16. Februar 2023 in Weltkirche
Kirchlichen Quellen zufolge will Machthaber Ortega eine Kontaktaufnahme des Bischofs mit anderen politischen Gefangenen verhindern - US-Außenministerium und Europas Bischofskonferenzen verurteilen Menschenrechtsverbrechen
Managua (kath.net/KAP) Der vergangene Woche in Nicaragua zu 26 Jahren Gefängnis verurteilte katholische Bischof Rolando Alvarez dürfte sich derzeit im Gefängnis "La Modelo" in Einzelhaft befinden: Darauf deutet ein Bericht der oppositionellen Plattform "Despacho 505" hin, der sich auf anonyme kirchliche Quellen und Leute aus der Haftanstalt beruft. Machthaber Daniel Ortega selbst habe verfügt, dass der Bischof von Matagalpa keinen Kontakt zu anderen politischen Gefangenen habe, hieß es. Eine offizielle Benachrichtigung an die Kirche oder an die Verwandten über das genaue weitere Schicksal des am 11. Februar verurteilten Dissidenten-Bischofs habe es bisher nicht gegeben.
Der Bischof werde in der als "El Infernillo" (die kleine Hölle) bezeichneten Zelle 300 der in der Ortschaft Tipitapa bei Managua gelegenen Justizanstalt festgehalten, hieß es in dem Bericht. Unter Bezugnahme auf eine andere kirchliche Auskunftsperson wird erwähnt, dass Nicaraguas Vizepräsidentin Rosario Murillo gegenüber Kardinal Leopoldo Brenes angedeutet habe, dass der Fall Alvarez direkt in den Händen von Präsident Ortega - ihrem Ehemann - liege und nicht bei ihr.
Bischof Alvarez prangerte in der Vergangenheit Menschenrechtsverletzungen und die herrschenden Zustände in Nicaragua offen an. Machthaber Ortega brachte u.a. bei einer Ansprache am 9. Februar seinen Hass auf Alvarez zum Ausdruck. Der Präsident behauptete dabei, dass sich der Bischof geweigert habe, Anordnungen der Regierung zu befolgen. Zudem sei Alvarez von einem "Wahn" besessen, sich für das "Oberhaupt der Kirche in Nicaragua und Lateinamerika" zu halten und sogar Papst werden zu wollen. Kaum 24 Stunden später nach seiner Rede verurteilte die sandinistische Justiz den Bischof von Matagalpa in vier Anklagepunkten zu 26 Jahren und vier Monaten Gefängnis, zudem zu einer Geldstrafe und zum Verlust seiner Bürgerrechte.
USA und Europas Bischöfe fordern Freilassung
Unmittelbar vor seiner Verurteilung hatte Bischof Alvarez das Angebot abgelehnt, das Land gemeinsam mit weiteren 222 politischen Gefangenen zu verlassen. Seitens der USA, die die Dissidenten aufnahmen und humanitäre Visa für sie ausstellte, verurteilte Außenministeriums-Sprecher Ned Price am Dienstag das Vorgehen Nicaraguas und forderte erneut "die sofortige Freilassung von Bischof Alvarez" sowie aller politisch Gefangenen, die nur dafür in Haft seien, dass sie von ihren Rechten Gebrauch gemacht hätten. Das "entschiedene Eintreten" von Papst Franziskus für den inhaftierten Bischof - er hatte am Sonntag seine Solidarität bekundet - begrüßte der Sprecher.
Neben zahlreichen Ortskirchen weltweit verurteilte zuletzt auch der Vorsitzende des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), Erzbischof Gintaras Grusas, das Vorgehen des Ortega-Regimes. "Im Namen der Vorsitzenden der europäischen Bischofskonferenzen" drückte er in einer Erklärung am Dienstag Nähe und Solidarität aller europäischen Bischöfe "zu den Bürgern und der katholischen Kirche Nicaraguas" aus. Alle Bischöfe sollten ihre jeweiligen Regierungen auf die "schwere Verletzung der Rechtsstaatlichkeit in Nicaragua" aufmerksam machen, so Grusas. Der CCEE-Präsident forderte zudem die Freilassung der politischen Gefangenen sowie einen "Dialog, der zu einem gerechten sozialen Frieden führen kann".
Besondere Kritik äußerte Grusas am Prozess gegen Alvarez. Es sei völlig unklar, welche Anschuldigungen gegen den schon seit August 2022 inhaftierten Bischof erhoben worden seien, abgesehen von den offiziellen Vorwürfen der "Falschinformation" und des "Verrats". Weder der Verlauf des Prozesses noch die Urteilsbegründung seien öffentlich gemacht worden. Grusas: "Die Kirche hat nie etwas anderes gewollt, als zum Wohl des Landes beizutragen, dem sie dient. Selbst in Zeiten größter Verfolgung hat die Kirche die Schwächsten unterstützt, die Leidenden getröstet und ihnen Zuflucht gewährt. Sie tut dies auch in Nicaragua."
Aktion scharf gegen Priester
Inzwischen geht die Repression gegen die katholische Kirche, die in Nicaragua als wichtigste Gegenstimme zum Ortega-Regime nach erfolgter Verhaftung aller Oppositionsspitzen gilt, weiter. "Despacho 505" berichtete am Dienstag (Ortszeit) von einer Polizeirazzia bei einem anderen hohen Geistlichen in der Ortschaft Monimbo sowie von Einschüchterungen gegen mehrere Pfarrer in den Ortschaften Telpaneca, Madriz und Ciudad Antigua, die Bischof Alvarez sowie die Reaktion von Papst Franziskus in ihren Predigten erwähnt hatten. Teils seien die Geistlichen auch vorübergehend inhaftiert und später unter Androhung von Strafen wieder freigelassen worden, hieß es.
Berichtet wird zudem von dem seit 40 Jahren in Nicaragua lebenden Ordensmann Cosimo Damiano Muratori, der von Bischof Alvarez wegen der Verweigerung des Exils als "richtigen Mann, der die Hosen anhat und sagte: Schmeißt mich ins Gefängnis, aber ich gehe nicht" gesprochen hatte. Der Missionar wurde von der Polizei wegen angeblichen Vergewaltigungsvorwürfen in seiner Heimat Italien an Interpol ausgeliefert. Nachforschungen des Portals "100%News" ergaben, dass keine derartigen Vorwürfe oder Nennungen auf Listen gesuchter Personen vorliegen.
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