Ein gutes Zeugnis für Papst Benedikt

14. März 2023 in Kommentar


Otti's Optik: Rheinmeeting '23 - Identität und Identitäten - Ein Kommentar von Von Franz Norbert Otterbeck


Köln (kath.net)

Wieder und immer mehr ist Papst Benedikt XVI. gefragt. Die Zeitzeugen "packen aus". So auch eingangs vorigen Freitag beim Rheinmeeting in Köln. Das aufmerksame und dankbare Publikum lauschte zunächst Josef Zöhrer aus Freiburg. Dieser stieß vor 50 Jahren in Regensburg auf Professor Ratzinger und wurde ein Doktorand. Sein Heimatbistum Graz hatte ihm schwere Orientierungssorgen aufgeladen. Der damalige Regens des Priesterseminars tönte, die Zölibatspflicht sei in spätestens fünf Jahren erledigt. Zwei Jahre später trat der selber aus der Kirche. Theologen, die ihre eigene Krise damals weniger gewissenhaft aufklärten, tyrannisieren heute so manche deutsche Diözese. Joseph Ratzinger sei ein Professor gewesen, der jeden seiner Schüler von dem Ort aus förderte, an dem er sich befand. Das war bei Zöhrer eine Auseinandersetzung mit Karl Jaspers, die dann zu seinem Doktorthema wurde. Die ganze Atmosphäre rund um Ratzinger sei von Respekt, Rücksicht und freier Entfaltung geprägt gewesen. Der Dialog war immer von Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit getragen. Nur wenn jemand allzu fahrlässig schwadronierte, eine steile These etwa mit einem schwachen Verweis auf Karl Rahner "begründete", dann konnte der spätere Papst auch spitz reagieren. Etwa mit einer Abwandlung des alten Diktums "Roma locuta - causa finita": Rahner habe gesprochen, also sei der Fall wohl erledigt. Der besonders entspannte und unkomplizierte Umgang Ratzingers mit den Studenten wurde schon des öfteren gerühmt. Warum dringt dieser Aspekt seiner Persönlichkeit immer noch nicht so recht in die deutsche Öffentlichkeit?

Auch Domkapitular Christoph Ohly, Rektor der KHKT, stieß zu den Ratzingers-Schülern hinzu, wenn auch etwas später in dessen Leben.

Hier war es der Bericht "Zur Lage des Glaubens" (auf Deutsch 1985 erschienen), der den Studienanfänger mitten ins Herz traf. Ohly berichtete auch über die beginnende Korrespondenz und spätere persönliche Begegnungen (schließlich im Neuen Schülerkreis derer, die über Ratzinger forschen), um dann auf einige Grundpfeiler der "Ratzinger-Linie" hinzuweisen. Im Mittelpunkt steht die persönliche, das Leben des einzelnen Christen wandelnde Begegnung mit Christus selber, vermittelt durch die Kirche. Die geistliche Nähe zum Ansatz, den Msgr. Luigi Giussani, Gründer von "comunione e liberazione", zeitlebens verfolgt hat, springt sofort ins Auge. So überrascht nicht, dass - drittens - auch der Obere der mit C.L. verbunden Priesterbruderschaft, P. Paolo Sottopietra, seine Erfahrungen mit Papst Benedikt XVI. beisteuern konnte. Überraschend war allerdings, dass auch der Emeritus der Bruderschaft noch mit gutem Rat zu helfen wusste. Alle drei Redner des Abends stellten dem an Silvester 2022 heimgegangenen 95-Jährigen das beste nur denkbare Zeugnis aus.

 

Doch auch der Samstag des Rheinmeetings zog - mittelbar - Leitlinien dieses vollendeten Lebens, das nun hinter uns liegt, weiter aus. Professor Karlheinz Menke, der in Bonn-Bad Godesberg im ständigen Kontakt mit den dortigen Priestern der FSCB lebt, zog die Konturen, die Ohly schon vorgezeichnet hatte, noch weiter aus und gab dem Bild noch mehr Farbe: "Christ sein heute". Das ist nicht zu haben ohne tägliche Heimkehr zur Kreuzmitte christlicher Existenz, ohne Vergegenwärtigung der einzigartigen Heilstat, durch die wir an Christus hängen, von ihm leben und in ihm die Sünde schon besiegt haben, und damit auch den Tod der Seele. Es führt weit von Jesus Christus weg, in ihm nurmehr einen maßgebenden Menschen zu sehen, dessen Narrativ in jeder Epoche neu buchstabiert werden könnte. Folgerichtig musste Menke darauf beharren, dass die Relevanz des Christseins von der Identität des Christen abhängt, die gestärkt werden muss - und nicht etwa zur Nichtigkeit verwässert, wie des der so gen. "Synodale Weg" tat. Der fulminante und luzide Vortrag wird gewiss im Volltext veröffentlicht werden und hier dann abermals aufgegriffen.

 

Sodann wagte sich ein "Linkskatholik" unter die "Ciellini", allerdings einer der fairen und gerechten Sorte. Die gibt es auch - noch. Wolfgang Thierse (SPD) lobte am Rande auch den Synodalismus, allerdings offenkundig auf Grundlage des Irrtums, es handelte sich dabei um eine Reformbemühung, die Konsequenzen aus dem Komplex "Missbrauch" ziehe. Sein Thema war allerdings der Gemeinsinn, der heute unter Druck stehe. "Wieviel Identitätspolitik verträgt die plurale Gesellschaft?" Zu diesem Thema hatte der Ex-ZdK'ler schon in aller Öffentlichkeit deutlich Widerspruch erhoben, begleitet von viel Applaus, aber auch offenen Schmähungen. Die zentrale Einsicht ist für alle Vernünftigen leicht vermittelbar, allerdings auch im ZdK wohl kaum noch. "Vielfalt" - um nur ein Reizwort hier zu nennen - schließt notwendig ein, dass die tradierten Konzepte und Modelle, also das, was man früher "normal" nannte, mittendrin in diese Vielfalt hineingehört, und zwar nicht nur als die noch gegenwärtige Antithese, die überwunden werden muss, sondern als breiter Strom, der weiterhin Anstand und Ehre beansprucht, um bewusst diese "ollen Kamellen" hervorzukramen: Anstand und Ehre gebührt (auch) der eigenen Tradition und kulturellen Prägung. Das traditionelle Christentum muss in Deutschland auch von jenen kennengelernt und wertgeschätzt werden, und zwar in seinem religiösen und kulturellen Eigenwert, die selber keine oder eine andere Religion praktizieren. Selbstverständlich konnte Thierse vor diesem Hintergrund nicht billigen, dass im Friedenssaal zu Münster auf Geheiß des Außenministeriums bei einem Ministertreffen das dort vorhandene Kruzifix verschwinden musste und am Humboldtforum zu Berlin (Stadtschloss) ein Bibelwort verhüllt werden soll.

Wer heute das Wort von der Identität aufgreift, als eine unter vielen, kann der Frage nach der eigenen Identität fraglos nicht ausweichen. Fragen wir aber auch noch einmal nach dem inneren Zusammenhang von Identität und Dialog. Christsein kann heute nicht relevant sein in der Gesellschaft ohne Vergewisserung über seine Identität. Dazu hat das kleine Rheinmeeting in Köln gewiss einen größeren Beitrag geleistet, also für die Zukunft der wahren Religion hierzulande, als die Schluss-Salven des etwa gleichzeitig tagenden und untergehenden "Würstchenkonzils" zu Frankfurt am Main. Eine für diese Leute dort sehr sehr unbequeme Botschaft spricht sich in der katholischen Diaspora mit immer größeren Nachhaltigkeit (bis hin zur zukünftigen "Mehrheitsfähigkeit") herum: Die 'Benedetto-Partisanen' sind mit ihrem Latein noch lange nicht am Ende. Joseph Ratzinger hat im theologischen Sinne kein "Schule" gegründet. Wozu auch? Die vergehen. Wo sind die Küng-Schüler, die Rahner-Schüler? Mit Gift und Galle noch ein wenig präsent in ehemals katholischen Medien, die im Sterben liegen. Währenddessen hat sich eine andere Aussaat vollzogen. 'Papa Benedetto' hat mit seinem Blick auf Jesus, seinem 'studium Christi' so viele Herzen berührt weltweit, einige wenige Seelen deutscher Zunge auch, dass mit seiner Hilfe die "Schule Christi" selber wieder mehr und mehr die Gotteskindschaft heranbildet, mitten in Seiner Kirche, mitten im Dialog mit der von Trauer und Angst geschlagenen Welt.

 

 


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