodell.

Da trifft es sich gut, dass der Diamant unter den Reportern von klatsche.de, Chr. P. Hartmann, sich kürzlich in Essen herumtrieb und die Bistumsspitze interviewte. Die niedliche Personalchefin redete so das übliche. Aber der Bischof 0. von €.? Der müsste doch was zur Zukunft zu sagen wissen. "Scheitern als Chance" oder so. Ich zitiere nur dies: "Wir leben in einer so differenzierten und diversifizierten Welt, dass es im Grunde unmöglich ist, mit den uns gegebenen Möglichkeiten jedem individuellen Glaubensbedürfnis vollumfänglich zu entsprechen. Den Menschen muss klar sein: Ein derart flächendeckendes, von Hauptamtlichen verantwortetes Angebot wie in der Vergangenheit wird es nicht mehr geben. Das ist wahrscheinlich einer der großen Kulturschritte, die wir gehen müssen: Ein Bewusstsein für die Notwendigkeit zu schaffen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was Christsein unter den beschriebenen Bedingungen wirklich bedeutet und wie es gelingen kann. Zu oft wird alles, was nicht mehr so ist wie früher, schnell als eine negative Entwicklung gesehen. Es ist aber ein nächster Schritt auf dem Weg des Christentums, hin zu einer neuen Form der Identitätsfindung in unserer Welt, die in der Tat mehr Energie kostet als die frühere. Diese neue Identität wird bescheidener sein. Sie wächst in dem Bewusstsein, dass viele Menschen – auf dem Gebiet des Bistums Essen die allermeisten – ohne eine praktizierte, öffentlich wahrnehmbare Religiosität leben. Gelebte Religiosität ist, ähnlich wie der Glaube an Gott, gesellschaftlich betrachtet keine Selbstverständlichkeit mehr und dadurch auch viel erklärungsbedürftiger als früher."

Na dann, erkläre mal! Die Kulturschritte des Abbruchs, der bewussten "Disruption", wie Bischof Pustefix so schön sagt. Bischof Stahlblick sagt es ganz kompliziert, aber vernehmbar: "Wir geben nichts." Und das so kurz nach dem diamanten Jubiläum des Konzilsbeginns. Im ganzen Interview kommt Jesus Christus nicht einmal vor. Der gute Geist Gottes wird knapp gestreift. Der Bischof spricht nicht einmal mehr wie ein Soziologe, eher wie ein Meteorologe. Kaltfront von hier, Warmfront vielleicht von da. Er wollte wohl dem jungen Journalisten gefallen. Aber was will man von Mister 'Ich-habe-dazugelernt' auch erwarten. Man lernt immer dazu. Vielleicht feiert er bald eine Homosegnung im alten Ritus, ganz ungehorsam gegen Rom?

Vor diesem Hintergrund ist mit Zulauf zur Priesterausbildung zwischen Maas und Oder nicht mehr zu rechnen. Die blechernen Kommentare unserer Bischofshelden zum "Prager Fenstersturz", zur kontinentalen Etappe des Synodalismus, brauche ich nicht mehr zu kommentieren. Diese Clique mit Öko-Mitra und Himmelstab (man mag die Krümme des Hirten nicht mehr, bevorzugt den gereckten Stab) wird noch einige Jahre Bezüge beziehen, um durch ziemlich leere Kathedralen zu schreiten. Noch nicht einmal ihre entlohnten Mitarbeiter sind da, um Segen zu empfangen. "Schicht im Schacht", sagte man an der Ruhr. Bei "Ruhrbischof" denken die Leute auch dort heute eher an die gefährliche Krankheit anstatt an einen Mann Gottes. Erklärungsbedürftig. Doch die priesterlichen Diamanten, die gibt es noch. Bleiben wir ihnen dankbar und überwintern wir, mit ihrer Hilfe, in Gottes Gnade und Barmherzigkeit.


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