8. Juli 2023 in Chronik
Im Gefängnis sitzender nicaraguanischer Bischof Alvarez weigert sich offenbar, ins Exil zu gehen - In den USA lebender Weihbischof von Managua, Baez: Für Bischof Rolando gebe es "nichts zu verhandeln" -Repressalien gegen Kirche in Nicaragua halten an
Managua (kath.net/ KAP)
Im Fall des in Nicaragua inhaftierten regierungskritischen Bischofs Rolando Alvarez (56) hat sich der selbst im Exil in den USA lebende Weihbischof von Managua, Silvio Jose Baez, zu Wort gemeldet. "Ich kenne Rolando und er wird niemals über eine Gewissensentscheidung verhandeln, die er getroffen hat und die ich voll und ganz verstehe", schrieb Baez am Donnerstag (Ortszeit) auf Sozialen Netzwerken. Statt ins Exil wieder ins Gefängnis zu gehen sei zwar eine schmerzhafte Entscheidung, aber ein Bischof könne sein Volk nicht verlassen, nur weil eine Diktatur es ihm aufzwinge. Für Bischof Alvarez gebe es daher "nichts zu verhandeln".
Alvarez ist Diözesanbischof von Matagalpa und mittlerweile der bekannteste Kritiker des Regimes um Staatschef Daniel Ortega. Im Februar war der Bischof in einem weltweit kritisierten Urteil wegen "Rebellion" und Aufstachelung zum Widerstand zu 26 Jahren Haft verurteilt worden. Laut Medienberichten sollen in den vergangenen Tagen Verhandlungen über seine Freilassung gescheitert sein. Die spanische Nachrichtenagentur EFE berichtete unter Berufung auf eine diplomatische Quelle, dass sich Alvarez erneut geweigert habe, ins Exil zu gehen. Zuvor hatte es kurzfristig Schlagzeilen über eine angebliche Enthaftung gegeben.
Er verstehe die Entscheidung von Bischof Alvarez auch deshalb, da er selbst einst in einer ähnlichen Situation gewesen sei, erklärte der im US-Exil lebende Weihbischof Baez. Noch 2019 hätte er genauso wie Alvarez gehandelt und wäre selbst nie ins Exil gegangen. Dass es schlussendlich dennoch dazu gekommen sei, begründete Baez mit dem Gehorsam gegenüber Papst Franziskus.
Der Weihbischof bezeichnete es zudem als "Pflicht der Kirche", weiterhin die Verbrechen der sandinistischen Regimes gegen Bischof Alvarez und das Volk von Nicaragua anzuprangern. Er selbst werde weiter Alvarez' Freilassung fordern "und jeden Tag für ihn beten, dass er stark, gesund und voller Hoffnung sein möge", so der 65-Jährige. Er hoffe, dass sich die Weltkirche diesem Anliegen anschließe.
Die Agentur EFE berichtete unter Berufung auf diplomatische Kreise, Alvarez sei schon einige Stunden nach seiner von Medien verbreiteten Freilassung ins Gefängnis zurückgebracht worden, nachdem er sich erneut geweigert habe, ins Exil zu gehen. Zuvor hatte es von derselben Quelle geheißen, der Bischof sei am Montagabend aus dem Gefängnis entlassen worden und befinde sich in der Obhut der Nicaraguanischen Bischofskonferenz in Managua. Die Freilassung sei ein Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem Ortega-Regime, der nationalen Bischofskonferenz und dem Vatikan gewesen. Bei diesen Gesprächen sei die Möglichkeit erörtert worden, Alvarez nach Rom oder ins Exil zu schicken - oder, falls er sich weigern würde, erneut ins Gefängnis, was schließlich auch geschehen sei.
Mehrere Kirchenführer erklärten indes, eine tatsächliche Freilassung habe es nicht gegeben. Managuas Erzbischof Kardinal Leopoldo Brenes sprach in einem Radiointerview von "reiner Spekulation" und versicherte, Alvarez befinde sich aktuell im Hochsicherheitsgefängnis "La Modelo". Er habe in den vergangenen Tagen nicht persönlich mit Alvarez gesprochen, so Brenes. Der honduranische Bischof Jose Antonio Canales erklärte, Bischof Alvarez wolle Nicaragua nicht verlassen, sondern "in seinem Land frei und bedingungslos sein".
Bereits zweite Exil-Verweigerung
Bereits im Februar hatte sich Alvarez geweigert, ein von der US-Regierung gechartertes Flugzeug zu besteigen, das 222 von Machthaber Ortega verbannte politische Gefangene außer Land bringen sollte. Tags darauf wurde der schon seit August 2022 in Hausarrest bzw. Haft befindliche Alvarez wegen Hochverrats zu 26 Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt.
Regimekritiker nannten den Bischof nach seiner jüngsten Entscheidung ein "Vorbild im Glauben und in der Stärke". Er sei ein "Prophet und Seelsorger, der für die Stimme Gottes empfänglich ist" und sei zugleich "die Stimme des Volkes", erklärte Universitätsrektor Lesther Alemán, einer der 222 im Februar Exilierten.
Gespräche unter Hochspannung
Den Berichten zufolge wurde bei den jüngsten Verhandlungen zwischen Regierung und Kirche auch über fünf weitere inhaftierte Priester gesprochen, die sich wie Bischof Alvarez ebenfalls ihrer Exilierung widersetzt hatten. Die Gespräche fanden demnach unter großen Spannungen statt: Staatschef Ortega hatte die Beziehungen zum Vatikan suspendiert und den vatikanischen Botschafter des Landes verwiesen, nachdem Papst Franziskus sein Regime mit der kommunistischen Diktatur von 1917 sowie mit der Hitler-Diktatur von 1935 verglichen hatte.
Zuletzt hatte der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte die sandinistische Regierung zur unverzüglichen Freilassung von Bischof Alvarez aufgefordert. Ebenso hatte auch der brasilianische Präsident Lula da Silva nach einem Treffen mit Papst Franziskus in Rom angekündigt, er werde die Freilassung von Ortega fordern. Davor waren von verschiedenen Seiten Sorgen um den Zustand von Bischof Alvarez geäußert worden, zumal es seit einer kurzen Vorführung im Staatsfernsehen kein Lebenszeichen von ihm mehr gegeben hatte.
Auch die Vertreibungen von Kirchenvertretern aus Nicaragua halten an: Erst am Montag gab eine Gruppe brasilianischer Ordensfrauen der Gemeinschaft "Pobres de Jesucristo" bekannt, ihre humanitären und pastoralen Dienste künftig statt in Nicaragua im benachbarten El Salvador fortzusetzen. Zuvor war nach einer Razzia in ihrem Kloster ihrer Stiftung die Rechtspersönlichkeit entzogen und ihr gesamtes Eigentum beschlagnahmt worden. Die in zwölf Ländern vertretene Ordensgemeinschaft setzt sich für sozial am meisten benachteiligte Gruppen ein, unter anderem durch Verteilung von Lebensmitteln.
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Foto: Erzbischof Alvarez bei seiner Verhaftung
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