Pfingsten – Geburtstag der Kirche

26. Mai 2023 in Aktuelles


Es war der Geist, der am Pfingsttag herabgekommen, die Boten in immer neue Länder zu immer neuen Völkern trieb. Walter Kardinal Brandmüller


Rom (kath.net/as/wb) „Pfingsten im Jahre 2023! Können wir nach und mit all dem, was wir in der Kirche der deutschsprachigen Länder erleben, erleiden, ein fröhliches, ‚liebliches’ Fest feiern?“.

„In dieser ‚Stunde der Finsternis’ heißt es nun, besonders an diesem Pfingsten um Licht und Kraft des Heiligen Geistes zu beten, damit wir in seinem Licht den Irrtum durchschauen und n seiner Kraft dem Bösen widerstehen können.“

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„Pfingsten – das liebliche Fest war gekommen,
es grünten und blühten Feld und Wald.
Auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken
übten ein fröhliches Lied die unermüdlichen Vögel...“
– so der Dichter.

Doch das Pfingsten, das wir heute feiern, war keine biedermeierliche Idylle!

Pfingsten: Gottes Geist bricht ein in die Welt „mit Sturm und Feuersgluten“. Und aus des Geistes Sturm und Feuer erhebt sich wie der Phoenix aus der Asche die Kirche Jesu Christi.

Erst sind es die Zwölf, auf die sich „Zungen wie von Feuer“ niedersenken, Zeichen des Geistes Gottes, der sie zuinnerst erleuchtet und durchglüht – und sie zu Verkündern der Großtaten Gottes, des Evangeliums Jesu Christi, macht.

Zugleich strömt, vom Sturmesbrausen erschreckt, die Menge der Menschen zusammen, und die Pilger aus aller Herren Ländern und Sprachen hören, verstehen in ihrer je eigenen Sprache die geisterfüllte Rede der Apostel.

I

Das ist die Stunde jenes Petrus, der einst aus Angst vor einer Magd seinen Herrn verleugnet hatte, nun aber vom Geist erfüllt vor Tausenden das Wort ergreift: die erste Missionspredigt der Geschichte. Und da er zu Juden und Gläubigen spricht, erinnert er sie an die Worte, mit denen der Prophet Joel die kommende Zeit des Heiles angekündigt hatte: „Ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch – eure Söhne und Töchter werden Propheten sein…“. Er erinnert an Jesus, sein Leben, Leiden, seine Auferstehung, und als die Hörer fragen: „Bruder, was müssen wir tun…?“, antwortet Petrus: „Bekehrt euch und lasst euch taufen auf den Namen Jesu Christi, auf dass ihr Vergebung eurer Sünden und die Gabe des Heiligen Geistes empfangt.“

Das ist in der Tat die Stunde des Fischers Petrus, der sein Netz im Meer der Völker auswirft und wahrlich reichen Fang erlebt: „An jenem Tag kamen gegen dreitausend Seelen hinzu“ – sagt die Apostelgeschichte, die da sechzehn Länder aufzählt, aus denen die Pilger gekommen waren. Sie sind es, die nun heimkehren und erzählen, was sie in Jerusalem erlebt und gehört haben.

Alsdann begegnen wir dem Philippus, wie er in Samarien die Botschaft von Jesus verkündet. Bald trifft er auch einen hohen Beamten der Königin von Äthiopien, den er zum Glauben führt und tauft – und dann tut er desgleichen in allen Städten, in die er kam.

Wie ein einziger Tropfen Quecksilber zur Erde fällt und in tausend kleine Perlen zerstiebt, so breiteten sich vom Pfingsttag an Evangelium und Kirche Christi aus.

Es war um das Jahr 150 nach Christus, da der Märtyrerbischof Irenäus von Lyon schon von Kirchen in Germanien, Spanien, Gallien sowie im Orient, Ägypten und Libanon spricht.

Von hier aus setzte sich der Siegeszug des Evangeliums in weitere Gegenden fort: „…ihre Botschaft geht in die ganze Welt hinaus, ihre Kunde bis an die Enden der Erde…“, so also erfüllt sich Psalm 19.

Es war der Geist, der am Pfingsttag herabgekommen, die Boten in immer neue Länder zu immer neuen Völkern trieb: „Geht hinaus in die Welt und predigt das Evangelium allen Geschöpfen…“, hatte Jesus geboten, ehe er zum Vater heimkehrte. Pfingsten zu Jerusalem im Jahre 30 nach Christi Geburt – der Geburtstag der weltumspannenden Kirche.

II

Von dieser Stunde an hat der Siegeslauf der Botschaft Christi begonnen, der bis heute dauert. Nunmehr sind es freilich kaum noch entlegene Gegenden der Erde, wohin die Boten des Evangeliums noch zu senden wären.

Heute ist es vielmehr jenes Europa, von wo einst die Frohe Botschaft in alle Welt getragen wurde, das seit langem selbst wieder zum Missionsland geworden ist.

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn, ist das nicht eine Erkenntnis, die, lange verdrängt, uns endlich aufschrecken sollte?

Seit Jahr und Tag steigen die Kirchenaustrittszahlen in immer neue Höhen,doch was wahrhaft beängstigend ist: der offenkundige Abfall vom katholischen Glauben hat nun auch vor Bischöfen und Priestern nicht Halt gemacht, wie die Ereignisse um den sogenannten Synodalen Prozess offenbaren.

Nicht wenige Gläubige fragen sich, wie sie sich in der so entstandenen Unsicherheit zurechtfinden sollen. Die Bitte „bewahre uns vor Verwirrung und Sünde“ ist von bestürzender Aktualität.

III

Liebe Christen, in dieser „Stunde der Finsternis“ heißt es nun, besonders an diesem Pfingsten, um Licht und Kraft des Heiligen Geistes zu beten, damit wir in seinem Licht den Irrtum durchschauen und in seiner Kraft dem Bösen widerstehen können.

Der düstere Irrtum des Frankfurter Ungeistes kann indes im Licht des wahren unverfälschten katholischen Glaubens erkannt und entlarvt werden. Das aber heißt, dass wir uns wahrlich nicht mehr mit dem Gut-katholisch-sein-Wollen begnügen dürfen. Wir müssen uns ernstlich um eine solide Kenntnis des Glaubens der Kirche bemühen. Nicht umsonst hat ja Papst Johannes Paul II. den „Katechismus der Katholischen Kirche“ herausgegeben und uns damit zuverlässige Orientierung ermöglicht. Dieses Buch sollte, ja muss in jedem Haus, in dem Katholiken wohnen, vorhanden sein – und gelesen werden.

Erst aus einer soliden Kenntnis der Glaubenswahrheiten kann eine wahre Überzeugung entstehen, kann ein glaubwürdiger Einsatz für die Kirche, kann ein wahres Zeugnis für Glauben und Kirche erwachsen.

Oftmals sind es aber weniger die Worte, die unsere glaubensfernen Mitmenschen für die Frohe Botschaft aufschließen, empfänglich machen. Es ist vielmehr das unspektakuläre, alltägliche Zeugnis unseres Lebens, das überzeugt. Wo Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit und Treue, verbunden mit Ehrlichkeit in Handel und Wandel gelebt, geübt werden, da wird das Evangelium auch ohne Worte mächtig verkündet. „Seht, wie sie einander lieben“, sagte man im 2. Jahrhundert von den Christen, wie der römische Rechtsanwalt Tertullian berichtet.

Von einer solchen Christenheit geht auch heute unwiderstehliche Anziehungskraft aus – da braucht es der Worte nur wenige.

IV

Pfingsten im Jahre 2023! Können wir nach und mit all dem, was wir in der Kirche der deutschsprachigen Länder erleben, erleiden, ein fröhliches, „liebliches“ Fest feiern? Je mehr an Vorkommnissen, Versäumnissen innerhalb der Kirchenmauern bekannt wird, desto weniger mag Festesfreude aufkommen.

In der Tat sind wir seit geraumer Zeit Zeugen von kirchlichen Zusammenbrüchen. Dass immer mehr Kirchen zum Verkauf angeboten werden, ist ein erschreckendes Zeichen für Glaubensschwund und Glaubensabfall. Überlassen wir uns denn unserer Trauer, der Hoffnungslosigkeit? Nein und abermals nein!

Hören wir vielmehr, was der Prophet Ezekiel geschaut und verkündet hat: Er sieht im Geist eine weite Ebene bedeckt mit Totengebeinen. Der Herr fragt ihn: „Menschensohn, können diese Gebeine wieder lebendig werden? Und der Herr befiehlt ihm: Sprich als Prophet über die Gebeine und sag zu ihnen: Ihr ausgetrockneten Gebeine hört das Wort des Herrn: Siehe, ich selbst bringe Geist in euch, dann werdet ihr lebendig. Das tat der Prophet – und siehe: die Gebeine rückten zusammen, Bein an Bein… und es kam Geist in sie. Sie wurden lebendig … ein großes, gewaltiges Heer.“

Was Ezechiel vom Volk des Alten Bundes geschaut hat – sollte, könnte das nicht auch mit so manchen abgestorbenen, verdorrten Gliedern der Kirche in unseren Zeiten geschehen? In der Tat. Auch in unseren Tagen ist Gottes Gnade am Werk. Dem kirchlichen Abbruch steht ein Aufbruch gegenüber, eine Neubelebung des Glaubens, die sich in Kreisen der jüngeren Generation ereignet. Nicht spektakulär, aber kontinuierlich wachsen junge Priester- und Ordensgemeinschaften heran – namentlich im französischen Sprachraum -, die oft von der „offiziellen“ Kirche misstrauisch betrachtet, sich dennoch nicht beirren lassen. Aufbrüche, wie wir sie aus der Zeit nach der Französischen Revolution kennen. Damals konnte Pius IX. ca. 120 neue Ordensgemeinschaften bestätigen. Der Geist Gottes ist auch heute am Werk – und er weht, wo er will. Nicht aber, wo und wie wir wollen.

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Darum rufen wir am Pfingstfest – und immer wieder – „Komm, Heiliger Geist, und erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe. Jesus selbst hat uns die Erhörung dieser Bitte zugesagt. Er spricht über das Bittgebet. Dann schließt er: „Wieviel mehr wird der Himmlische Vater den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten!“ (Lk 11,13). Das also gilt es zu tun!

 


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