"Die Kunst ist es ja, zwischen Sünde und Sünder zu unterscheiden"

11. März 2023 in Interview


Der nach seiner Weihnachtspredigt von vielen Medien gescholtene Pater Joachim Wernersbach erzählt in einem kath.net-Interview, wie er mit dem Reiz-Thema LGBTQ in der alltäglichen Seelsorge umgeht - Von Michael Koder


Wittichenau/Sachsen (kath.net/mk) Der katholische Pater Joachim Wernersbach war Anfang des Jahres in der Kritik gestanden, weil er an Heiligabend in der Pfarrkirche von Wittichenau (Sachsen) die Familie als aus „Mann, Frau und Kind“ bestehend und Gender, wokeness und multiple Geschlechter als „seltsame moderne“ Strömungen bezeichnet hatte – kath.net hat berichtet . kath.net hat nun bei Wernersbach nachgefragt, wie er nach dem medialen Sturm der Entrüstung mit dem heiklen Thema in der alltäglichen Seelsorge umgeht.

kath.net: Pater Wernersbach, wie gehen Sie mit dem Thema Familienformen/LGBTQ in der alltäglichen Seelsorge-/Predigttätigkeit in Wittichenau um?

Pater Joachim Wernersbach: Das Thema kommt in der alltäglichen Seelsorge nur selten vor. Nur in Beichtgesprächen wird das Thema angesprochen, wenn in der Familie eine Situation entstanden ist, wo ein Familienmitglied dem traditionellen Familienbild nicht mehr nachfolgt. Da ist Trost und Zuspruch erforderlich, damit es nicht zu Verwerfungen und womöglich Trennung kommt. Die Kunst ist es ja, zwischen Sünde und Sünder zu unterscheiden, besonders auch in der Familie. Es ist wichtig, die Beziehungen aufrechtzuerhalten, auch wenn das Verhalten eines Familienmitglieds nicht der göttlichen Ordnung entspricht.

In der Predigt kommt das Thema LGBTQ sehr selten vor. Ich richte mich nach den Vorgaben des Evangeliums und behandele das Thema Familie und auch Lebensschutz dann, wenn das Evangelium die Themen anspricht. Das ist an Weihnachten und am Fest der Heiligen Familie der Fall, aber auch an Mariä Empfängnis oder ähnlichen Festen, wie zum Beispiel dem Gedenktag des heiligen Johannes Paul II., der ja ein ausgesprochener Kämpfer für die Kultur des Lebens war.

Generell kann man sagen, dass in der Gemeinde nun eine große Mehrheit weiß, was mit dem Begriff LGBTQ überhaupt gemeint ist. Die Diskussion nach Weihnachten war aufgrund der medialen Aufmerksamkeit ziemlich rege.

kath.net: Bischof Ipolt hat Ihnen ja aufgetragen, die Einheit der Gemeinde zu wahren. Wie erleben Sie das in Ihrem Alltag? Ist das angesichts der politischen/gesellschaftlichen/kirchlichen Brisanz dieses Themas überhaupt möglich?

Pater Wernersbach: Natürlich hat der Bischof Recht, wenn er fordert, die Einheit der Gemeinde muss gewahrt werden. Ein Seelsorger ist grundsätzlich für alle da. In der Praxis ist das gar nicht so leicht, eben weil es ganz unterschiedliche Auffassungen gibt. Man wird also niemals alle in der Gemeinde gleich ansprechen können. Man kann nur in individuellen Gesprächen auf die Meinungen der Menschen eingehen und dann in sanfter Weise versuchen, auf das hinzuweisen, was Gott uns offenbart hat. Das klappt in der Regel ganz gut, wenn auch so gut wie nie eine Meinungsänderung stattfindet. Zumindest geht man im Guten auseinander.

In der Kirche während der Gottesdienste selbst gibt es keine Konflikte. Die Gottesdienstbesucher, die regelmäßig kommen, sind an Gottes Wort interessiert und freuen sich, wenn man nicht das wiederholt, was die Medien bereits veröffentlicht haben, sondern Jesu Wort hervorhebt. Sie wollen gestärkt werden im Festhalten an der göttlichen Ordnung, damit sie dann außerhalb der Kirche nicht so leicht durch die Medien und den sogenannten Mainstream manipuliert werden können.  

kath.net: Hatten Sie bei der Vorbereitung der Predigt mit einem derartigen Sturm der Entrüstung gerechnet?

Pater Wernersbach: Nein. Die Reaktion hat mich vollkommen überrascht. Ich hatte ja schon immer meine Bedenken hinsichtlich einiger moderner Strömungen geäußert und bin damit auf viel Zuspruch gestoßen. Diesmal war das anders, weil durch die Medien das Ganze eine andere Richtung bekam. Es wurden nun Schlagworte verwendet, die mit der Predigt nichts mehr zu tun hatten. Da war von Hassrede und Homophobie die Rede. Dann wurde kräftig drauflos geschlagen. Der Text der Predigt wurde gar nicht mehr beachtet.

Eigentlich war die Predigt harmlos. Es ging um die Heiligkeit der Familie. Schaut man in die Krippe hinein, dann sieht man Maria, Josef und Jesus. Anders formuliert: Mann, Frau und Kind. Das hat doch eine Bedeutung, nicht wahr? Weiterhin ging es um die Heiligkeit des Lebens von der Empfängnis an. Jesus ist doch nicht in einem Raumschiff zur Erde gekommen und hat gesagt: „Da bin Ich.“ Nein, Er ist im Mutterleib herangewachsen.

Sodann habe ich ein paar moderne Strömungen benannt, die nicht im Einklang mit der göttlichen Ordnung sind. So zum Beispiel Gender, Transhumanismus, Geschlechtsumwandlung, und einige andere mehr, eben auch LGBTIQ. Auch habe ich ein innerkirchliches Problem zur Sprache gebracht, nämlich das von der Tradition abweichende neue Offenbarungsverständnis, das den Zeitgeist als Quelle der Offenbarung bezeichnet. Eine große Dissonanz ist durch all diese Strömungen über unser Land hereingebrochen.

Doch damit war die Predigt nicht zu Ende. Sie endete eher versöhnlich. Christus ist nämlich genau deshalb zu uns gekommen, um diese Dissonanzen in Harmonien aufzulösen und alle mit Sich zu versöhnen. Schlimm wie manche modernen Strömungen auch sein mögen, es gibt die Möglichkeit der Versöhnung mit Gott, wenn wir bereit sind, auf Ihn zu hören.

kath.net: Haben Sie den Eindruck, dass Sie nun in der Pfarrei unter „verschärfter Beobachtung“ stehen, und wie gehen Sie damit um?

Pater Wernersbach: Nach der Kampagne in den Medien war ich natürlich etwas bedrückt und habe mich gefragt, wie ich mich nun in der Gemeinde verhalten soll. Jedoch war der Zuspruch derart enorm, dass ich mich weiterhin ganz normal bewegen kann. Hunderte von Mails, Briefen und Whatsapps hatten mich erreicht, und noch heute kommen Leute auf mich zu und sagen, wie froh sie sind, dass ich diese Predigt gehalten habe.

Bestimmt gibt es auch Menschen, die mir überhaupt nicht zustimmen. Allerdings ist von denen bis auf vier Personen keiner auf mich zugekommen, um ihr Missfallen auszudrücken. Insofern ist es mir auch heute noch ein Rätsel, wie es zu der Kampagne kommen konnte.

kath.net: Danke für das Interview!

Foto: Symbolbild


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