25. März 2023 in Chronik
Dem Iran nahestehende "Babylon Brigaden" im Kreuzfeuer der christlichen Kritk - Patriarch Sako ruft irakische Zentralregierung auf, Sicherheit der Christen zu gewährleisten.
Bagdad (kath.net/ KAP)
Die Sicherheitslage in der nordirakischen Ninive-Ebene bleibt angespannt. Laut örtlichen Medienberichten haben Mitglieder der "Babylon-Brigaden" vor Kurzem in der Kleinstadt Karakosch sieben Angehörige der "Ninive Plain Protection Units" (NPU) festgenommen. Daraufhin kam es zu wütenden Protesten der Bevölkerung und der NPU, die die sofortige Freilassung forderten. Der Aufenthaltsort der Verhafteten ist allerdings laut dem Nachrichtendienst "syriacpress" bislang nicht bekannt. Mit den Festnahmen wollten die Brigaden demnach die örtliche Bevölkerung einschüchtern, die sich zuletzt immer stärker gegen die Brigaden aufgelehnt hat.
Der Hintergrund: Die "Babylon Brigaden" bezeichnen sich zwar selbst als christliche Miliz, die Organisation steht aber dezidiert dem Iran nahe und versucht, den iranischen Einfluss in der Region zu stärken. Die "Babylon-Brigaden" wurden 2014 gegründet und werden von Rayan al-Kildani geführt, einem chaldäischen Katholiken mit engen Verbindungen zum iranischen Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) und der Badr-Organisation. Nur ein kleiner Teil der Mitglieder sind Christen, die meisten anderen Kämpfer sind Schiiten bzw. Schabak.
Die "Babylon-Brigaden" waren in den Jahren der Auseinandersetzung mit den IS-Terroristen entstanden. Die politische Bewegung, die aus den "Brigaden" hervorgegangen war, die "Babylon-Bewegung", konnte bei den vergangenen Wahlen im Irak immer einige für Christen reservierte Sitz erlangen.
Die Chaldäisch-katholische Kirche hatte bereits 2016 eine offizielle Erklärung veröffentlicht, in der klargestellt wurde, dass sie keine Verbindung zu den "Babylon-Brigaden" oder ihrem Anführer hat und die Gruppe nicht die christliche Gemeinschaft im Irak vertritt. Das US-Finanzministerium verhängte 2019 sogar Sanktionen gegen al-Kaldani wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen.
2019 veröffentlichte auch der Rat der Kirchenoberhäupter im Irak (Council of Christian Church-Leaders in Iraq (CCCL) eine geharnischte Erklärung, in der der Rat festhielt, dass die Brigaden nicht im Namen der Christen im Irak handeln und sprechen würden.
Patriarch Louis Raphael Sako hatte in besagter Erklärung der Chaldäischen Kirche von 2016 allerdings auch betont, dass die Kirche mit keiner Miliz, die sich als christlich bezeichnet, direkte oder indirekte Kontakte unterhält. Eine solche sind auch die "Ninive Plain Protection Units", die wie die Brigaden 2014 im Rahmen des Siegeszuges des IS durch die Ninive-Ebene entstanden sind und gemeinsam mit den kurdischen Peschmergas den Kampf aufnahmen.
Hinter den jüngsten Auseinandersetzungen in Karakosch steht auch der Kampf um die Kontrolle der Stadt, die eigentlich zum Gouvernements Niniveh gehört und damit unter Kontrolle der irakischen Zentralregierung steht. De facto haben aber in der Region weitgehend schiitische Milizen das Sagen. Die Situation ist unübersichtlich.
Sako trifft irakischen Verteidigungsminister
Der chaldäische Patriarch Louis Sako hat nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Ninive-Ebene bei einer Unterredung mit dem irakischen Verteidigungsminister Thabet Muhammad Saeed Al-Abbasi die staatlichen Behörden aufgerufen, für Sicherheit und Frieden zu sorgen, wie das chaldäische Patriarchat auf seiner Website mitteilte.
Sako beklagte auch den demografischen Wandel in der einst vor allem von Christen bewohnten Ninive-Ebene, in die immer mehr Schiiten und Schabak drängen würden. Die Christen der Region seine keine Handelsware oder politische Verschubmasse, sondern gleichberechtigte und loyale Bürger des Irak, betonte der Patriarch. Die letzten Christen im Irak seien besorgt und hätten Zukunftsängsten, viele würden ernsthaft über eine Auswanderung nachdenken, warnte Sako.
Kirchenbesuche muslimischer Familien
Eine positive Nachricht vermeldete am Dienstag der "Pro Oriente"-Informationsdienst. Im Irak ist es demnach nicht ungewöhnlich, dass muslimische Familien Kirchen aufsuchen. Auf diese Tradition hat der irakisch-kurdische Sender "Rudaw" in einem Beitrag aufmerksam gemacht. Konkret berichtete der Sender über Formen dieses religiösen Brauchtums in der südirakischen Stadt Basra. Viele muslimische Familien, insbesondere Frauen und Mädchen, besuchten etwa die syrisch-katholische Kirche des Heiligen Herzens Jesu in Basra, hieß es.
Die Interviewten berichteten über langjährige Traditionen in ihren Familien. Man zünde etwa in den Kirchen Kerzen an und bitte Gott um seinen Segen in bestimmten Anliegen. Von christlicher Seite werde man herzlich willkommen geheißen, so der Tenor der befragten Musliminnen und Muslime.
In der Region Basra gibt es nur mehr wenige verbliebene Christinnen und Christen. Fast alle sind seit dem Einmarsch der USA 2003 und dem folgenden Chaos geflohen. Der Verantwortliche der Herz-Jesu-Kirche, Pater Yusef Aziz Yusef, schätzte gegenüber "Rudaw", dass es nur noch 175 christliche Familien in der Gegend gibt.
In den 1970er Jahren soll es noch rund 4.000 christliche Familien in Basra und Umgebung gegeben haben. 17 Kirchen verschiedener Konfessionen zeugten von einem reichen und vielfältigen kirchlichen Leben. Nur mehr einige wenige dieser Kirchen sind derzeit geöffnet.
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Foto: Patriarch Louis Raphael Sako
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