1. August 2023 in Spirituelles
„Wir dürfen beten, dass der HERR Arbeiter in seinen Weinberg schickt, auch in den deutschen Weinberg. Bei ihm ist nichts unmöglich! ER kann!“ Vortrag bei der Konferenz der Evangelischen Allianz in Bad Blankenburg. Von Hartmut Steeb
Bad Blankenburg/Stuttgart (kath.net) kath.net dokumentiert die Auslegung „Vollmächtig gebietend (Markus 4, 35-41)“ von Hartmut Steeb (siehe Link) bei der Allianzkonferenz in Bad Blankenburg, 28. Juli 2023 in voller Länge und dankt ihm für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung. Steeb war bis zu seiner Pensionierung der Generalsekretär der Evangelischen Allianz in Deutschland.
Liebe Schwestern und Brüder,
es ist schön, nach Hause zu kommen. Obwohl ich ja nie hier in Bad Blankenburg gewohnt habe, fühle ich mich fast so in diesen Tagen hier bei der Allianzkonferenz. 3 Jahre Abstinenz war schon heftig, auch wenn sie selbstgewählt waren. Nun werde ich in diesem Jahr 70 Jahre alt, also der Start ins biblische Zeitalter, wie ich das nenne. Denn nach Psalm 90 währt ja unser Leben 70 Jahre und wenn’s hochkommt, sind’s 80. In der Mitte meines Lebens, vor 35 Jahren, habe ich erstmals meine Füße in Bad Blankenburg aufgesetzt, das „Jerusalem“ der Evangelischen Allianz in Deutschland. Ich war endlich am Ort der Verheißung und setzte meinen Fuß aus dem Auto auf dieses „Heilige Land“. Bad Blankenburg war mir zwar schon nur aus der Ferne bekannt: Zum einen durch meine Arbeit im Evangelischen Oberkirchenrat in Stuttgart, 14 Jahre lang, davor. Denn wir hatten immer wieder mal finanzielle Hilfen bewilligt, und dann auch eine sehr große, damals, als noch mitten in der DDR-Zeit das „Haus Treue“ gebaut werden konnte, 1986 fertiggestellt – es sah natürlich ziemlich anders aus als heute, weil wir es ja Mitte der 90er Jahre auf den heutigen Standard bringen konnten. Aber natürlich kannte ich das Evangelische Allianzhaus auch durch die Mitverantwortung in der örtlichen Stuttgarter Evangelischen Allianz und durch die Berichterstattungen in idea und im ERF und was sonst noch genannt mag werden.
Hier, in der Mitte meines Lebens, in der Mitte Deutschlands, wurde aber vor allem die Mitte des Evangeliums deutlich, die Mitte, die wir in Gottes Wort und in Jesus Christus finden. Das hatte mich damals, 1988, sehr begeistert: Eine Bibelkonferenz, die in der sozialistischen DDR die Massen anzog und, was für mich aus dem Westen gar nicht selbstverständlich erschien, in erheblichem Maße junge Menschen. Ihr wisst ja, dass der Staatssicherheitsdienst zum letzten Mal 1989 für uns Statistik geführt hat. Die Akten im Archiv des Staatssekretariats für Kirchenfragen weisen aus: 82% der ca. 5.000 Teilnehmer waren unter 25 Jahren.
Das Lebensfundament und die Mitte eines gelingenden Lebens finden wir in Jesus Christus, in dem lebendig gewordenen Gotteswort und das will und soll uns natürlich auch heute Morgen weiter leiten. Der Evangelist Markus berichtet uns, im 4. Kapitel von Vers 35 an:
Und am Abend desselben Tages sprach er zu ihnen: Lasst uns ans andre Ufer fahren. Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Boot war, und es waren noch andere Boote bei ihm. Und es erhob sich ein großer Windwirbel, und die Wellen schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde. Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen? Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig! Verstumme! Und der Wind legte sich und es ward eine große Stille. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? Und sie fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer ist der, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind?
Es ist uns doch klar: Wenn Menschen Macht haben über andere Menschen, dann können sie Menschen in Abhängigkeiten locken, mit Angst einerseits und mit falschen Versprechungen andererseits. Diese Erfahrungen haben wir wahrscheinlich alle schon gemacht, auch in den zurückliegenden Jahren. Mitunter haben Menschen auch Macht andere zu erpressen, in den Gehorsam zu zwingen. Aber die Natur können Menschen weder zähmen noch bezwingen, obwohl man heute manches Mal den Eindruck hat, sie würden es versuchen. Es kommt einem zwar wie ein Märchen vor, aber der amerikanische Präsident will ja ernsthaft prüfen, die Sonne verdunkeln zu lassen, damit es uns dann besser auf dieser Welt gehe. Nein, wir werden die Natur nicht zähmen oder bezwingen. Und in Abwandlung eines Politikerzitats sage ich: Nein, wir werden auch das nicht schaffen! Das ist eigentlich eine Binsenweisheit!
Die Jünger hatten schon viel mit Jesus erlebt: In ihren Berufungsgeschichten erfuhren sie, wie das Wort dieses Mannes sie vollmächtig in den Bann zog. Auf das einfache Wort von Jesus hin haben sie ihre Berufe, ihre Unternehmen, ihre Karrieren, ihre Lebenssicherungen und ihre bisherige Lebensweisen von jetzt auf gleich an den Nagel gehängt und aufgegeben. Und dann hatten sie unfassbare Heilungswunder erlebt. Dass Jesus so in ein Leben hineinsprechen konnte und körperliches und seelisches Leiden durch sein Wort und manches Mal durch einfache unterstreichende Zeichenhandlungen von jetzt auf gleich beseitigte. Heute würden wir vielleicht sagen: „Naja, da gibt es psychosomatische Zusammenhänge und da kann wirklich auch nicht-medizinisches Handeln zu Heilungen führen“. Im Matthäusevangelium kommt vor unserer heutigen Geschichte auch die Auferweckung des Jünglings zu Nain. Da hat Jesus noch erstaunlicher in ein Leben hineingesprochen und auf dem Weg zur Beerdigung den Toten wieder auferweckt. - Heute würden vielleicht auch einige daran zweifeln, ob er wirklich tot war. - All das Erlebte war ungeheuerlich. Aber nun auch noch diese Vollmacht von Jesus, nicht nur in ein einzelnes Leben einzugreifen sondern von jetzt auf gleich sogar den Naturgewalten zu gebieten, dem Wind und dem Meer? Das war noch einmal eine andere Dimension. Und wir dürfen doch wahrlich in diesen Tagen zum Wind und Meer hinzufügen. Jesus kann auch der Sonne und der Hitze, dem Wetter und dem Klima, der Wassernot, den Öl- und Gasvorkommen seine Macht entgegenhalten. Und noch viel, viel mehr. Aber deshalb kamen doch die Jünger von Jesus angesichts der Stillung des Sturms aus dem Staunen nicht heraus! Darum starten wir in diese Geschichte mit der Schlussfrage der Jünger und Menschen damals, zäumen sozusagen von hinten her die Geschichte auf:
1. Wer ist der? Wer ist dieser Jesus?
Diese Frage der Jünger wird in diesem Geschichtsabschnitt nicht beantwortet. Da muss man schon das ganze Evangelium lesen. Nein, noch mehr! Wer eine echte Antwort auf diese Frage möchte, wer denn dieser Jesus ist, der muss das Neue Testament lesen, der muss in der Bibel studieren, der muss sich in diese Heilige Schrift hinein vertiefen, dieses wichtigste Buch der ganzen Weltgeschichte! Nur so gewinnt man die Antwort!
Am Anfang des Markus-Evangeliums ist uns von der Taufe von Jesus durch Johannes den Täufer berichtet. Und nach dieser Taufe wird uns berichtet: „Und es geschah eine Stimme vom Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen!“ (Markus 1,11). Und damit ist unmissverständlich klar: Dieser Jesus ist Gottes Sohn. Er ist von seiner Art her Gott. „Ich und der Vater sind eins“ (Johannes 10,30) stellt Jesus klar. Und am Beginn des Johannesevangeliums wird uns unmissverständlich deutlich gemacht. „Im Anfang war das Wort und das Wort bei Gott und Gott selbst war das Wort. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht“ (Johannes 1,1-3). Und dann heißt es weiter: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“ (Johannes 1,14). Dieses Wort, das im Anfang der Schöpfung als ständig wiederkehrender Kehrreim aufleuchtete „Und Gott sprach…Und es geschah so“ (1. Mose 1), das ist in Jesus Christus als dem Sohn Gottes Mensch geworden. Muss man das begreifen, dass aus einem Wort ein Mensch wird? Nein! Wer behauptet denn überhaupt, dass wir mit unserem begrenzten Verstand alles kapieren müssen? Wer ist Jesus? Das Wort, das Gott gesprochen hat. Sein Wort schaffte, bewirkte die ganze Schöpfung, wie wir sie kennen, erleben, uns an ihr erfreuen können und manches Mal auch staunend, manches Mal auch fragend, manches Mal auch erschreckend vor ihr stehen. Der lebendige Gott hat das alles geschaffen! Darum bekennen wir als Christen von altersher: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Schöpfer Himmels und der Erde und an seinen Sohn, Jesus Christus, unseren Herrn!“ Jesus ist Gottes erste Schöpferwort und er wird auch das letzte Wort sprechen und wiederum alles neu machen. In Offenbarung 21,5 ist uns gesagt, dass er spricht: „Siehe ich mache alles neu!“ Und was er sagt, das sind keine hohlen Phrasen, keine leeren Versprechungen. Mein Konfirmator hat mir vor 56 Jahren das Wort aus Psalm 33,4 mitgegeben: „Des Herrn Wort ist wahrhaftig und was er zusagt, das hält er gewiss.“
Natürlich kann man alles anzweifeln: Die Schöpfung durch Gott, dass er die Menschen geschaffen hat, dass Jesus der Sohn Gottes ist, dass sein Wort die Wahrheit ist. Aber wenn man das tut, muss man stattdessen viele Märchen erfinden, warum das alles so geworden ist, wie es ist. Und dann will man dem Bibelwort und dem Glauben widersprechen. Wie oft haben wir in den letzten Jahren die Parole gehört: „Aber wir müssen doch auf die Wissenschaft hören“. Dabei kann die Wissenschaft keine allgemeingültigen Wahrheiten verkünden. Deren Erkenntnisse gelten immer nur so lang, bis sie von neueren überholt werden. Damit ich möglichst nicht falsch verstanden werde: Das ist keine Missachtung der Wissenschaft sondern die nüchterne Erkenntnis ihrer Begrenzung. Denn Wissenschaft schafft eben nur so viel wie Wissen schafft. Und das ist reichlich wenig! Aber Gottes Wort ist zuverlässig, wahr, immer und ewig gültig. Es ist viel mehr als die Weisheit der Weisen, viel mehr als die Wissenschaft dieser ganzen Welt.
Und darum soll uns aus diesem Geschehen auf dem See Genezareth als 2. wichtig werden
2. ER kann – Bei ihm ist nichts unmöglich
„Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ (Matthäus 28,18), sagt Jesus am Ende seines irdischen Lebens. Und das ist die Bestätigung dessen, was wir in den Evangelien von ihm hören. ER hat die Gewalt über Menschen, über alles Geschehen. ER hat alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Denn er ist der Sohn des Vaters, von dem wir bekennen: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen“. Und dieser Gottessohn hat auch diese Allmacht des Vaters. Er steht nicht unter den Naturgewalten und Geschehnissen, sondern über ihnen.
Natürlich haben die Jünger auf dem See Genezareth im anbrechenden Sturm ihr ganzes Know how eingesetzt, ihr Können, ihre Erfahrung, ihre Kräfte, um mit dieser Krise fertig zu werden. Das war normal. Das war gut. Das ist richtig. Auch wir sollen unseren gesunden Menschenverstand, unsere Begabungen, unser Erlerntes, unser Wissen, unsere Erfahrung, unsere Kraft und Zeit einsetzen, wenn es darum geht, mit Problemen fertig zu werden: vom Arzt angefangen bis zur Ingenieurskunst und den Wirtschaftsleuten. Denn all das sind ja die Gaben Gottes. Das alles ist uns gegeben, damit wir es gebrauchen. Aber wir kommen damit eben trotzdem oft an unsere Grenzen. Da hilft dann nicht ein „Yes, we can!“ von Barack Obama; auch nicht die Parole der früheren Kanzlerin „Wir schaffen das!“ oder, wie es Bundeskanzler Scholz am Anfang des Jahres 2022 in seiner Neujahrsbotschaft verkündete „Wir brechen auf in eine neue Zeit. Eine Zeit, die gut wird, wenn wir sie aktiv gestalten. Denn es macht einen Unterschied, dass wir unser Schicksal entschlossen selbst in die Hand nehmen!“ Und wir müssen eingestehen und dagegen halten: „Nein, Freunde, wir schaffen es nicht“. Unsere Mittel sind begrenzt. Menschen schaffen nicht die heile Welt! Menschen schaffen nicht das Paradies auf Erden. Sie können den Sündenfall nicht rückgängig und die Folgen nicht ungeschehen machen. Der totalen Selbstüberschätzung, der Hybris des Menschen, der nur noch an sich selbst glaubt und sich selbst zur Wundermaschine weiterentwickeln will: Dem widersprechen wir! Aber wem sage ich das hier in Bad Blankenburg? Hier ist doch auch nach bald 34 Jahren gegenwärtig, dass die verordnete Gottlosigkeit nicht weiter bringt. Wie hieß es hierzulande: „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein.“ Aber schon damals wurde von Christen mutig entgegen gesetzt – es könnten Teilnehmer der Bad Blankenburger Allianzkonferenz gewesen sein! - „Nein! Ohne Sonnenschein und Gott, geht die LPG bankrott!“ Und heute möchte ich in diese Gesellschaft hineinrufen: Spürt Ihr nicht, wie wir vor die Hunde gehen, wenn wir dieses Wort Gottes verachten?
Einer meiner Freunde, Pfarrer Martin Michaelis aus Quedlinburg, der aufgrund seines entschlossenen Widerspruchs gegen die politischen und kirchlichen Corona-Maßnahmen alle seine Ämter als Pfarrervertreter verloren hat, hat das meines Erachtens am besten auf den Punkt gebracht: „Wenn man Gott vom Thron stößt, ist es naiv zu glauben, dass dann der Thron leer bleibt. Nein, da setzen sich andere drauf, die dann so tun, als wären sie Gott, als hätten sie alles zu bestimmen“.
Jesus hat es uns klar vor Augen gestellt: „Ohne mich, könnt Ihr nichts tun!“ (Johannes 15,5). Und Martin Luther hatte darum recht als er formulierte: „Mit unserer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren! Es streit‘ für uns der rechte Mann, den Gott hat selbst erkoren. Fragst du, wer der ist? Er heißt Jesus Christ, der Herr Zebaoth. Und ist kein andrer Gott!“ Ja, ER kann! ER kann! IHM ist nichts, aber auch gar nichts unmöglich! Viele, leider auch Theologen, haben immer wieder angezweifelt, ob das Geschehen auf dem See Genezareth und die vielen anderen Wundergeschichten, die wir auch im Markusevangelium lesen und in diesen Tagen hören, wirklich 1:1 wirkliche Gegebenheiten sind: von der Geburt von Jesus durch die Jungfrau Maria bis hin zur leiblichen körperlichen wirklichen Auferstehung Jesu von den Toten. In unserem Blatt des Evangelischen Jugendwerks Stuttgart stand schon vor ca. 50 Jahren einmal der so schlau klingende Satz: „Wäre Jesus wirklich auferstanden, wäre er nur ein Alibi für unsere eigene Unauferstandenheit!“ Da sollten die Geschichten der Bibel uns nur animieren, selbst die Dinge in die Hand zu nehmen. Nur, weil unser Denken so begrenzt ist, meinen wir viel zu oft, wir könnten und müssten auch das Können und Wirken von Jesus begrenzen. Und nicht wenige haben sich dazu versteift dann zu behaupten, dass Christus nur unsere Füße und unsere Hände hätte, um in der Welt zu wirken! Wie gut, dass das nicht stimmt! Der diese Welt geschaffen hat durch sein Wort, der ist natürlich auch der HERR über Wind und Wetter, Krankheit, Hunger, Elend und Tod. ER kann! Ohne Begrenzung.
Die kirchliche Diskussion in unseren Tagen ist unter anderem auch überschattet von der Massenaustrittsbewegung aus den Kirchen. Alleine im letzten Jahr verloren die beiden zahlenmäßig noch größten Konfessionen in Deutschland über 900.000 ihrer Mitglieder, knapp 2,2 %. Gehörten im Jahr der Wiedervereinigung 1990 noch 72,7% der Menschen in Deutschland zu einer der beiden großen Kirchen, so waren es Ende des letzten Jahres nur noch 47,5%, also ein Drittel Verlust oder wer lieber in Prozenten rechnet, 25%-Punkte weniger. Dafür gab es viele Gründe.
Auch die sogenannten evangelikalen Gemeinden scheinen aufs Ganze gesehen nicht zu wachsen. Aber darum ist es ermutigend, dass das erwähnte Wort von Jesus „Mir ist gegeben alle Gewalt“ im Zusammenhang mit dem Missionsbefehl steht. Bei ihm ist nichts unmöglich. Er kann auch in unser verdorrtes, geistlich so vertrocknetes Land eine Erweckung schenken. Das Schiff, das sich Gemeinde nennt, geht auch in den Stürmen dieser Zeit nicht unter. Das ist zwar keine Garantie für eine einzelne Kirche, für die einzelne Institution, für ein einzelnes Werk, noch nicht einmal für die Evangelische Allianz und die Bad Blankenburger Allianzkonferenz. Aber sie gilt als Ganzes der Gemeinde Jesu: „Die Pforte der Hölle werden sie nicht überwältigen“ (Matthäus 16,18). Darum dürfen wir beten: „Weck die tote Christenheit aus dem Schlaf der Sicherheit“. Wir dürfen beten, dass der HERR Arbeiter in seinen Weinberg schickt, auch in den deutschen Weinberg. Bei ihm ist nichts unmöglich! ER kann! Und darum ein
3. Wir dürfen IHM vertrauen
Dass Jesus einfach aufsteht und dem Wetter gebietet, überrascht, verstört. Wie kann das sein? Aber die Jünger können noch gar nicht die neue Situation, die Ruhe auf dem See, genießen, sich richtig daran erfreuen, schon werden sie gleich durch den nächsten Satz von Jesus geschockt: „Was seid Ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?“. War ihre Angst unbegründet? Befanden sie sich nicht in Lebensgefahr? War es falsch, dass sie in ihrer großen Not auch Jesus, den Herrn und Meister, zum Anpacken aufforderten? Hätten sie ihn weiter schlafen lassen sollen? Doch, Jesus sagt es ja selbst, dass wir in der Welt Angst haben! Doch, sie waren in Lebensgefahr! Nein, wir dürfen in allen unseren Nöten und mit allen unseren Nöten, den wirklich großen und schwerwiegenden und den alltäglichen Kleinigkeiten immer zu ihm kommen. Jesus hat keine Sprechzeitenregelungen. Wir brauchen uns nicht anmelden. Wir müssen keinen Termin monatelang im Voraus wie bei einem Facharzt vereinbaren. Wir müssen auch keine Nummer ziehen. Die Tür steht offen! Er gewährt uns ständig Audienz. Und dabei wissen wir, dass wir Jesus nicht erst aufwecken müssen. Er ist immer und überall da und präsent.
Was ist dann das Problem? Die größte Not der Jünger und der mangelnde Glaube, den Jesus feststellt, liegen darin, dass sie Jesus nur als Mitarbeiter wollen, als Helfer, als Kümmerer. Sie rechnen damit und hoffen darauf, dass seine Mithilfe den Ausschlag geben könnte, noch mal lebend davon zu kommen. Sie erwarten von ihm Stärkung des Teams, aber nicht die alleinige Lösung. Sie rechnen nicht damit, dass er die Macht hat, die Naturgewalt einfach zu stoppen. Aber Jesus ist nicht der 7. Mitspieler, der starke Ersatzspieler, der nach seiner Einwechslung das Spiel dreht. Nein, wo er ist, da will er nicht einfach unser Gast sein, der unsere Beschlüsse segnet und mitfährt. Er ist der HERR! Darum sollen wir nicht beten: Herr, segne unser Tun sondern zeige uns unser Tun. Darum kommt es nicht darauf an, dass wir einen großen Glauben haben sondern wir brauchen den Glauben an den großen Gott! Ihm dürfen wir in allen Stürmen des Lebens unser Vertrauen schenken. Ihm dürfen wir unsere Sorgen zuwerfen. Er sorgt für uns. Und dabei ist es nicht das Wichtigste, ob uns jetzt aus unserer Not geholfen wird sondern unser Vertrauen darf weit über die Nöte hinaus gehen. Denn wir wissen: „Es kann uns nichts geschehen als was er hat ersehen und was uns heilsam ist“. Ja, er will uns auch die letzte Angst nehmen, die Angst vor dem Tod, vor dem Ende unseres Lebens.
Ich vermute mal, dass die meisten von uns noch nicht auf Flüssen, Seen oder dem Meer in vergleichbaren Lebensgefahren waren. Aber habt Ihr nicht auch schon erlebt, dass Stürme in eurem Leben zum Stillstand gekommen sind, durch das Eingreifen von Jesus? Stürme in der Krankheit oder bei Misserfolg? Stürme im aufgewühlten Meer menschlicher Anfeindungen? Stürme des Zweifels vielleicht sogar gerade dort, wo Ihr im Auftrag von Jesus und mit ihm unterwegs wart? Es wäre spannend, jetzt einander davon zu erzählen. Dazu ist ja auch der ganze Tag noch Zeit. Aber kennt Ihr auch die Anfechtung und den Zweifel, der aufkommt, weil Jesus sich selbst durch unser Beten scheinbar nicht wecken lässt? Weil er offenbar nicht aufsteht und dem Sturm gebietet? Weil er anscheinend nicht eingreift sondern das Unheil seinen Lauf nimmt?
Wir sind ja hier auch zusammen aus ganz unterschiedlichen Glaubenstraditionen. Ich denke zurück an ein Gespräch, dass wir als kleine Gruppe aus dem Allianzvorstand vor bald 30 Jahren mit einer Gruppe aus dem Präsidium des Bundes freikirchlicher Pfingstgemeinden führten. Es ging damals um die Frage, ob wir im Raum der Evangelischen Allianz doch mehr zusammenarbeiten könnten als es bis dahin der Fall war. Als mehr pietistisch geprägte Christen haben wir den Präsidiumsmitgliedern kritische Fragen gestellt zur Theologie und zur Glaubenspraxis, auch zu den Fragen von Wundern und Heilungen in unserer Zeit. Der damalige Präses Reinhold Ulonska beantwortete unsere Frage: „Wie ist es denn: Wenn man richtig glaubt, wird man von Krankheiten geheilt?“ Die Frage hätte im Blick auf unseren Bibeltext auch lauten können, ob Christen die Vollmacht haben, jedem Sturm die Stille zu verordnen. Und Reinhold Ulonska antwortete für mich total überraschend, etwa so: „Ein Gemeindepastor wird das spätestens nach der dritten Beerdigung nicht mehr sagen!“ Und „Es gehört mehr Glauben dazu, getrost zu sterben, als geheilt aufzustehen!“
Weltweit stehen Christen vielfach in ganz anderen Stürmen, nämlich dem der Bedrängnis, Unfreiheit und Verfolgung um ihres Glaubens willen. Und nicht wenige erleiden auch in unseren Tagen den Märtyrertod, weil ihnen der Glaube an Jesus wichtiger ist als ihre Freiheit und ihr Leben. Kennt Ihr die drei Freunde von Daniel, Schadrach, Meschach und Abed-Nego? Sie sollten durch die Ankündigung des Todes durch Verbrennung dazu genötigt werden, das goldene Bild anzubeten, das der König Nebukadnezar hatte machen lassen, um seine unbedingte Herrschaft anzuerkennen. Aber die drei haben sich geweigert und dem König gesagt: „Wenn unser Gott, den wir verehren, will, so kann er uns erretten; aus dem glühenden Ofen und aus deiner Hand, o König, kann er erretten. Und wenn er‘s nicht tun will, so sollst du dennoch wissen, dass wir deinen Gott nicht ehren und das goldene Bild, dass du hast aufrichten lassen, nicht anbeten wollen.“ Das ist das „Dennoch“ des Glaubens! Das unbedingte grenzenlose Vertrauen in ihn. Weil ER alle Gewalt hat, dürfen und können Jünger vertrauen, auch gegen die Erfahrung, auch gegen den Augenschein, auch in der Einsamkeit gegen die Massen, auch in menschlich anscheinend ausweglosen Situationen. Gott kann – aber er tut es nicht immer. Aber selbst dann halten wir unerschütterlich an ihm fest! Der Glaubende lebt mit beiden Beinen in der Welt, schwebt nicht über dem Boden, ist kein Phantast und kein Träumer. Aber er lässt sich auch von seinem Erleben nicht aus dem Vertrauen gegenüber Gott ziehen. Einen solchen Glauben wünsche ich dir!
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