Frankreich: Orthodoxer Metropolit kritisiert Patriarch Kyrill

14. März 2023 in Weltkirche


Metropolit Jean fährt einmal mehr schwere Geschütze gegen den Moskauer Patriarchen Kyrill auf - Verbindung des Erzbistums der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa mit der Russisch-orthodoxen Kirche bleibt aber bestehen


Paris/Zürich (kath.net/KAP) Metropolit Jean (Renneteau) von Dubna, der Vorsteher des Erzbistums der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa, hat sich einmal mehr deutlich von der Position des russischen Patriarchen Kyrill distanziert und dessen Unterstützung für Russlands Krieg gegen die Ukraine verurteilt. Im Interview mit Radio Liberty bezeichnete Metropolit Jean Russland als Aggressor, das gegen "sehr viele internationale Gesetze" verstoßen habe, wie der "Nachrichtendienst Östliche Kirchen" (NÖK) in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.

Mit Kyrills Lesart des Evangeliums, mit der ein Krieg gerechtfertigt werde, sei er "unter keinen Umständen einverstanden", betonte Metropolit Jean. Seiner "tiefsten Überzeugung" nach sei die Mission der Kirche friedensstiftend. Er kritisierte, dass auch in der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) und nicht nur im Staat eine Stimmung der "widerspruchslosen Loyalität" herrsche. Mit Bitterkeit stellte der Metropolit fest, dass sich "ein bedeutender Teil der Geistlichen dieser verhängnisvollen Strömung ergeben hat", und die Kriegsgegner "schnell entfernt wurden". Metropolit Jean glaubt zwar, dass viele Geistliche anderer Meinung als der Patriarch seien, diesen aber aus Angst unterstützten oder schwiegen.

Metropolit Jean wies zudem die immer wieder von Patriarch Kyrill deklarierte moralische Überlegenheit Russlands zurück. Er bezweifle, dass es für Russland angebracht sei, "anderen Lektionen in Moral zu erteilen". Die Argumentation, den Soldaten würden ihre Sünden vergeben, wenn sie im Kampf fielen, erinnere an Selbstmordattentäter aus "radikalen islamistischen Bewegungen". Aus dem Mund eines Patriarchen aber sei so eine Äußerung "inakzeptabel" und "beispiellos".

In Bezug auf die Beziehungen der ROK zu anderen Kirchen hielt der Pariser Metropolit das Vorgehen von Patriarch Kyrill für einen "großen, strategischen, politischen und kirchlichen Fehler", er sei damit ins Abseits geraten. Für das Erzbistum sei es daher nicht einfach, die Verbindung zum Moskauer Patriarchat, dem es sich erst 2019 unterstellt hatte, aufrechtzuerhalten. Er müsse sich streng an das Kirchenrecht halten, aber trotzdem "beständig Distanz halten" und währenddessen den vom Krieg Betroffenen beistehen. Auch die Beziehungen zwischen anderen orthodoxen Kirchen und in der Ökumene insgesamt hätten gelitten. Zwar "verkündet Moskau die Einheit, aber faktisch zerstört es sie", so der Vorwurf von Metropolit Jean. So habe sich inzwischen die Ukrainische Orthodoxe Kirche von Moskau gelöst, was sehr traurig sei.

Zu den eigenen Beziehungen des Erzbistums zur ROK und ihren künftigen Stand äußerte sich Metropolit Jean eher vage. Die Beziehungen des Erzbistums zur ROK seien "kanonisch" und diese Verbindung bestehe zum Hl. Synod der ROK, nicht zu einer konkreten Person. Es bestehe die Hoffnung, dass nicht alle Mitglieder des Hl. Synods die Meinung des Patriarchen teilten, auch wenn sie das nicht offen aussprächen. Deshalb bleibe das Erzbistum mit dem Hl. Synod zusammen und befasse sich nicht mit Politik.

Einer der schärften Kyrill-Kritiker

Der russisch-orthodoxe Erzbischof von Paris zählt zu den schärfsten innerorthodoxen Kritikern des Moskauer Patriarchen. Schon bald nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatte er Kyrill öffentlich heftig kritisiert und das Vorgehen des Patriarchen verurteilt.

Das "Exarchat für die Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa" mit Sitz in Paris ging aus den Gemeinden hervor, die russische Emigranten in Westeuropa nach der russischen Oktoberrevolution 1917 gegründet hatten. Seither waren sie die längste Zeit dem Patriarchat von Konstantinopel angeschlossen.

2018 hatte Konstantinopel die Auflösung des Exarchats beschlossen und verlangt, dass sich alle Pfarren den regionalen "Eparchien des ökumenischen Thrones" unterstellen. Im Hintergrund stand dabei offenbar die Befürchtung, das Exarchat könnte als Ganzes im innerorthodoxen Streit um die Kirchenstrukturen in der Ukraine die Moskauer Position übernehmen und sich von Konstantinopel ablösen. Die große Mehrheit der Priester und Laien lehnte die Auflösung des Exarchats aber ab. Es kam zur Spaltung. 88 der 110 Geistlichen folgten Metropolit Jean, der um kanonische Eingliederung in das russisch-orthodoxe Moskauer Patriarchat gebeten hatte.

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