“Da ist ihr Kind“

8. April 2023 in Prolife


Auch wenn es so aussieht wie eine Wetterkarte vom Nordatlantik - Gastbeitrag von Helmut Müller.


Berlin (kath.net)
„Der Herr hat mich schon im Mutterleib berufen; als ich noch im Schoß meiner Mutter war, hat er meinen Namen genannt.“ (Jes 49, 1)
Das sprang mir bei der heutigen Tageslesung in die Augen. Und der zweite Gedanke. Die ARD hätte noch vor wenigen Tagen - vor ihrer durch Proteste erzwungenen Kehrtwendung - statt Mutter „entbindende Person“ berichtet. Und der dritte Gedanke: Was wird jetzt alles in Deutschland unternommen, es gar nicht dazu kommen zu lassen - und ist auch schon unternommen worden - dass etwa zukünftige Facharbeiter, Lehrer oder Unternehmer nicht auf die Welt kommen. Man treibt ja nicht bloß zukünftige Sozialhilfeempfänger ab.

Alles sind Menschen, von denen nur Gott weiß, was aus ihnen wird, werden soll oder geworden wäre. Wer hat noch ein Bewusstsein von Ungeborenen wie der Prophet Jesaja? Aber was geschieht hier und jetzt? Schon vor Jahren verwies der Philosoph Volker Gerhardt Abtreibungsgegner in eine „Koalition von Katholizismus, Ökofundamentalismus und Antikapitalismus, geschlossen aus Angst vor dem Neuen“. Aus dieser Koalition – die es so gar nicht gibt – wollte sich offenbar die „erste Laienkatholikin“, die ZDK Vorsitzende Irme Stetter-Karp wohl befreien. Klar, als Katholik findet man sich nicht selten in diese Ecken gestellt. Weiter behauptete Volker Gerhardt – wie so viele andere auch - der Embryo sei kein eigenständiger Organismus, sondern Teil der Schwangeren. Für diese Schwangeren fordert – man mag es nicht glauben, jetzt auch eine prominente Katholikin – flächendeckende Abtreibungsmöglichkeiten – so, als könnte man sich von einem Ungeborenen trennen wie von einem Blinddarm.

Als eine unsere Töchter als Vierjährige zum ersten Mal davon hörte – was Abtreibung ist, hielt sie es nicht für möglich, dass man so etwas täte. Sie sagte nämlich spontan mit unverhohlenem Entsetzen: „Da war ich doch auch!“ Diese Tatsache scheint bei Frau Stetter-Karp nicht sehr ausgeprägt zu sein und bei anderen sich katholisch nennenden Personen, die sich auch in obiger Ecke wähnen, auch nicht groß im Bewusstsein zu stehen.

Jeder der schon einmal eine Ultraschallaufnahme eines Organs erfahren hat, weiß, dass der Arzt sagt, da ist ihre Leber, dort ihre Niere, da ihr Herz, alles Teile unseres Körpers. Wird jedoch eine Ultraschallaufnahme bei einer Schwangeren gemacht, und ich war schon 5 mal dabei - sagt der Arzt nicht, da ist der Inhalt ihrer Gebärmutter und letzteres ist Teil der Schwangeren, er sagt auch nicht, da ist ihr Embryo, sondern da ist ihr Kind. Interessant wäre es zu wissen, was Frau Hänel sagt, die dafür gekämpft hat, öffentlich über Methoden zu informieren – wie sie sagt – wie man – das wäre wirklich interessant zu wissen – ein Kind aus der Gebärmutter entfernt wie einen Blinddarm aus dem Bauchraum.

Und Ärzte, die sagen, da ist ihr Kind sind auch keine schlechten Philosophen, weil sie ihre Begriffe nicht so schärfen können wie Philosophen, etwa wie Volker Gerhardt, sondern sie haben schlicht und ergreifend recht. Denn Eltern haben oft schon einen Namen, für das, was Herr Gerhardt „Teil einer Schwangeren“ und Frau Hänel, wer weiß was, nennt. Ist Herr Gerhardt ein schlechter Philosoph? Mitnichten. Herr Gerhardt hat ein ganz bestimmtes Interesse, auch wenn er es geschickt kaschiert und offenbar immer wieder beteuert hat, es käme ihm auf den Schutz des Embryo an. Ihm kommt es auf etwas anderes an, und das hat er mit uns (am Lehramt orientierten) Katholiken gemein.

Er will ganz stringent argumentieren und handeln. Nur in den Zielen unterscheidet sich unsere Stringenz. Er will nämlich, wie es der reformierte Paragraph 218 erlaubt, bis zur Geburt Embryonen und Föten – für mich sind das Kinder - im Mutterleib töten können, wenn alle gesetzlichen Bestimmungen korrekt eingehalten werden und ein hinreichender Grund gegeben ist. Deshalb wünscht sich Herr Gerhardt erst grundgesetzgeschütztes Menschsein ab Geburt. In formal gleicher Konsequenz und Stringenz fordert die kath. Kirche Gleiches schon ab der Empfängnis im Mutterleib. Kristina Hänel und wohl auch Irme Stetter-Karp haben offensichtlich das Kind gar nicht mehr im Blick, sondern die „entbindende Person“ oder doch noch die Mutter? Dieses Schriftwort – gut 2500 Jahre alt – sollte uns wachrütteln!

Der Philosoph Robert Spaemann – offensichtlich auch ein Prophet – hat einmal gesagt: „Unsere Probleme kommen nicht von daher, dass wir noch nicht genügend wissen, sondern daher, dass was wir das, was wir schon einmal wussten wieder vergessen haben.“

kath.net Buchtipp
Hineingenommen in die Liebe – aber spüren wir sie auch im orbis catholicus?
Von Helmut Müller
Taschenbuch, 250 Seiten, 1. Auflage
Christiana-Verlag 2021
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