13. Juni 2023 in Spirituelles
„Pater Joachim hatte nichts anderes als den katholischen Glauben verkündet; in Deutschland gilt dies inzwischen fast schon als ‚Verbrechen‘.“ Von Joachim Heimerl
Linz (kath.net/joh) Als im Jänner 2023 eine Weihnachtspredigt bundesweit Schlagzeilen machte, griff ich die angebliche „Skandalpredigt“ in einer Kolumne auf dieser Seite auf. Ich hätte nicht erwartet, dass sich daraus eine geistliche Freundschaft entwickelte. - Was war geschehen?
Zu Weihnachten 2022 hatte Pater Joachim Wernersbach OSB in der ostdeutschen Pfarre Wittichenau über die Heiligkeit der Familie gepredigt und darüber, dass zeitgeistige Ideologien wie die Gendertheorie, LGTBQ+ und Transhumanismus der Schönheit und Stimmigkeit der Schöpfung Gottes nicht entsprechen. Es war eine Predigt voll Glaube, Hoffnung und Liebe, von einer „Skandalpredigt“ fehlte jede Spur. Dennoch brach ein regelrechter Shitstorm los: Pater Joachim wurde als „frauenfeindlich“ und „homophob“ verunglimpft, von seinem Abt (Abtei Tholey) und seinem Bischof öffentlich gedemütigt und sanktioniert. Dabei hatte er nichts anderes als den katholischen Glauben verkündet; in Deutschland gilt dies inzwischen fast schon als „Verbrechen“. Während Pater Joachim sich nicht gegen Menschen, sondern ausschließlich gegen unchristliche Menschenbilder gewandt hatte, schlug ihm nun fanatischer Hass ins Gesicht: Er hatte von der Liebe Gottes zu den Menschen gesprochen; als „Hetzprediger“ lieferte ihn der Mob ans mediale Messer.
Das Schicksal Pater Joachims rührte mich in besonderer Weise; vielleicht lag dies auch daran, dass uns ein seltener Namenspatron verband: der Vater Mariens, der Großvater des Herrn, man könnte salopp sagen: ein Heiliger der „ersten Klasse“.
Kurzerhand nahm ich Kontakt mit Pater Joachim auf und erlebte ihn inmitten eines Stahlgewitters ganz ruhig und gelassen. Er beklagte sich nicht und klagte erst recht niemand an. Im Gegenteil: Er sah die Dinge wie von einer höheren Warte aus, während ich – ebenfalls Priester – sie nur durch die Brille des katholischen Kolumnisten sah.
Ich erzählte Pater Joachim, dass ich seinem Abt wie seinem Bischof per Brief die Meinung gesagt hätte und dass ich ihn zukünftig unterstützen wollte, wo immer es ging. Zu meiner Überraschung interessierte ihn das nicht. Ihm genügte, dass er Christus nachfolgte, während sich mittlerweile auch seine Mitbrüder von ihm distanziert hatten. – „Feige Bande“, dachte ich mir, doch Pater Joachim verlor darüber kein Wort.
Im Lauf der folgenden Monate ließ er mich erkennen, dass er krank und in ständiger Behandlung war. Mehr sagte er nicht und ich fragte meinerseits natürlich nicht nach.
Inzwischen war ein kleiner Briefwechsel entstanden, in dem Pater Joachim die wesentlichen Dinge des Glaubens ansprach. Er tat das sehr einfach und sehr berührend. So schrieb er einmal ganz offen, wie sehr er sich danach sehnte, bei Gott zu sein, jenseits der Verirrungen der „deutschen Kirche“ und des ideologischen Wahnsinns unserer Zeit. Sehr bald wurden seine Briefe weniger; dass er Magenkrebs im Endstadium hatte, ahnte ich damals nicht. Was auch immer er mir schrieb, beeindruckte mich stark. Eigentlich haben nur die „letzten Gespräche“ der heiligen Thérèse von Lisieux einen vergleichbaren Eindruck auf mich gemacht.
Am Morgen des Pfingstsonntags ließ mich Pater Joachim schließlich wissen, der liebe Gott wolle ihn nun bei sich haben. Inzwischen konnte er kaum noch schreiben, litt spürbar und war dennoch voll Dank und Freude. Ich hielt das Hochamt für ihn, damit der Heilige Geist ihn weiter stärke. Noch während der Messe erinnerte ich mich daran, wie man im Karmel von Lisieux der sterbenden Thérèse „Aufträge“ für den Himmel mitgegeben hatte. Ich fasste mir ein Herz und bat Pater Joachim für einen engen Freund und seine Mutter. Er versprach mir, zu sehen, was er im Himmel für mein großes Anliegen tun könnte. Danach habe ich nichts mehr von ihm gehört und wenig später erfuhr ich erschüttert von seinem Tod.
Pater Joachim war in der Vigil des Fronleichnamsfestes in die Ewigkeit gerufen worden. Mir schien, als habe der Ewige Hohepriester am Fest seines Leibes und Blutes dem Leben seines treuen Dieners ein letztes Siegel aufgeprägt: „Ja, Du bist Priester auf ewig, Joachim!“
Es war eine kurze, außergewöhnliche Freundschaft, die Pater Joachim und mich verband.
Unsere Leben waren erstaunlich parallel verlaufen und vielleicht war dies ein weiterer Grund, weshalb wir uns so gut verstanden. Als der Ältere ging er mir lange Jahre auf ähnlichen Wegen voraus, bis wir am Ende seines Lebens schließlich aufeinander trafen.
Während ich am Tag nach Fronleichnam ein stilles Requiem feierte und in den Orationen seinen – und meinen – Vornamen nannte, dachte ich daran, dass eines Tages ein anderer Priester diese Gebete für mich sprechen und ich dann ein letztes Mal Pater Joachim folgen würde; ich dachte daran, dass mein Geburtstag auf Weihnachten fällt und dass es eben eine Weihnachtspredigt war, durch die Gott Pater Joachim eine letzte Gnade geschenkt hat: Auf der letzten Lebensstrecke formte er ihn zum Bekenner. – Es hat eben keinen Sinn, Priester zu sein, wenn man kein Bekenner ist, und ohne Bekenner gäbe es, genau genommen, kein Christentum. In diesem Sinn bestätigte mir Pater Joachim kurz bevor er starb, was er an seinem letzten Weihnachtsfest gepredigt hatte: „Ich habe immer die Schönheit und Stimmigkeit unseres Glaubens geliebt. Es ist der wahre Glaube.“
Als Prediger hat er dies mutig verkündet und bis zuletzt bekannt. Nach seinem Tod kommt die Reihe nun an mich und an uns alle: Schließen wir uns diesem Bekenner an!
Archivfoto P. Joachim Wernersbach OSB (c) privat
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