Bischof in türkischem Erdbebengebiet: "Wie nach Atomkrieg"

1. März 2023 in Weltkirche


Apostolischer Vikar von Anatolien: Ausmaß der Zerstörung in Antakya, dem antiken Antiochia und ersten Zentrum der frühen Christen, kaum zu begreifen, "wenn man es nicht mit eigenen Augen sieht"


Rom/Antakya (kath.net/KAP) Von "apokalyptischen" Zerstörungen in Antakya, dem antiken Antiochia und ersten Zentrum der frühen Christen, berichtet der katholische Bischof der Osttürkei, Paolo Bizzeti, nach einem erneuten Besuch der Stadt in der türkisch-syrischen Erdbebenregion. Es sei ein "Szenario wie nach einem Atomkrieg"; kilometerweit gebe es kein einziges Haus, das repariert werden könne, sagte der Apostolische Vikar von Anatolien dem Pressedienst "AsiaNews" (Dienstag). Große Teil Antakyas, das zu einer vom Militär bewachten Geisterstadt geworden sei, würden "von Millionen Tonnen Schutt erstickt". Die dramatische Lage sei kaum zu begreifen, "wenn man es nicht mit eigenen Augen sieht".

Am 6. Februar hatten zwei Beben der Stärke 7,7 und 7,6 die Südosttürkei und den Nordwesten Syriens erschüttert. Seither wurden mindestens 9.000 Nachbeben verspürt, von denen einige von enormer Stärke waren. Die Zahl der Todesopfer liegt nach offiziellen Angaben inzwischen bei mehr als 50.000. Eine plausible Zählung der Opfer sei aber "schwierig, fast unmöglich", so Bischof Bizzeti. So hätten sich in der Bebenregion etwa auch mehr als 150.000 Flüchtlinge aus Syrien aufgehalten. Ein Verschwinden dieser Menschen würde niemand bei offiziellen Stellen melden, so der Bischof.

Die kleine Ortskirche und die Caritas stellen den Bebenopfern u.a. über Essensausgaben nach Kräften Hilfe zur Verfügung, sagte Bizzeti der auch Präsident von "Caritas Türkei" ist. Auch erste Wiederaufbauprojekte werden laut dem Bischof geprüft. Bei der von der EU für Mitte März geplanten internationalen Geberkonferenz müsse es "präzise und klare Vereinbarungen" geben, forderte Bizzeti. Die Hilfe für die Erdbebenopfer dürfe, anders als in der Flüchtlingskrise, nicht nur aus Geldüberweisungen bestehen.

Das heutige Antakya war das erste Zentrum der frühen Christen. Die biblische Apostelgeschichte erwähnt, dass die Jünger Christi erstmals in Antiochia Christen (griechisch: "christianoi") genannt wurden. Hier wirkten Paulus und Petrus, der auch Bischof in Antiochien gewesen sein soll. Die Grottenkirche am Stadtrand, die der Überlieferung nach sein Bischofssitz war, hat der jüngsten Bebenserie laut Berichten bisher standgehalten.

Bizzeti ist für den kirchlichen Verwaltungsbezirk Anatolien zuständig, der die Osthälfte der Türkei umfasst und als sogenanntes Apostolisches Vikariat direkt dem Papst unterstellt ist. Der 75-jährige Jesuit hat seinen Bischofssitz in Iskenderun, das von dem Erdbeben ebenfalls schwer getroffen wurde. Die Kathedralkirche ist zerstört; intakte kirchliche Räume wurden für obdachlos gewordene Erdbebenopfer geöffnet. Das gesamte Apostolische Vikariat Anatolien zählt nach Vatikanangaben 2.750 Katholiken.

Siehe auch Link: Die Nachfahrin der neutestamentlichen Stadt Antiochia, Antakya, „gibt es nicht mehr“ - Türken sagen, das Erdbeben löschte eine Stadt und eine Zivilisation aus“

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