27. April 2023 in Kommentar
Vielfache Verzweiflung und Erbitterung bei glaubenstreuen Katholiken - Ein Gastkommentar von Dr. rer.nat Christina Agerer-Kirchhoff, Arbeitsgemeinschaft Lebensrecht München
München (kath.net)
Eine übergroße Anzahl an frommen und aktiven Katholiken stellt seit einigen Jahren, besonders aber seit den anmaßenden Umtrieben des sog. Synodalen Weges und seiner nun verabschiedeten, teils haa-sträubenden Texte fest:
So etwas haben wir in all den Jahren unseres jahrzehntelangen engagierten religiösen Lebens noch nicht erlebt!
In regelmäßigen Abständen erschüttern immer wieder neue Aufarbeitungs-Berichte aus den Bistümern die Menschen in ganz Deutschland. Sie erstrecken sich über viele Jahrzehnte, kommen jedoch beim oberflächlichen Mediennutzer in der Regel an wie eben gerade neu aufgedeckt von rezenten Tätern! Was sollen wir Kritikern überhaupt noch antworten?
Niemals hätten wir uns dergleichen vorstellen können! Wo haben uns manche derzeitigen und viele früheren Bischöfe und Ordinariats-verantwortlichen hingeführt?
Kann es sein, dass Vieles an Wichtigem jahrzehntelang praktisch nicht mehr gelehrt und gepredigt wurde, weil man – hätte man in den Spiegel geschaut – vor sich selber hätte ausspucken müssen?
Passt zu alledem nicht der fast vollständige Niedergang des Sakramentes der Beichte? Wurde nicht jahrzehntelang so getan, als ob durch ein paar Formeln und ein Kreuzzeichen in der Messe das Beichten obsolet geworden ist? Hat man sich irgendwann einmal darum bemüht, dieses Sakrament wenigstens als Osterbeichte wieder ins Gedächtnis zu rufen?
Und heute – was finden wir heute vor?
Den Menschen werden sämtliche Glaubenssicherheiten, sämtliche Ordnungen, sämtliche Normen –alle gleichzeitig – unter den Füßen weggezogen. Ein Gremium wie der sog. Synodale Weg, das keinerlei Legitimation dazu hat (die kirchliche Basis weiß dies vielfach gar nicht), beansprucht für sich „verbindliche Beschlüsse“ und deren umgehende Durchsetzung. Ohne Rücksicht auf klare Wortmeldungen aus Rom marschieren die Apparate weiter, bieten z.B. Taufspenderkurse für Laien an, obwohl die Sache selbst nicht machbar und auch nicht sinnvoll ist. Gremienvorsitzende tönen vollmundig, alles zu planen und zu machen, was irgendwie machbar ist „und sogar noch einige Zentimeter darüber hinaus“. (Motto wohl: Bis die in Rom das merken, ist es bei uns dann eben schon eingeführt und „bewährte Praxis“)
Es wird der Eindruck vermittelt, über alles und jedes sei abstimmbar, sei „neu nachzudenken“ – alles müsse nach 2000 Jahren eben jetzt auf den Prüfstand, um angeblich „in der Moderne“ anzukommen. Die Wirkung auf die kirchliche Basis ist verheerend. Es offenbart sich vielfach eine Rücksichtslosigkeit in Worten und Taten durch die kirchlichen Leitungskräfte und auch kirchliche Angestellte, die bei den sog. konservativen Katholiken nur noch tiefe Traurigkeit zurücklässt.
Sätze von Bischöfen: „Wir müssen die Kirche vom Kopf auf die Füße stellen“ (G. Bätzing) und „Die Transformation der Kirche geht doch etwas langsamer als gedacht“ (R. Marx, Fastenhirtenbrief 2022) verunsichern die Gläubigen - weltweit – wollen rücksichtslos Fenster öffnen, die niemals geöffnet werden können. Transformation der Kirche? Dadurch werden die Menschen in tiefste Verwirrung, unmöglich zu realisierende Erwartungen und vielfach völlig falsche Richtungen geführt. Wie wollen wir sie daraus wieder zurückholen?
Sätze wie „Gott neu denken“ sind derzeit leitend. Wir bemächtigen uns damit des Schöpfers, ja unseres Gottes mit unserem doch einigermaßen winzigen Verstand! Daraus folgen dann Leitlinien wie: Kirche neu denken, Ehe- und Sexualmoral neu denken, Sexualität völlig neu denken, Priester neu denken, Leitung neu denken, Dogmen neu denken und manches mehr – im Grunde alles neu denken, was aber den normalen Menschen völlig überfordert!
Es entsteht der Eindruck, dass eigentlich alles bisher auf tönernen Füßen stand! Dass alles oder doch sehr vieles nur Konstrukte von „weißen, alten“ Männern sind! Teils wird dies sogar so geäußert, wenn es heißt, die Abtreibung etwa sei von „alten Konzilsvätern“ eben als Verbrechen eingestuft worden; das sei aber gar nicht wahr. Von einer hohen Gremienfunktionärin wird „flächendeckend“ die Möglichkeit zur Abtreibung gefordert; ebenso die Ausbildung zum Abtreiber im Studium der Medizin. Das sind Dinge, die nachdenkende und lehramtstreue Katholiken zur Verzweiflung bringen!
Seit Jahrzehnten bin ich als Naturwissenschaftlerin engagiert für das Lebensrecht der ungeborenen Kinder, die Menschen im Mutterleib sind von Anfang an. In keiner Weise ist feststellbar, dass die Bischöfe hierzulande – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – dem mehrfachen Aufruf von Papst Franziskus nachkommen, sich stärker für den umfassenden Lebensschutz einzusetzen. Stattdessen beschäftigen sich die meisten landauf landab mit den Befindlichkeiten von absoluten Randgruppen (bei denen es jedoch nicht um Leben oder Tod geht wie bei den Ungeborenen) und verschreiben sich dem diabolischen Genderismus mit Haut und Haaren. Sogar die verabschiedeten Texte des Synodalen Weges feiern durchwegs diese Ideologie. Dabei ist die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen eine naturwissenschaftlich völlig unstrittige Tatsache. Weltberühmte Biologen wie Dawkins und Kutschera haben sich ausdrücklich an die Seite dieser „konservativen“ Sicht gestellt.
Die katholische Kirche versteht sich als Mutter! Niemals agiert eine feinfühlige und pädagogisch überlegende, eine liebende Mutter so gegenüber ihren Kindern. Niemals wird sie gleichzeitig im Haushalt alles ändern, alles zur gleichen Zeit zur Disposition stellen – und jedes Kind über Dinge abstimmen lassen, von denen es gar nichts oder wenig versteht. Damit würde sie den Kindern jede Geborgenheit und Sicherheit nehmen. Auch jede positive und vertrauende Sicht auf die Zukunft. Denn es käme bald die Frage auf: Was wird denn noch alles geändert? Was ist denn noch alles falsch?
Alle paar Monate wird wieder ein neuer Missbrauchsbericht von irgendeinem Bistum veröffentlicht. Die Medien breiten die Dinge genüsslich aus, der Bürger entrüstet sich wieder und wieder, der Katholik fällt von einem Entsetzen ins andere. Wie lange soll das so weitergehen? Wohl bis alle Bistümer durch sind? Wo gibt es ein echtes Krisenmanagement, um neue Akzente zu setzen und aus den Negativschlagzeilen herauszukommen? Wenn Bischöfe und Personalreferenten nach großzügiger Gutsherrenart mit Tätern umgegangen sind, Rechtsvorschriften missachteten und keinerlei Herz und Fürsorge für die Opfer zeigten – sollen das die angeblichen „systemischen“ Fehler der Kirche verursacht haben?
Ist das nicht eher ein grundgemeines Abwälzen gewaltigen persönlichen Versagens auf die Kirche als Ganze? Sollen denn die verbrecherischen Taten von Missbrauchsklerikern - das bewusste Missachten gerade der strengen Sexualmoral der Kirche - auch noch kirchliche Ursachen haben? Ist womöglich bei Missbrauch im familiären Umfeld auch die Familie eigentlich schuld?
Die Verwirrung in Deutschland ist schon so groß, dass viele Seelsorger sich in den Gemeinden verhalten wie Luther, der meinte, man sei, wenn man getauft sei, dann zugleich Priester, Bischof und Papst! Die Parolen „Wir können Papst“ bewirken in verheerender Weise einen Rückgang von Gehorsam und Glaubensvertrauen in bisherige Normen und Katechismus-Aussagen. Immer mehr Menschen und Medien verwenden die Begriffe „Rom“, „Kurie“, „Vatikan“ und „Papst“ fast nur mehr mit negativer Konnotation. Es droht demnach nicht nur eine immer noch weiter gehende Spaltung und Schwächung der Teilkirche in Deutschland, sondern sogar der Weltkirche!
Der Satz „Der Katechismus ist nicht in Stein gemeißelt“ (R. Marx) offenbart eine ungeheure Anmaßung des eigenen Urteils und wird natürlich sofort von der Basis übernommen: Jeder wirft dann diesen oder jenen Artikel und seine Begründung – meist ohne jede theologische Vorbildung - als veraltet in den Orkus! Es gilt neuerdings: Was ich nicht verstehe, das hat auch keine Bedeutung. Die fast 95 % der Nichtkirchgänger unter den Katholiken beten ja auch jahraus jahrein kein Glaubensbekenntnis mehr. Ich frage mich, ob sie es noch mitbeten würden, wären sie mal wieder in einem Gottesdienst dabei.
Die Verwirrung und Zerspaltung in den Bistümern Deutschlands wird jeden Monat noch größer werden, wird mit jedem Jahr noch weniger zu heilen sein, wenn nicht bald eine klare Zurechtweisung einzelner Protagonisten und Hauptverursacher der Spaltung erfolgt. Deutschland wird bald ein religiöser Flickenteppich mit unendlichem Streit, Leid und Zerwürfnis immer wieder neu vor Ort in den Pfarreien sein: Eine Neuauflage von cuius regio, eius religio?
Die katholische Kirche fußt auf Glaubensgehorsam und auch dem Gehorsam der Bischöfe gegenüber Weisungen und Anordnungen des Papstes und der Kurie. Dagegen wird hierzulande massiv in Worten und Taten von vielen Bischöfen und Priestern verstoßen! Hier nicht einzuschreiten, macht jede innere Ordnung zunichte, auch das Wort „Gehorsam“ zu einer leeren Hülle und zerstört langfristig den Begriff Hierarchie völlig.
Die Bischöfe in Deutschland haben an ihrer Seite diözesane Laiengremien, die gewaltige Rede- und Argumentationsmacht für sich beanspruchen. In diese Gremien sind seit mehr als drei Jahrzehnten stets nur bestimmte Orientierungen hinaufgewählt und kooptiert worden! Vielfache und jahrelange Erfahrung zeigt, dass in der Regel Leute mit den plakativsten Forderungen bei solchen Wahlen das Rennen gewinnen. Daher sind die meisten Bischöfe hierzulande nur noch eingeschränkt frei! Viele scheinen fast von Laien getrieben zu werden; gerade der oft scheinbar klugen und häufig subtil drängenden Argumentation von Frauen scheinen viele Bischöfe hilflos gegenüberzustehen. Dringend benötigen sie daher Unterstützung in ihrer bischöflichen Freiheit der Entscheidung. Die Ausrichtung der meisten Gremien entspricht ferner in keiner Weise der tatsächlichen Glaubenspraxis und Ansicht der sonntagsaktiven kirchlichen Basis. Ferner bewirkt die Zuwahl von meist recht redegewandten Politikern eine der Kirche nicht angemessene Herangehensweise an Probleme: Der Politiker sucht nicht in erster Linie wie die Kirche nach der Wahrheit, sondern nach gesellschaftlicher Vermittelbarkeit und politischem Kompromiss!
„Anders katholisch“ - diese Parole muss von Rom schnellstmöglich klar zurückgewiesen werden: Sonst ist es zu spät! Unterschätzen wir nicht den deutschen Furor! Wir haben hier mittlerweile nicht nur Verwirrung, sondern auch massive Angst und Erregung, ja sogar Erbitterung unter den romtreuen Gläubigen. Wohin sollen wir gehen? Wir möchten keine Steuergelder mehr an häretische Bischöfe abgeben! Hier muss uns aus dem Kirchenrecht zügig eine Alternative ermöglicht werden. Viele von uns haben kirchliche Ämter inne und müssten diese bei einem Kirchenaustritt, der hierzulande mit Exkommunikation sanktioniert wird, aufgeben. Hier in Deutschland gilt offensichtlich: „Dein Geld wenn nicht im Beutel klingt, deine Seele dann eben ins Feuer springt“.
Viele Beobachter sind zu der Überzeugung gekommen, dass der derzeitige Vorsitzende der DBK nur deshalb so penetrant als „Reformer“ auftreten kann, dass er sich nur deshalb so in Szene setzen kann, weil er im Rücken als servile Unterstützung sein Alter Ego, den früheren Vorsitzenden R. Marx - und noch einige andere Freunde - stehen hat. Immer mehr lehramtstreue Katholiken haben das Empfinden, in Deutschland allerlei engsten „Männerfreund-schaften“ ausgesetzt zu sein, die sich gegenseitig die Bälle zuspielen und auch in die Ämter verhelfen.
Der Heilige Vater und die kuriale Verwaltung haben sicher außer gutem Zureden und immer wieder neuen öffentlichen Statements und Briefen noch einige andere Möglichkeiten zur Hand, wie eine gute, aber manchmal auch strenge Mutter für das langfristige Wohlergehen der Katholiken in Deutschland geeignete Maßnahmen zu ergreifen und auch zeitnah umzusetzen.
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