16. Mai 2023 in Kommentar
„Die Bischöfe haben die ‚deutsche Kirche‘ inzwischen gegen die Wand gefahren; die meisten haben die Einheit mit Rom de facto verlassen.“ Von Joachim Heimerl
Linz (kath.net/joh) Mythen erheben immer einen Geltungsanspruch auf die Wahrheit, die sie behaupten, und dienen dazu, geschlossene Denksysteme zu untermauern und Identifikation zu schaffen. Dafür gäbe es genügend Beispiele in der Geschichte, vor allem in der deutschen; das jüngste Beispiel in der Kirchengeschichte ist sicher der sogenannte „Synodale Weg“: Im Zeichen eigener Mythenbildung haben sich die deutschen Bischöfe und Laien hier aus der Gemeinschaft der katholischen Kirche ausgegrenzt. Anstelle des kirchlichen Lehramts wissen sie sich einem Identifikationsmythos verpflichtet, der im Wesentlichen besagt, die Kirche sei eine „Täterorganisation“ des Kindesmissbrauchs und wir Priester wären grundsätzlich alle „verdächtig“.
Wie man weiß hat dieser Mythos eine lange antiklerikale Tradition und stammt im Wesentlichen aus der Zeit des Faschismus. Im Zuge des Missbrauchsskandals ist er nun zum „Credo“ des „Synodalen Weges“ avanciert, der ihn systematisch und demagogisch dazu benutzt, die Kirche medial niederzumachen und von Innen heraus zu zerstören.
Für die Öffentlichkeit hat der Mythos längst eine unbequeme Wahrheit ersetzt: Missbrauch gibt es in der gesamten Gesellschaft und leider gab es ihn eben auch in der Kirche. Aber deshalb ist die Kirche noch lange keine „Missbrauchskirche“ und wir Priester sind keine potentiellen „Missbrauchstäter“: Missbrauch ist immer eine schreckliche Ausnahme und nie eine zwangsläufige Regel; „systemische Missbrauchsursachen“ gibt es, anders als so oft behauptet, schlichtweg nicht. Schon deshalb ist die Kirche so wenig eine „Täterorganisation“ wie es etwa die Familie ist, in der im Übrigen die allermeisten Missbrauchsfälle geschehen.
Längst ist der Missbrauchsskandal zum Instrument einer zynischen Kirchenpolitik geworden, die den Opfern nicht hilft und mit der man sich wollüstig selbst zerfleischt. Die Bischöfe haben die „deutsche Kirche“ inzwischen gegen die Wand gefahren; die meisten haben die Einheit mit Rom de facto verlassen.
Damit das keiner merkt, hat man schon zu Beginn des Synodalen Irrwegs einen Ausgangsmythos in die Welt gesetzt, nämlich den, man dürfe niemand absprechen, „katholisch“ zu sein; in Deutschland sei man nämlich weiters katholisch und bleibe das selbstverständlich auch. Bischof Bätzing, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, nennt dies dann einfach „anders katholisch“ sein und behauptet; es gäbe eben eine „Einheit in der Verschiedenheit“. Das heißt im Klartext: Wer nicht mehr katholisch ist, sei es halt irgendwie doch. So dreist hätte das nicht mal Luther formuliert.
Doch während sich Luther wenigstens noch auf die Heilige Schrift berief, hat dies der „Synodale Weg“ vollständig aufgegeben: Nicht mehr die Bibel gibt die Normen des Glaubens vor, sondern wird ihrerseits von den „Synodalen“ normiert: Biblische Aussagen werden nicht nur relativiert, sondern verfälscht. Als Bezugsgröße fungiert dabei ausschließlich der Zeitgeist, in dem sich Gott neu „offenbaren“ soll: Die Schöpfung des Menschen als Mann und Frau wird beispielsweise ebenso geleugnet wie die Unauflöslichkeit der Ehe oder die Sündhaftigkeit homosexueller Praktiken. Auch die „Ehelosigkeit um des Himmelreiches“ willen soll – Jesus hin, Paulus her – praktisch aufgegeben und ein weibliches Weiheamt eingeführt werden. Was auch immer der Bibel zutiefst wesensfremd ist, soll nun als „biblisch“ definiert werden.
Dahinter steht nichts weniger als eine radikale Abkehr vom biblischen Gottesbild und die Errichtung einer neuen, im Grunde heidnischen Religion. Es verhält sich nicht anders wie mit der biblischen Geschichte vom „goldenen Kalb“; man formt sich den synodalen Götzen selber zurecht, und genau dies ist Bätzings neuer „katholischer“ Glaube: Ein wirres Produkt abgefallener „Katholiken“ und häretischer Bischöfe.
All dies soll ein weiterer Mythos legitimieren, nämlich der Mythos vom „Glaubenssinn des Gottesvolkes“. Dabei wird das „Gottesvolk“ schlicht mit dem gottlosen Volk der „Synodalkatholik*innen“ identifiziert und der „Glaubenssinn“ mit dem Mainstream des „Zeitgeists“ vertauscht. Schlussendlich kommt eine katholische Mogelpackung heraus, die jeden theologischen Diskurs verweigert und ein absolutes „Unfehlbarkeitsdogma“ für sich selbst postuliert: Selbstbewusst widerstehen Bätzings „Katholiken“ auf dieser Basis sogar dem Papst und jeder römischen Intervention.
Damit dieser Wahnsinn auf Dauer angelegt bleibt, schafft man nun einen – von Rom verbotenen – „Synodalen Rat“, der zum „Souverän“ der „deutschen Kirche“ avancieren soll.
Mit „Demokratie“ hat dies freilich nichts zu tun, weit mehr mit ihrem Gegenteil: Bätzings Synodal-Diktatur wäre schließlich nicht die erste, die lediglich den Anschein des „Demokratischen“ erweckt, und auch das ist in Deutschland keineswegs neu. Kosmetische Tricks sollen dies allenfalls notdürftig verdecken, dazu zählt die infame Behauptung, der „Synodale Rat“ solle nur „beraten“, reale „Macht“ ausüben solle er nicht.
Dies wieder ist nicht einmal mehr ein Mythos, sondern nur noch eine durchsichtige Lüge, mit der man das römische Verbot umgehen und den Papst – pardon – für „dumm“ verkaufen will. Von wegen nur „beraten“: Schon heute bestehen die „Synodalkatholik*innen“ vehement auf die Umsetzung ihrer bisherigen „Beratungen“ in allen Diözesen, und der „synodale Rat“ soll nun zum endgültigen Mittel ihrer pseudodemokratischen Machtergreifung werden.
Auf eine bislang erforderliche Zweidrittelmehrheit der Bischöfe will man dabei wohlweislich verzichten. Die Nachfolger der Apostel werden so endgültig zu dem, was sie heute schon sind: synodale Befehlsempfänger und Handlanger eines Schismas.
Glücklicherweise legt man den katholischen Glauben jedoch nicht in Deutschland fest, und dies schon gar nicht nach dem „Glaubenssinn“ deutscher „Katholik*innen“. Um dies zu verschleiern, haben Bätzings Leute wohl auch ihren Lieblingsmythos installiert: den Mythos von der „Weltkirche, die sie als oberste Instanz in Fragen des Glaubens und der Moral verstehen; was die Weltkirche sagt, so wird behauptet, das gilt, oder wenigstens gilt es, so lange es mit den eigenen Vorstellungen kongruiert. Allerdings: Eine solche „Weltkirche“ gibt es nicht, wenigstens keine katholische, denn auch die Weltkirche ist dem fortgeltenden Lehramt unterworfen und stellt keineswegs ein eigenes Lehramt dar. Die weltweite Erosion des katholischen Glaubens verleiht ihr noch lange keinen lehrmäßigen Primat, der seinerseits den Glaubensabfall deutscher „Katholik*innen“ legitimieren könnte.
Da hilft es auch nichts, wenn Bischof Bätzing beständig behauptet, in der „Weltkirche“ sehe man die Dinge ebenso wie in Deutschland, man möchte halt überall „anders katholisch“ sein.
Weil jeder weiß, dass das falsch ist, behilft man sich simpel mit einem konkurrierenden Mythos, der „unterschiedliche Reformgeschwindigkeiten“ propagiert. – Widersprüche heben sich im mythischen Denken ja niemals auf; sie „ergänzen“ sich bekanntlich nur.
Der Mythos gebiert so seine perverse Variante: Demzufolge sei man in Deutschland schon immer schneller als etwa in Afrika: Dem „Deutschlandtempo“ kirchlicher Reformen komme man in der „Dritten Welt“ einfach nicht hinterher; was das überlegene Deutschland heute vormacht, macht der rückständige Rest aber irgendwann zwangsläufig nach: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.“ Von diesem kirchlichen Kolonialdenken kann man sich nur noch angewidert distanzieren: das Letzte, was die Weltkirche braucht, ist ein „teutscher“ Wilhelminismus mit dem Apostaten Bätzing und der Präsidentin seines „Zentralkomitees“ als unvermeidlicher „Doppelspitze“.
Aber was braucht die Weltkirche wirklich, wenn sie keine Deutschen auf der Überholspur braucht?
Vor allem braucht sie eine Rückbesinnung auf sich selbst und auf das, was sie ausmacht; sie braucht eine Neuausrichtung an ihrem Markenkern, das heißt an ihrer heiligen Tradition.
Dafür bietet die kommende Weltbischofssynode eine gute Gelegenheit, übrigens auch dafür, um endlich mit einem weiteren Mythos zu brechen, der sogar in Rom verbreitet wird, nämlich mit dem, „Synodalität“ gehöre zur „DNA“ der Kirche. Genau das tut sie nicht und dies schon gar nicht im Sinne deutscher Reformer: Das kirchliche Lehramt unterliegt keinen parlamentarischen Voten, die Kirche ist keine schnöde Demokratie. Sie ist „heilig, katholisch und apostolisch“ – das ist kein Mythos, sondern eine fast vergessene Glaubenswahrheit. Und nur die hilft der Kirche weiter.
Dr. Joachim Heimerl ist Priester und Oberstudienrat.
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