22. Juni 2023 in Kommentar
"Nun ist der 'Synodale Weg' der Katholischen Kirche in Deutschland zu seinem vorläufigen Ende gekommen... er hat die Katholische Kirche in Deutschland an den Rand der Spaltung gebracht". Kommentar des evangelischen Pfr. Jürgen Henkel
Bonn (kath.net) Nun ist der „Synodale Weg“ der Katholischen Kirche in Deutschland zu seinem vorläufigen Ende gekommen. Dieser Versuch eines spezifisch germanischen „Aggiornamento“ in dezidierter Abgrenzung vom Rest der (katholischen) Welt hat die Katholische Kirche in Deutschland an den Rand der Spaltung gebracht: einer lautstarken Minderheit geht alles noch nicht weit genug, viele aufrechte Katholiken hingegen – vielleicht sogar die schweigende Mehrheit – fühlen sich schlicht um das Katholische an ihrer Katholischen Kirche gebracht. Und das von Hirten, die die Kirche eigentlich zusammenhalten müssten. Dieser Prozess bedeutete leider kein „ad fontes“, sondern eine Anpassung an die Welt und gesellschaftliche und politische Strömungen, wie es die Evangelische Kirche und die protestantische Theologie seit langem vorführen, ohne dadurch zu neuer Blüte gefunden zu haben.
Der Vatikan hat auf unterschiedlichen Ebenen von führenden Kurienkardinälen bis zu Papst Franziskus selbst immer wieder vor Irrwegen und einer Abkehr von Rom und der Einheit mit der Weltkirche gewarnt, flankiert von klaren Aussagen von Bischofskonferenzen verschiedener Länder. Die deutsche Synodal-Karawane zog indes stets unbeirrt weiter, interpretierte jeden Widerspruch zur Zustimmung um und träumt von einem „deutschen Katholizismus“, der dem Ursprung, Geist und Wesen der Katholischen (Welt)Kirche zutiefst widerspräche. Gleichzeitig hegen und pflegen die Funktionäre und Akteure des „Synodalen Wegs“ noch die selbstverliebte Attitüde einer selbsternannten Avantgarde, deren selbstgestrickten Ideen und Modernisierungsbestrebungen am besten gleich die ganze Weltkirche folgen müsse, um „anzudocken“ und wieder anschlussfähig zu werden für die Moderne und die heutige Gesellschaft.
Dumm nur, dass die Katholische Kirche weltweit wächst, nur nicht in Deutschland und im deutschsprachigen Raum, der diesem Modernismus in Medien, Universitäten und bestimmten kirchlichen Milieus huldigt und wo häufig ungetaufte und bekenntnislose Journalisten der Meinung sind, der Katholischen Kirche genau mit erhobenem Zeigefinger vorschreiben zu können, in welche Richtung sie sich zu verändern und zu entwickeln habe. Im Gegenzug blühen derzeit vor allem liturgisch, theologisch und geistlich traditionelle Gemeinschaften und Hochschulen auf, sehr zum Missfallen der Medien, die zwar den kriminellen „Klimaaktivisten“, die unter anderem die Bundeshauptstadt Berlin „lahmlegen“ wollen, immer noch vehement huldigen, gleichzeitig aber wertkonservative Christen, Lebensschützer und konservative kirchliche Gruppierungen als rechts und fundamentalistisch abkanzeln und diese als Gefahr für die Demokratie diffamieren.
Bei den Akteuren des „Synodalen Wegs“ wird Aggiornamento freilich falsch verstanden. Schon Papst Johannes XXIII. selbst warnte als dessen „Erfinder“ am 9. September 1962 vor einem Missverständnis, wonach das Aggiornamento „nur das Leben versüßen oder der Natur schmeicheln will“ (vgl. Art. Aggiornamento, LThK, Bd. 1, Freiburg i. Br. 1993/2006, Sp. 231). Trefflicher kann man auch die Fehlentwicklungen des „Synodalen Wegs“ nicht zusammenfassen.
Natürlich muss die christliche Botschaft und Lehre stets in die jeweilige Zeit, Kirche und Gesellschaft gesprochen und jeweils neu „übersetzt“ werden, um weiterhin verstanden zu werden. Dies geht allerdings nur in Treue zur Lehre Christi und der Apostel und unter steter theologischer wie kirchenpolitischer Selbstvergewisserung über die eigenen Grundlagen. Der Taufbefehl ist hier eindeutig: „Gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ (Mt 28,19 f.) Christus der Herr hat keine Anpassung oder Anbiederung an die Welt geboten. Der deutsch-synodale Sonderweg hat sich jedenfalls an einem Aggiornamento versucht, das mit der päpstlichen Autorität in Konfrontation geraten musste, ist doch die Abgrenzung des Unveränderlichen vom Veränderlichen Kern und Auftrag des päpstlichen (wie auch des bischöflichen) Lehramts.
In Deutschland schreitet indes die linksgrüne dezidiert antichristliche Kulturrevolution dank der aktuellen Regierungskoalition in Berlin unter geistig-ideologischer Führung der Grünen und ihrer vielen Fans in den Medien schnell voran. Leider hat sich auch die FDP von ihrer Rolle als bürgerlich-liberale Partei verabschiedet und hin zu einer säkular-liberalen Partei gewandelt. Heute ist die FDP nur noch von linksliberalen antikirchlichen Strömungen und Personen geprägt. Diese Regierung setzt Fakten. Nach dem neuen Gesetz über die künftig mögliche biologiebefreite selbstbestimmte (Neu)Wahl des eigenen Geschlechts im Jahresturnus und der Abschaffung des Paragraphen 219 a) ist nun als Nächstes die Abschaffung des Paragraphen 218 und die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen und der Kirchensteuer im Visier. Zwar ist jede Gesellschaft immer im Wandel. Doch erleben wir längst von der Genderideologie und dem „Wokismus“ über die Auflösung der Familie aus Mann und Frau bis zur Gendersprache und zur Zuwanderung eine breit angelegte und gezielte Top-Down-Strategie zur massiven gesellschaftlichen Transformation, die auch als solche angekündigt und betrieben wird.
Religiöse Wurzeln sollen gekappt werden mit dem Ziel eines religionsbefreiten Multikulti-Universalismus. Auch Volk und Nation werden als obsolet charakterisiert. Kirchen und Christentum gelten als Relikte aus vormoderner Zeit. Diese Tendenzen begannen bereits unter der „CDU-Kanzlerin“ Merkel. Was wir derzeit von der Bundesregierung bis zu den Medien erleben, ist allerdings längst kein Kulturkampf mehr, sondern bereits eine Kulturrevolution nach marxistischem Muster. Mao lässt grüßen! Denn ein Kampf setzt zwei Parteien voraus. Im Moment gibt es aber in Deutschland keine wahrnehmbare politische oder kirchliche Gegenwehr und Opposition mehr zu dieser gewollten und von oben verordneten Gesellschaftsveränderung. Und selbst wo die CDU mit den Grünen regiert, setzen die Grünen ihre gesellschafts- und traditionszersetzenden Ziele durch wie in Hessen, NRW und neuerdings auch in Berlin. Zu sehr schielen CDU und CSU auf die Grünen als Koalitionspartner, um hier entschiedener Widerstand zu leisten. Und die Kirchenleitungen hierzulande sind ohnehin restlos begeistert von der linksgrünen Klima-, Gender- und Zuwanderungsagenda.
Zum Autor: Der evangelische Theologe und Publizist Dr. Jürgen Henkel ist Gemeindepfarrer der Evang.-Luth. Kirche in Bayern in Selb, Professor h. c. der Universität Babeş-Bolyai in Klausenburg (Siebenbürgen) sowie Gründungsherausgeber und Schriftleiter der Zeitschrift „Auftrag und Wahrheit – Ökumenische Quartalsschrift für Predigt, Liturgie und Theologie“. Der vorliegende Text ist ein Ausschnitt aus dem Editorial der aktuellen Ausgabe (AuW, Nr. 7, Jg. 2022/2023, Heft 3, S. 405-407) - siehe Foto: das aktuelle Titelblatt dieser Zeitschrift.
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