Polens Regierungschef verurteilt Vorwurf gegen Johannes Paul II.

10. März 2023 in Chronik


Ministerpräsident Morawiecki: Nur "sehr, sehr zweifelhafte" Belege für Anschuldigen gegen Karol Wojtyla zum Umgang mit Missbrauchsfällen - Kinderschutz-Koordinator der Bischofskonferenz: Für gerechte Beurteilung "weitere Archivrecherche" nötig


Warschau (kath.net/KAP) Im Streit um den Vorwurf der Missbrauchsvertuschung gegen Papst Johannes Paul II. (1978-2005) nimmt nun auch Polens Regierungschef den Landsmann in Schutz. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki erklärte er laut Katholischer Nachrichten-Agentur (KNA) in einem von ihm am Mittwoch in Sozialen Medien veröffentlichten Video: "Ich verteidige heute unseren geliebten Papst, weil ich wie die eindeutige Mehrheit meiner Landsleute weiß, dass wir Johannes Paul II. als Volk sehr, sehr viel verdanken, vielleicht alles verdanken."

Es gebe eine "Unmenge von Beweisen" dafür, dass der frühere Papst auch in der Kirche gegen "Schandtaten" gekämpft habe. Hingegen gebe es keine oder nur "sehr, sehr zweifelhafte" Belege, dass Johannes Paul II. solche Taten bewusst ignoriert habe, so Morawiecki, ohne sexuellen Missbrauch durch Geistliche beim Namen zu nennen.

Die "Attacken" auf das einstige Kirchenoberhaupt verurteilte der nationalkonservative Regierungschef scharf: "Heute tobt der Krieg nicht nur außerhalb unserer östlichen Grenze. Leider gibt es Kreise, die versuchen, bei uns in Polen keinen militärischen, aber einen Zivilisationskrieg auszulösen." Denn bei den Angriffen auf den Papst aus Polen handele es sich nicht um eine zivilisierte Debatte oder einen Bürgerstreit. Sie gehen laut ihm von Kreisen aus, die statt Tradition, Kultur und Normalität eine Revolution wollen, "die das bisherige Leben der Mehrheit der Gesellschaft auf den Kopf stellt".

Anschuldigungen in TV-Bericht

Der Fernsehsender TVN24 hatte Johannes Paul II. zuletzt in einem Bericht des Journalisten Marcin Gutowski beschuldigt, in seiner Zeit als Erzbischof von Krakau in den 1970er Jahren von Missbrauchsfällen gewusst zu haben. Trotzdem habe er die Täter weiter als Priester in Pfarren arbeiten lassen. Für seine Recherchen stützte sich Gutowski auf Dokumente der ehemaligen kommunistischen Geheimpolizei SB, einzelne Dokumente der Kirche und Gespräche mit ehemaligen Angestellten der Erzdiözese Krakau. Auch Betroffene von sexualisierter Gewalt durch Geistliche, die Karol Wojtyla als Erzbischof unterstellt gewesen seien, kamen in dem TV-Bericht zu Wort. Der Zugang zu Archiven der Erzdiözese Krakau wurde Gutowski nach eigenen Angaben verweigert.

Einer der Priester, die des Kindesmissbrauchs beschuldigt wurden, sei vom späteren Papst nach Österreich geschickt worden, hieß es in dem Fernsehbericht unter anderem. Kardinal Wojtyla habe für ihn ein Empfehlungsschreiben an den damaligen Wiener Erzbischof Kardinal Franz König geschrieben, ohne diesen über die Vorwürfe gegen den Priester zu informieren.

Die Erzdiözese Wien bestätigte am Montag, dass es zu dem betreffenden Geistlichen keinen Hinweis aus Krakau in Sachen Missbrauch gegeben habe. "Wir haben das untersucht, als wir Anfang Jänner dieses Jahres eine Anfrage aus Polen erhielten. In unseren Akten gibt es auch keine Hinweise auf mögliche Taten während der Zeit in Österreich", erklärte Sprecher Michael Prüller. Auch bei der Unabhängigen Opferschutzkommission sei keine Anschuldigung gegen den Priester bekannt.

"Weitere Archivrecherche" nötig

In Polen wies der Krakauer Erzbischof Marek Jedraszewski die gegen Johannes Paul erhobenen Vorwürfe energisch zurück. Aktuell laufe mit "Lügen und Unterstellungen" eine "Operation zur Zerstörung der leuchtenden Erinnerung an ihn", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz am Dienstagabend bei einem Gottesdienst in Krakau. Es werde versucht, die Autorität des früheren Papstes zu untergraben. "Wir müssen kämpfen", so Jedraszewski laut KNA.

Zurückhaltender äußerte sich der Koordinator der Polnischen Bischofskonferenz für den Schutz von Kindern und Jugendlichen, Pater Adam Zak. So seien zwei der im TV-Bericht von Gutowski vorgestellten Fälle, zu denen in den Archiven des polnischen Instituts für nationales Gedenken (IPN) Akten staatlicher Strafverfahren vorhanden sind, bereits seit mehreren Monaten bekannt. Der dritte Fall des von Kardinal Wojtyla nach Österreich vermittelten Priesters werde nicht auf der Grundlage staatsanwaltschaftlicher oder gerichtlicher Ermittlungen, sondern aufgrund der Akten der kommunistischen staatlichen Sicherheitsdienste geschildert, erklärte Zak in einer vom Sekretariat der Bischofskonferenz verbreiteten Stellungnahme.

Zak sprach sich darin für eine "weitere Archivrecherche" aus. Sie sei für eine "gerechte Beurteilung der Entscheidungen und Handlungen" von Wojtyla während seiner Zeit als Krakauer Erzbischof notwendig.

"Unkenntnis der Realitäten"

Vor dem TV-Bericht hatte bereits vor einigen Wochen der niederländische Autor Ekke Overbeek in einem Enthüllungsbuch unter dem Titel "Maxima Culpa" ähnliche Vorwürfe gegen Johannes Paul II. erhoben. In Polen wurde dazu auch Kritik laut, die Overbeek unzureichende Kenntnisse der historischen Realitäten der Volksrepublik Polen zu kommunistischer Zeit und Unzuverlässigkeit beim Umgang mit den Quellen vorwarf.

Er habe den Eindruck, dass das Buch "geschrieben wurde, um eine vorgefasste Meinung wiederzugeben", zitierte etwa die polnische katholische Nachrichtenagentur KAI den Historiker Marek Lasota. Der Autor berücksichtige bei seiner Analyse der Dokumente nur die Umstände und Schlussfolgerungen, die seiner These dienlich seien, so der Experte. Lasota ist selbst Mitarbeiter des nationalen Gedenkinstituts IPN und hat schon vor Jahren unter dem Titel "Anzeige gegen Wojtyla" ("Donos na Wojtyle") ein Buch über die Überwachung des späteren Papstes durch den kommunistischen Geheimdienst verfasst.

Dem niederländischen Autor Overbeek warf Lasota eine Unkenntnis der Realitäten vor allem hinsichtlich der Beziehungen zwischen Staat und Kirche im kommunistischen Polen vor. Der Historiker wies darauf hin, dass zu den Vorwürfen auch die kirchlichen Archivquellen in Krakau berücksichtigt werden müssten. Es sei zwar nicht leicht, an sie heranzukommen, aber der Versuch solle auf jeden Fall unternommen werden. "Eine weitere ungenutzte Quelle sind die Berichte der Geistlichen, der noch lebenden Zeugen", so Lasota gegenüber KAI.

Johannes Paul II. leitete von 1964 bis zu seiner Wahl zum Papst 1978 die Erzdiözese Krakau. Er gilt bis heute als wichtige Autorität in Polen und wurde 2014 von der Kirche heiliggesprochen.

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