Neue Bischöfe braucht das Land

15. Mai 2023 in Kommentar


Wenn ein Bistum wie Essen meldet, 2040 nur noch dreißig Priester zu haben, ist das Bistum abzuwickeln und in eine Missionsstation umzuwandeln. Ähnliches gilt für andere Bistümer - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)

Drei Bischofssitze in Deutschland sind zurzeit vakant. Mit Gebhardt Fürst erreicht im Dezember diesen Jahres ein weiterer Bischof die Altersgrenze. Doch es geht nicht um die Neubesetzung dieser Bischofsstühle. Jedenfalls nicht allein. Es könnte sein, dass sich schon jetzt – zumindest ansatzweise – die Erkenntnis durchsetzt, in welche Richtung eine Veränderung gehen muss. Deutsche Bischöfe verteidigen nicht den Glauben gegen einen kritischen oder feindlichen Zeitgeist, vielmehr machen sie ihn sich zu eigen und reiten auf einer woken oder diversen oder sonstigen Welle. Ein wenig schlechte Presse und der gewöhnliche deutschen Elfenbeinturmbewohner unter Mitra knickt ein. Das gilt vielleicht nicht für alle, schaut man sich den Kampf des Kölner Erzbischofs gegen die auf seine Person zielende Pressekampagne an. Vielleicht hat Kardinal Woelki etwas falsch gemacht, vielleicht auch nicht, wer ohne Schuld ist werfe die erste Hand voll Schlamm. Derzeit wird einfach Schlamm geworfen in der Hoffnung, dass irgendwas schon kleben bleibt. Vielleicht sind die Gerichtsverfahren gegen die Presse ein Fehler, möglicherweise ließe man die Presse besser ins Leere laufen. Wer kann hier schon sagen, was richtig ist.

Historische Vergleiche sind immer wieder eine scheußlich hinkende Angelegenheit, weshalb man sie meiden sollte. Dennoch kann ein lernwilliger Blick in die Geschichte helfen die Gegenwart anders zu sehen. Das gilt vielleicht auch für das Bischofamt. Im Jahr 1803 verloren aufgrund des Reichsdeputationshauptschluss die Bischöfe nicht nur viele Ländereien und anderes Vermögen. Sie gingen auch ihrer politischen Macht verlustig. Man kann sich heute kaum vorstellen, welche Erschütterung damit einher ging. Nicht nur für die Bischöfe war die Änderung dramatisch. Das Sprichwort: „Unterm Krummstab lässt sich gut leben“, kommt eben daher, dass man unter der Herrschaft der geistlichen Landesherren gute Lebensbedingungen vorfand. Das gilt vielleicht nicht für alle, aber es reichte für ein Sprichwort.

Wie gewaltig die Umbrüche gewesen sein mögen, können wir uns kaum vorstellen. Als Fazit formulierte Papst Benedikt XVI. in seiner Ansprache im Konzerthaus in Freiburg: „Die geschichtlichen Beispiele zeigen: Das missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche tritt klarer zutage. Die von materiellen und politischen Lasten und Privilegien befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein.“ Auf das konkrete Beispiel gemünzt bedeutet dies, die Bischöfe waren im Kulturkampf frei um an der Seite der Gläubigen zu stehen. Der Paderborner Bischof Konrad Martin wurde im Jahr 1812 geboren. Das war neun Jahre nach der Säkularisation. In seiner Kindheit wird man die Folgen vielleicht noch unmittelbar gespürt haben, ein Wissen um Fürstbischöfe konnte er allenfalls aus Erzählung und Studien erlangen. Konrad Martin wird Theologe, Priester, Bischof, nimmt am I. Vatikanischen Konzil teil und tritt den ungerechten Gesetzen des preußischen Staates entgegen.

Heute gilt er uns als Bekennerbischof. Für damalige Zeiten war er den einen ein Held den anderen ein Verbrecher. Seine Biografie ist lesenwert. Seine Pastoralen Ansätze könnte man in unsere Zeit übersetzen. Anfeindung hat ihn nicht irritiert, er lebte und lehrte, was er als wahr und richtig erkannt hatte. Er war bereit, dafür ins Gefängnis zu gehen, die ungerechte Absetzung zu erdulden und im Exil sein Leben zu beenden. Heute ist alles ganz anders. In einer freiheitlich- demokratischen Gesellschaft muss niemand befürchten, für eine Predigt inhaftiert zu werden. Oh, wait …Olaf Latzel, ein evangelischer Pastor, wurde am 25. November 2020 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen (8.100 Euro) verurteilt. Das Gericht sprach Latzel schuldig, weil er im Eheseminar zum Hass gegen Homosexuelle aufgestachelt und ihre Menschenwürde angegriffen habe. Es kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden, ob dies den Tatsachen entspricht oder ob es sich um eine Einschätzung des Gerichts auf Basis von Verleumdungen handelt. Fachleute üben Kritik an der Verhandlungsführung des Gerichts. Daher sei hier nur auf folgende Tatsache rekurriert: Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts können Priester strafrechtlich verfolgt werden.

Ob ähnliches zurzeit einen Bischof treffen könnte, sollten wir nicht verschreien. Aus historischer Sicht hat sich für Bischöfe seit 1803 viel und doch gar nicht so viel verändert. Zwar hat der einzelne Bischof keine politische Macht mehr, über die Verschränkung der Kirche mit dem Staat an vielen Stellen, nehmen das Sekretariat der DBK und die die katholischen Büros auf Bundes- und Länderebene sehr wohl politischen Einfluss wahr. Dies ist in keiner Weise verwunderlich, schon allein die schiere Mitgliederzahl der Kirche macht diese für die Politik zu einer relevanten Größe. Kulturelle Aspekte, wie die zahlreichen katholischen Schulen, sowie das soziale Engagement der Kirche, vor allem in Gestalt der Caritas, machen die Kirche zu einem großen und damit politisch relevanten gesellschaftlichen Player.

Bischöfe werden besoldet wie Ministerpräsidenten und haben (zumindest teilweise) vergleichbar ausgestattete Büros und Apparate zur Verfügung. Bischöfe rangieren auch protokollarisch auf der Ebene von Länderchefs. Leiter der katholischen Büros sind übrigens protokollarisch Ministern gleichgestellt. Nun ist das Protokoll eine Größe diplomatischer Umgangsformen und kein Machtbarometer, doch ganz ohne Bedeutung ist es nicht, denn zumindest regelt das Protokoll, wer zu wem unproblematisch Kontakt aufnehmen kann. Natürlich kann ein Bischof einen Ministerpräsidenten anrufen und umgekehrt. Licht auf der einen Seite, Schatten auf der anderen Seite. Wer mit Regierungschefs redet, redet nicht so gerne oder allenfalls von oben mit dem Volk. Man versuche mal seinen Bischof anzurufen.

Der synodale Weg hat es nur zu deutlich gezeigt, wie unfähig zur Kommunikation nicht nur deutsche Bischöfe sondern auch katholische Laienfunktionäre sind. Ein Stakkato von Minutenbeiträgen wurde gefolgt von einem Stakkato von Abstimmungen. Folge: Es sind Textmonster in der Welt, die keiner gelesen hat, die aber von Spitzenfunktionären, die den Umgang mit so etwas gewohnt sind, als Dolch an der Kehle des Episkopats gesehen und genutzt werden. Es sind politische Spiele, die nichts Kirchliches an sich haben. Bischöfe kommen in der Regel nicht aus dem politischen Lager. Sie gehen aus Priesterseminaren hervor, werden unpolitisch gehalten, auf Gehorsam geschult, studieren mit mehr oder weniger Erfolg Theologie und im besten Fall Kirchenrecht. Kaum ein Bischof hat eine wirkliche Eliteschule (im besten Sinne) durchlaufen. Man konnte die (politische) Sprachlosigkeit der Bischöfe vor allem daran erkennen, dass sie trotz ihres großen Apparats die Textarbeit des Synodalen Weges weitgehend verweigert haben. Da wäre tatsächlich das eine Tor oder andere Tor gewesen, durch das man den Synodalen Weg partiell hätte umlenken können. Schwer zu sagen, ob es nur an Willen oder auch an Kompetenz fehlte.

Die vorliegende, recht holzschnittartige Analyse kann grob aufzeigen, in welche Richtung sich das Episkopat entwickeln muss, wenn die Kirche in Deutschland wieder missionarisch werden soll. Die großen, komfortablen Apparate stehen den Bischöfen vor allem deshalb im Weg, weil nicht der Chef den Apparat, sondern der Apparat den Chef lenkt. Die Öffentlichkeit steht gegen die Kirche, den neuen Bischof darf dies nicht davon abhalten für die Wahrheit einzustehen. Woke, diverse, ökologische und andere Irrlehren versuchen sich der katholischen Kirche zu bedienen. Es gilt zu lernen, dass dies nicht neu ist. Der Pelagianismus und seine häretischen Kollegen tragen doch am Ende nur ein neues Gewand, im Kern sind sie dieselben geblieben. Es gilt, sich davon nicht irre machen zu lassen. Zugleich stecken in den Herausforderungen auch wieder Versuchungen. Es geht nicht an, eine neue Bescheidenheit um der Bescheidenheit willen zu leben. Am Ende landet man wieder Papst im Luxushotel und kommt nicht wieder raus.

Neue Bischöfe braucht das Land. Das heißt nicht, dass wir schon wissen, was wir brauchen, es heißt am Ende nur, dass es so nicht weitergehen kann. Wenn ein Bistum wie Essen meldet, 2040 nur noch dreißig Priester zu haben, ist das Bistum abzuwickeln und in eine Missionsstation umzuwandeln. Ähnliches gilt für andere Bistümer. Der Fürstbischof der Neuzeit ist Geschichte, ebenso wird der Ministerpräsidentenbischof unserer Tage irgendwann Geschichte sein. Die Krise der Gegenwart ist nicht das Ende, es ist der Anfang eines Wandels, der vermutlich in eine andere Richtung geht, als wir alle uns das vorstellen. Was kann man sagen, was Bischöfe der Zukunft am meisten brauchen? Vielleicht Mut? Änderungen sind nämlich immer auch Überraschungen. Wie hätte der Fischer Simon bar Jona (aka Petrus) denn nur ahnen können, dass seine Nachfolger studierte Männer sind, die in Palästen wohnen und weiße Gewänder tragen?

 

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