Der Rücktritt von Bischof Bode war überfällig

27. März 2023 in Kommentar


Das Jahr 2023 könnte den Anfang vom Ende der staatlich besoldeten Bischöfe sehen. Es wäre gut, denn auch dies wäre ein Impuls der Entweltlichung, den die Kirche vielleicht nicht aus eigener Kraft schafft - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)

Am vergangenen Samstag nahm der Papst den Rücktritt des jetzigen Ex- Bischofs von Osnabrück an. Dieser Rücktritt war nach Bekanntwerden zahlreicher Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen, die das Osnabrücker Gutachten ergeben hatte, überfällig. Der frühere Bischof von Osnabrück steht dabei als einer für viele. Es dürfte folglich gerne weitere Rücktritte geben. Die Kirche ist aber kein Politikbetrieb. Rücktritte lösen nicht das Kernproblem. Es gäbe da etwas, das wäre noch weitaus wichtiger als medienwirksame Rücktritte. Es gab durch den sexuellen Missbrauch von Klerikern an meist männlichen Jugendlichen eine erhebliche Erschütterung der Kirche. Gesellschaftlich – das gilt es sich einzugestehen, hat die Kirche jegliche Relevanz verloren. Da aber für alle säkulare Gesellschaften gilt, was der frühere Verfassungsrichter Wolfgang Böckenförde treffend formulierte: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Einer der wichtigsten „Lieferanten“ war die Kirche. Sie ist es nicht mehr, allenfalls zunehmend verblassende Spuren ihrer Sinnstiftung lassen sich noch erahnen. Auch der Geruch der leeren Flasche des Abendlandes, den Erik von Kuehnelt-Leddihn noch wahrnehmen konnte, ist langsam verweht. Er ist so verweht, dass selbst katholische Bischöfe die historische Existenz des christlichen Abendlandes anzweifeln.

Die deutschen Bistümer geben sich derweil alle erdenkliche Mühe, dass wir für lange Zeit immer wieder neu an den Missbrauchsskandal erinnert werden. Jahr für Jahr kleckert ein Missbrauchsbericht nach dem anderen herein. Jahr für Jahr macht sich wieder ein Bischof faktisch untragbar. Jahr für Jahr bestätigt die Kirche der ihr feindlich gesonnenen Welt, unterm Strich doch nur eine Täterorganisation sein. Für sehr lange Zeit wird die Kirche in der Öffentlichkeit kaum ein anderes Thema haben und kommunizieren können. Selbst der synodale Weg von DBK und „ZdK“, sollte natürlich – was auch sonst? – der Missbrauchsaufarbeitung dienen. Dass er in Wirklichkeit nichts anderes war und ist als ein Dekonstruktionsprojekt, das den Glauben und die Sitten möglichst rückstandslos zu beseitigen sucht, eine angepasste säkulare Kirche zu etablieren, dürfte sich rumgesprochen haben.

Den durch einzelne Personen verursachten Skandal muss die ganze Kirche nun aushalten und auslöffeln. Ob das gegenwärtige Verfahren allerdings der richtige Weg ist, darf bezweifelt werden. Man saniert die Kirche nicht, indem man von Gott offenbarte Wahrheiten einfach abräumt. Der Weg der deutschen Kirche ist fatal. Nicht von Ungefähr stellt Papst Franziskus das Thema Evangelisation in den Mittelpunkt seiner Auffassung von Synodalität. Man kann den Begriff Synodalität in seiner gegenwärtigen Verwendung und Ausprägung weidlich kritisieren. Die Verkündigung des Evangeliums in die Mitte zu stellen, ist sicherlich kein Fehler.

Man erkennt das Defizit. Die, denen das Evangelium anvertraut ist, die Bischöfe, versagen zu einem nicht geringen Teil darin, die Mitte ihres Tuns, nämlich die Verkündigung des Evangeliums, wieder in die Mitte ihres Wirkens zu setzen. Den Glauben abzuräumen kann wohl kaum das Gebot der Stunde sein. Das hat die Welt nämlich für uns schon erledigt. In der Tat spielen religiöse Fragen für eine erdrückende Mehrheit der Menschen keine Rolle mehr. Ein faktisch- praktischer Nihilismus, der das Maximum an Lebensqualität im Diesseits sucht und jegliche Transzendenz als absolut irrelevant ansieht, prägt die Lebenswirklichkeit der Mehrheit der Menschen in den westeuropäischen Ländern. Der Einzug eines solchen Nihilismus auch in das Denken gesellschaftlicher Eliten wir am Ende dem freiheitlich- säkularen Staat die Freiheit rauben. Ein radikal utilitaristisches Weltbild zieht eine radikale Unfreiheit nach sich. Die Vorzeichen – immer weitere Einschränkungen von Freiheiten zu Gunsten höherer Ziele – dürfen wir gerade aktuell erleben. Mehr noch: in radikal säkularisierten Wertesystemen existieren zentralen Fragen des christlichen Denkens überhaupt gar nicht mehr, was sich aktuell insbesondere in Fragen der Bioethik aber auch in der Anthropologie so niederschlägt, dass es zwischen Christen und Nichtchristen in bestimmten Fragen nicht einmal mehr hauchdünne Gesprächsfäden gibt. Schöpfungstheologisch einwandfreie Aussagen über das Wesen des Menschen könnten auch in Deutschland bald mit Gefängnisstrafen bedroht sein.

In einer solchen Situation könnte der Neuanfang im Episkopat eine gute Idee sein. Es sollte damit ein Neuanfang für die Verkündigung des Evangeliums verbunden sein und nicht eine Neubesetzung eines alten Postens, mit einem Priester, der unter seiner frischen Mitra die vergangenen Jahrzehnte des Niederganges in einer unendliche Schleife einfach fortsetzt.

Neue Männer braucht das Land, sang vor einigen Jahren eine Schlagersängerin. Neue Bischöfe braucht die Kirche, könnte man das in unseren Kontext hinein übersetzen. Neue Bischöfe, die Verkündigung, Katechese und Apologetik genauso sicher beherrschen, wie das Anregen und Fördern von neuen politischen und gesellschaftlichen Denkschulen. Es gilt, dem Theorem von Böckenförde folgend auch über die Grenzen der Gläubigen hinaus eine gedankliche Basis für eine freiheitliche Gesellschaft zu legen. Tatsächlich führt ein säkularer Utilitarismus in immer größere Unfreiheit, weil er niemals über seinen eigenen Horizont hinausdenken kann. Wer immanente Fragestellungen absolut nicht transzendieren kann, wird in seinem Denken und am Ende in seinem Handeln immer enger. Logischerweise kumuliert das am Ende in die absolute Unfreiheit um der Moral willen. Alle Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts sind diesen Weg geradezu modellhaft gegangen.

Biblisch gesprochen geht es nun und immer wieder darum, dass aus dem Episkopat heraus ein wirksamer Impuls – und eine ernst gemeinte Unterstützung – hervorgeht, damit die Christen den Auftrag Jesu erfüllen können, Sauerteig zu sein. In einer säkularen Gesellschaft ist dies die Aufgabe des Christen, der Gesellschaft im wörtlichen Sinne etwas zu denken zu geben. Die Basis für Denken neu zu schaffen, damit der Gesellschaft, der das nicht aus sich heraus zu eigen sein kann, eine ethische Basis gegeben werde. Antworten von gestern können die Fragen von heute nicht beantworten. Dieser Satz ist so wahr, wie banal. Aber: Die Kirche immer säkularer zu machen, wie es jetzt gerade geschieht ist kontraindiziert.

Eine Generation von Bischöfen, die nur gelernt hat, sich mit sich selbst und mit bischöflichen Fehlern (eigenen und mehr noch die der Vorgänger) zu befassen, ist langfristig weder für die Kirche noch für die Gesellschaft gut. Es sind jetzt drei Bistümer vakant. Es dürfen gerne noch mehr Bischöfe den Weg frei machen. Vielleicht ist jetzt der Kairos für eine Neudefinition des Bischofsamtes zu Gunsten der Neuevangelisation unseres Landes. Im Jahr 1803 dankten die Fürstbischöfe als Landesherren ab. Das Jahr 2023 könnte den Anfang vom Ende der staatlich besoldeten Bischöfe sehen. Es wäre gut, denn auch dies wäre ein Impuls der Entweltlichung, den die Kirche vielleicht nicht aus eigener Kraft schafft, der aber der Kirche unbedingt mehr Freiheit und dem Episkopat vielleicht wirklich einen neuen Drive verschaffen könnte.


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