„Sind wir noch Christen?“

27. März 2023 in Kommentar


„Ein selbstgemachter 'synodaler' Gott kann uns nicht helfen. Warum? Weil er ein Götze ist und kein Leben in sich trägt!“ Gastbeitrag von Pfr. Michael Theuerl


Teltow (kath.net) Der Atheist Ludwig Feuerbach hat einmal gesagt, dass es in Wirklichkeit keinen Gott gibt. Ein Gott kommt zustande, weil die Menschen alle ihre Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte zusammentragen und daraus ein künstliches Wesen spinnen, von dem sie Erfüllung und Glück erwarten, ein Wesen, das es aber gar nicht gibt und das sie dann Gott nennen – eine Projizierung menschlicher Vorstellungen, ohne Realität.

Wenn man sich den sogenannten synodalen Weg anschaut, dann möchte man Feuerbach ein bisschen Recht geben. Der Ausgangspunkt aller „Beratungen“ ist tatsächlich eine Sammlung von Ideen, Wünschen, Meinungen (die man durchaus menschlich gesehen gut verstehen kann) – keineswegs aber eine göttliche verbindliche Offenbarung in Jesus Christus. Sind wir vielleicht sogar schon lange Götzendiener und beten ein Machwerk unserer Hände und Ideen an? Und verfehlen den tatsächlichen und lebendigen Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat?

Einiges weist darauf hin, dass wir möglicherweise dem Irrtum einer selbstgeschaffenen Konstruktion, die wir für Gott ‚halten` aufgesessen sind. Vergleichen wir die Botschaft der biblischen Offenbarung mit dem, was heute davon bei uns verkündet wird und ankommt, stellen wir große Diskrepanzen fest, ein stark frisiertes und zurechtgestutztes Bild von Gott und seiner Botschaft.

Einige Beobachtungen, wie man sich einen „eigenen Gott“ macht, der nicht mit dem Gott der Bibel übereinstimmt:

- Nach einer als seriös eingeschätzten Bertelsmann-Studie glauben ca. 90 % sowohl der evangelischen als auch der katholischen Christen in Deutschland nicht an einen persönlichen Gott; sie denken, dass es „etwas Höheres“ geben könnte, eine „größere Macht“ (aber kein Du, zu dem man beten könnte)

- Gott liebt und straft nicht, weshalb es auch kein Gericht und keine Hölle und auch keine Sünde geben kann – nur Fehler (die Bibel spricht von einem anderen Gott!)

- das Kreuz ist ein Skandal und muss gestrichen werden; es soll nicht öffentlich auf Gebäuden und in Räumen sichtbar sein, weil es die Menschen schockiert (kürzlich bekam ich viele abgehängte Kreuze aus einem katholischen Krankenhaus – man kauft lieber Glaskreuze ohne Corpus)

- die Bundesurkunde Gottes mit seinem auserwählten Volk – das Fundament: die 10 Gebote – kommt in Religionsbüchern nicht mehr vor

- bei einem Elternabend in einer deutschen Kathedralpfarrei konnte man sich nicht auf ein Evangelium für den Erstkommunionsonntag einigen, weil alle Texte irgendwie die Psyche der Kinder schädigen könnten; fast glaubte man sich schon am Ziel mit dem Evangelium vom Weinstock und den Rebzweigen – bis sich herausstellte, dass doch die verdorrten Zweige abgeschnitten werden; man ging ergebnislos auseinander ...

- von der Biblischen Offenbarung Gottes akzeptiert man hierzulande nur, was einem als „zumutbar“ erscheint – der Mensch als Richter über Gott! Was habe ich da alles schon zu hören bekommen, was man nicht sagen dürfe: von Hölle, Teufel, Kreuz, Sünde, aber auch Blut, das vergossen wird, wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, ...

- bei den sogenannten Erneuerern der Kirche, die aber ganz alte Ideen vertreten, geht es keineswegs nur um Veränderungen von Ordnung und Disziplin der Kirche, sondern um eine Manipulation Gottes selbst: von verschiedenen Seiten versucht man Einfluss auf das Gottesbild zu nehmen; man müsse Gott mit Vater und Mutter anreden (was Jesus niemals getan hat) und man müsse auch sagen: Der Vater und der Sohn und die Heilige Geistkraft (feminin) – damit die Frauen sich nicht benachteiligt fühlen. (Letzteres ist offensichtlich eine geheime Absprache: auch Bischöfe, kirchliche Verlage etc. benutzen diesen Sprachgebrauch) – wenn man hört, wie ein deutscher Theologe (Magnus Striet) sagt: Wir werden keinen Gott akzeptieren, der nicht die Freiheit des Menschen respektiert, oder einen deutschen Bischof (Overbeck), der meint: bisher wurden wir durch Dogmatik und Kirchenrecht zusammengehalten, diese Zeiten sind vorbei – wir müssen jetzt überlegen und definieren, was uns zusammenhält, dann denkt man, dass Dostojewski vielleicht doch Recht hat mit seinem Ausspruch: der Westen hat Christus verloren; daran muss er zugrunde gehen.

Dass womöglich all unser Reden von Gott doch nicht den wirklichen Gott meint und erreichen kann, sondern dass wir womöglich – vielleicht ohne es zu wissen oder zu wollen – längst Götzendiener geworden sind, indem wir eine selbstgemachte Idee/Ideologie anbeten, die uns nicht retten kann, uns nicht liebt, uns keinen Himmel geben kann – eine aufgeblähte Blase von Arroganz und Hochmut.

Diese wenigen Beispiele kann jeder aus seinem eigenen Erleben beliebig vervielfältigen.

Als gläubige Christen wissen wir, dass Christus die Mitte unseres Lebens ist. Ein Christ richtet sich immer nach Christus – und ein Nichtchrist setzt sich selbst in die Mitte. Die Umkehr, die Christus fordert, ist wie eine Kopernikanische Wende in der Astronomie. Vor Kopernikus meinten die Menschen, die Erde mit dem Menschen stehe im Zentrum des Universums und Sonne, Mond und Sterne drehen sich um die Erde. Es war ein großer Schock für die Menschen, als Kopernikus auftrat und behauptete: nein, nicht die Erde ist Mittelpunkt, um die sich das Universum dreht, sondern die Erde dreht sich um die Sonne, und die Sonne bewegt sich wieder um etwas Größeres. Der Schock betraf nicht die astronomische Seite dieser Erkenntnis – es war den Leuten nicht besonders wichtig, was sich nun worum dreht -, der Schock war geisteswissenschaftlich/philosophisch: wie konnte das sein, dass nicht der Mensch und die Erde der Mittelpunkt ist, um den sich alles dreht?! Wie konnte das sein, dass der Mensch sich um etwas anderes dreht und nicht Mittelpunkt, Maß und Ziel aller Dinge ist?! Heute wollen alle modern sein; niemand hängt astronomisch dem alten Weltbild an, dass sich alles um die Erde und den Menschen dreht, aber geisteswissenschaftlich sind viele sehr altmodisch geblieben – sie verstehen nicht, dass sie nicht Mittelpunkt sind, sondern sich um Christus die Mitte drehen müssen. Das ist ein ziemlich sicheres Kennzeichen – schon nach ein paar Sätzen zu sehen – ob einer ein Christ ist, für den Christus der Maßstab ist oder ein Heide, der sich selbst als Maß ansieht und noch vor der Bekehrung steht.

Was soll man von dem so angepriesenen Synodalen Weg halten?

Man kann natürlich über alles „ergebnisoffen“, „auf Augenhöhe“ und „ohne Denkvoraussetzungen“ (etwa die Bibel, die Offenbarung, der christliche Glaube) diskutieren, man kann Rechte einfordern, demokratische Entscheidungen treffen, Macht fordern und verteilen, medienwirksam eigene Positionen durchsetzen ..., das alles kann man tun – und man sieht ja, dass und wie es geschieht ...; aber man kann sich ganz sicher sein, dass der wahre Gott deswegen Seine Offenbarung nicht umschreiben wird.

Christus ist die Wahrheit und die Liebe. Für die Wahrheit spielt es keine Rolle, wieviele sie erkennen. Und die Liebe öffnet sich nur dem, der demütig nach ihr sucht. Je mehr sich einer ihrer bemächtigen will, umso mehr entziehen sich Wahrheit und Liebe Was könnte der, der gekommen ist, um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele, mit jemandem anfangen, der Macht haben will?! Das sind zwei verschiedene Welten! Weder Frauen noch Männern hat Christus Macht in Aussicht gestellt. ER behält die Macht in Seinen göttlichen Händen, wenn ER selber durch Seine mit Vollmacht ausgestatteten Diener in den Sakramenten Sein göttliches Heil wirkt und Seine Kirche leitet. Der für viele anstößige Umstand, dass der Herr für diesen Heilsdienst nur seine männlichen Apostel berufen hat (und nicht etwa seine viel mehr geliebte Mutter Maria), erinnert uns daran und garantiert, dass die Kirche nicht Menschenwerk ist (Menschen würden vieles anders machen), sondern Göttliche Stiftung, die zunächst immer etwas fremd wirkt, weil sie nicht von dieser Welt ist.

Keine Frau und auch kein Mann kann in der Machtausübung das Glück oder die Freude finden, die jeder Mensch sucht (manche sagen, die Macht sei eine viel gefährlichere Droge als das Geld).

Glück, Freude, Sinnerfüllung kann man nur finden, wenn man etwas mit Liebe tut; das „Objekt“ oder der Ort sind von untergeordneter Bedeutung. Jemand hat einmal gesagt, der Mensch findet sich biologisch als Mann oder Frau vor – er muss daraus Vater oder Mutter machen (also die Liebe muss dazu kommen, für andere sich zu verschenken, gleichsam das biologische Rohmaterial zu veredeln). Das kann leibliche oder geistliche Mutterschaft oder Vaterschaft sein, in eine Liebesbeziehung eintreten, Menschen finden, für die man dasein kann... und wo die Liebe ist, ist immer auch die Freude.

Wenn man den Glauben an den geoffenbarten Gott verloren hat, glaubt man auch nicht mehr daran, dass es einmal ein Gericht geben wird, dass dieser Gott strafen kann. Aber wir wissen: die Strafe liegt in der „falschen“ Tat selbst, also wenn man gegen das Sein lebt, gegen die Natur, gegen die Ordnung und Gebote Gottes, die ER gleichsam als „Gebrauchsanweisung“ in die Schöpfung hineingelegt hat. Gott braucht keine extra Strafe zu verhängen, wenn man etwa aus Übermut eine heiße Ofentür oder Heizplatte anfasst, wenn man mit dem Auto rast, wenn man eine Flasche Schnaps austrinkt oder aus dem Fenster springt ... Deswegen können wir uns auch ganz sicher sein, dass gottlose Diktaturen auf Dauer keinen Bestand haben (wie etwa die kommunistische oder nationalsozialistische), weil sie der Wirklichkeit, dem Sein, der Wahrheit widersprechen.

Das gilt auch für Gesellschaften, die Abtreibung als Menschenrecht verkaufen wollen, die sagen, es gibt gar nicht Mann und Frau (wie uns das Wort Gottes und der gesunde Menschenverstand sagen), sondern dutzende verschiedene Geschlechter, und jeder kann das selbst bestimmen, die Euthanasie betreiben oder vorbereiten, die die „Ehe für alle“ wollen gegen die göttliche Offenbarung, die „freie“ Sexualität propagieren ...

Das gilt auch für kirchliche Gesellschaften, die gegen Wort und Beispiel Christi eine andere Kirche wollen mit Frauen in allen Weiheämtern, demokratischer Entscheidung von allen über alles am Runden Tisch, mit Kommunion für alle, auch wenn man nicht daran glaubt, Abschaffung der sakramental-hierarchischen Grundverfassung der Kirche, Uminterpretierung der hl. Schrift nach eigenen Wünschen, z. B. Aussagen über Homosexualität, Geschlechtlichkeit, Ehe und Familie ... kurz: man möchte Christus die Kirche aus der Hand nehmen und sich eine andere nach eigenen Vorstellungen machen – einen sich selbst gebastelten synodalen Götzen.

Vor langer Zeit hat Dostojewski wie schon gesagt vorhergesehen: Der Westen hat Christus verloren, daran muss er zugrunde gehen.

Oft hört man, man müsse dem Bischof gehorsam sein. Aber das Gehorsamsversprechen gilt nicht einer Privatperson, die nett und freundlich ist, sondern immer Christus und dem Glaubensgut der Kirche – und dem Bischof nur insofern, als er im Glauben und in Christus steht. Wenn ein Bischof seine eigenen Ideen verbreitet, die nicht in Übereinstimmung mit dem Glauben der Kirche stehen, wenn er also schismatisch oder häretisch ist, dann muss man ihm widersprechen, um ihn auf den rechten Weg zu bringen und von ihm Glaubens- gehorsam verlangen. Wenn es auch für einen Bischof gilt, dass er seinem irrigen Gewissen folgen kann, so sind doch keineswegs die Gläubigen verpflichtet, diesem irrigen Gewissen zu folgen. Einen solchen Bischof sollte man dann ermutigen, dorthin zu gehen, wo er seine Ideen verwirklicht sieht. Alles andere wäre von Schaden für die ihm Anvertrauten, aber auch für sein eigenes Seelenheil. Solange er aber am Irrtum und gleichzeitig an seinem Amt festhält, gilt für die, die Christus und dem Glauben treu bleiben wollen, was in der Hl. Schrift steht und was immer gilt: man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Christus sagt: Wenn jemand an meinem Wort festhält, wird er auf ewig den Tod nicht schauen.

Daran dürfen wir uns halten – an Sein Wort – immer wieder zu IHM umkehren aus aller gegenwärtigen Todverfallenheit und Sünde, zu IHM, der Weg, Wahrheit, Licht und Leben ist – und die Auferstehung, die uns geschenkt wird, wenn wir an Seinem Wort festhalten.

Teltow, am Hochfest des hl. Josef
Pfarrer Michael Theuerl


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